Der erste kontaktlose Seitenkoffer mit Induktionsverbindung

Wie Yamaha und NAD den Schlüssel verlegt haben

Warum brauchen wir 2025 eigentlich noch Schlüssel, um einen Seitenkoffer zu öffnen? Türen öffnen sich mittlerweile per App, Autos starten per Knopfdruck, und selbst der Kühlschrank weiß, wann er Nachschub braucht. Nur beim Motorradkoffer hantieren wir noch mit Metallzähnchen? Nicht mehr lange, sagen Yamaha und NAD – die Mutterfirma der Zubehörmarke SHAD – und präsentieren den ersten Seitenkoffer, der ganz ohne Schlüssel auskommt.

Der Zauber der unsichtbaren Verbindung

Koffer auf, Koffer zu - klingt simpel, kann aber verdammt fummelig sein, wenn Stecker nicht wollen, Wasser ins Spiel kommt oder der Deckel im entscheidenden Moment bockt. Die Lösung: eine kontaktlose Stromübertragung via Induktion. Wie beim Handy-Ladegerät, nur etwas kerniger. Hier kommt die sogenannte WPT-Technologie (Wireless Power Transfer) zum Einsatz. Zwei Platten eine am Motorradrahmen, eine im Kofferboden treten in nicht-berührenden Dialog miteinander. Keine Metallkontakte, keine offenen Stellen, keine Spielwiese für Feuchtigkeit. Stattdessen ein kurzer energetischer Blickkontakt, und schon wird Strom übertragen. Wie zwei Leute, die sich wortlos verstehen nur eben mit Elektronen statt Emotionen. Sprich: ohne Fingerquetschen und ohne Gefluche.

Was kann so ein kluger Koffer eigentlich?

Ziemlich viel für ein Ding, das vor allem Helm, Handschuhe und unauffällige Wäscheteile beherbergen soll. Der Koffer erkennt, ob er korrekt montiert ist, und öffnet sich dann ganz von selbst ohne dass man nach einem Schlüssel fummeln muss. Im Inneren wartet ein integriertes Lichtsystem, das automatisch anspringt, sobald sich der Deckel hebt. So findest du selbst im stockfinsteren Parkhaus die Packung Ohrstöpsel oder das lose USB-Kabel für dein Handy.

Apropos, USB gibts jetzt auch direkt im Koffer ein Anschluss ist nämlich eingebaut. Ideal, um unterwegs das Navi, Smartphone oder die Powerbank nachzutanken. Und als ob das alles nicht schon praktisch genug wäre, denkt das System auch mit: Sollte der Koffer offenstehen und das Motorrad sich in Bewegung setzen, merkt sich das die Elektronik nicht nur, sondern handelt auch. Ab 10 km/h verriegelt sich der Deckel automatisch. Klingt fast ein bisschen überfürsorglich ist aber in der Realität ein echter Segen für vergessliche Tourenfahrer. Das System ist quas i der liebevolle Helikopter-Papa, der einem am liebsten noch die Schuhe binden würde.

Warum das nicht einfach war:

Technikfreunde wissen: Es ist nie die Idee, die schwierig ist. Es ist die Umsetzung. Und in diesem Fall war es die Geschwindigkeit der Verbindung. Anfangs brauchte das System fünf Sekunden, um Sender und Empfänger zu synchronisieren - was in Softwarezeitrechnung etwa der Eiszeit entspricht. Nicht ideal, wenn man schnell losfahren möchte.

Die Ingenieure von NAD machten sich daran, dieses Problem zu beseitigen. Am Ende stand eine elegant optimierte Softwarelösung, die die Verbindungszeit auf 0,6 Sekunden drückte. Das ist schneller, als man "Wo ist mein Helm?" murmeln kann. Oder eben: schnell genug, dass man es nicht merkt.

Vier Jahre, 4.000 Stunden, 10.000 Kilometer

Ein Projekt wie dieses entsteht nicht zwischen zwei Meetings. NAD hat sich laut eigenen Angaben rund vier Jahre Zeit genommen, um die Entwicklung zur Serienreife zu bringen. Mehr als 4.000 Arbeitsstunden sind in Konzept, Hardware, Software und Tests geflossen. Dazu kamen über 10.000 Kilometer Testfahrten unter unterschiedlichsten Bedingungen von nasskalt über staubig bis Mist, ich hab das Teil wieder fallen lassen. Erst nachdem das Koffersystem wirklich alles mitgemacht hatte, was ein Motorradfahrer im Alltag so verursacht, wurde es für serienreif erklärt.

Dass Yamaha die neue Lösung als Erster aufgreift, ist nicht ganz überraschend schließlich ist die Tracer 9 GT ein Touring-Modell mit Technik-Affinität. Das perfekte Versuchskaninchen also. Oder besser: das erste Serienmotorrad mit einem Koffer, der im Matheunterricht besser abgeschnitten hätte als ich.

Und wohin rollt das Ganze in Zukunft?

Man muss kein Prophet sein, um zu ahnen: Das war erst der Anfang. NAD arbeitet laut eigener Aussage bereits an weiteren Elektronik-Projekten im Kofferbereich. Was genau das bedeutet? Man darf spekulieren: Vielleicht Koffer mit GPS-Ortung, eingebautem Lautsprecher oder Thermofach für das belegte Brötchen. Oder, realistischer gedacht, Systeme zur Diebstahlsicherung, cloudbasierte Diagnosetools oder eine Integration ins Bordnetz für noch mehr Komfortfunktionen.

Eins ist jedenfalls sicher: Die Zeiten, in denen ein Koffer einfach nur drauf war, sind vorbei. Heute denkt er mit, leuchtet dir heim, lädt dein Handy und macht dicht, bevor du es merkst. Nur Kaffee kochen kann er noch nicht Betonung auf noch.

Mehr zur Marke findest du hier.

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Bericht vom 28.05.2025 | 728 Aufrufe

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