Test Talaria Sting - BMX trifft auf Enduro mit E-Antrieb

Das E-Motorrad der L1e-Klasse überrascht mit hohem Fahrspaß

In der heurigen Saison haben wir zwei Talaria Sting E-Motorräder im Dauertesteinsatz. Die ersten Eindrücke sind überraschend positiv und haben vielen 1000PSlern schon ein Grinsen ins Gesicht gezaubert. Aber wie fahren die leichtgewichtigen Spaßgeräte mit reinem E-Antrieb? Wir klären auf.

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Talaria, die Marke kennen wir in Europa noch nicht. Es ist ein neuer Anbieter, der sich aus Leuten zusammensetzt, die davor schon bei Sur-Ron gearbeitet haben und nun ihre eigenen Ideen und Vorstellungen von E-Motorrädern unter neuer Marke verwirklichen wollen. Talaria wird im DACH-Raum von der Firma Quadix als Importeur betreut und baut gerade sein Händlernetz aus. 1000PS hat für diese Saison zwei Talaria Sting-Modelle im Dauereinsatz, um die leichten und lautlosen Spaßmobil auf Herz und Nieren zu testen. Und das sind unsere ersten Erfahrungen damit nach mehreren Wochen im Einsatz.

Test Talaria Sting
Beide Versionen: Die MX- und die straßenzugelassene Version der Sting

Herzstück I: Der kräftige Motor

Die quirlige Talaria Sting wird von einem bürstenlosen 3-Phasen-Drehstormmotor angetrieben, der luftgekühlt bis zu fünf Pferdchen mobilisiert (3,7 kW) und ein bäriges Drehmoment von 34 Newtonmetern über Kette an das Hinterrad drückt. Wichtig: Auf der Talaria gibt es typisch für E-Motorräder keine Kupplung, kein Getriebe. Jeder Gasgriffdreh wird direkt und lautlos (bis auf ein leichtes Surren) in Vortrieb umgesetzt. Und wie! Zwei Modi stehen zur Auswahl: Eco und Sport. Wer im Sportmodus aus dem Stand Vollgas gibt und vielleicht auf der einteiligen Monositzbank mit dem Körpergewicht weiter hinten platziert ist, wird staunen, die willig die Front auf den ersten paar Zentimetern vorwärts steigen mag. Ja, 34 Newtonmeter aus dem Stand ist bei einem Gewicht von nur 67,5 Kilogramm heftig, aber geil heftig. Da denkt man, ein L1e-Bike (was der 50-Kubik-Klasse entspricht) kann nicht so heftig anrauchen: nun es kann. Wie ihr in unserem Testvideo sehen könnt, würden wir die Kraftentfaltung, den Antritt, den Bums von unten mindestens eine Klasse höher einordnen. Eine 125er kann die Talaria Sting bis 45 km/h locker biegen. Dann ist bei der straßenzugelassenen Version halt Schluss. Die MX-Version ohne Straßenzulassung hat die gleiche Basis, jedoch keine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 45 km/h und läuft rund 70-75 km/h Topspeed. Gut zu wissen: Wer will, kann auch die zugelassene Version entdrosseln, Anleitung dazu findet man im Web. Damit erlischt aber natürlich die Zulassung im öffentlichen Straßenverkehr! Pfiffig: Geht man vom Gas, rekuperiert die Talaria, sprich sie gewinnt Energie zurück. Das lässt sich auf vier verschiedenen Stufen noch feinjustieren, womit man zu einem gewissen Grad auch die Motorbremswirkung einstellen kann.

Test Talaria Sting
Das doppelte Herz: Kräftiger E-Motor, ausdauernder 2,3 kWh-Akku.
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Herzstück II: Der Akku

Bei E-Fahrzeugen ist zwar der lautlose und drehmomentstarke Elektromotor immer ein Spektakel, aber nicht minder wichtig ist der Akku, denn in der Batterie wird die ganze Kraft und Energie gespeichert. Talaria setzt hier auf hochwertige Zellen aus dem Hause LG, jene Zellen, die auch bei namhaften E-Autoherstellern in Verwendung sind. Die Lithium-Ionen-Batterie hat eine Kapazität von 2,3 kWh bei 38 Ah und die Betriebsspannung liegt bei 60 Volt. Damit lässt sich eine durchschnittliche Reichweite von 40-60 Kilometern schaffen, natürlich stark abhängig davon, wie viel Last man via Gasgriffdreh jeweils vom Motor verlangt. Bei unseren Tests bis jetzt über mehrere Wochen sind wir immer wieder erstaunt, wie ausdauernd der Akku zu Werke geht. Wer es gemütlich angeht, kann einen ganzen Endurotag mit einer Vollladungen schaffen. Wer die Talaria ausquetscht, ist nach ca. 2-3 Stunden intensivem Einsatz nahe der Reserve und sollte nachladen. Apropos Laden: Die Talaria Sting kommt mit einem Schnellladegerät und lädt den Akku zwischen 3,5 bis 4 Stunden komplett voll. Wer möchte, kann den Akku aber auch mit zwei Handgriffen ganz einfach aus dem Bike heben und wechseln. Ein Ersatzakku ist auch einzeln zu bekommen und kostet 1.170 Euro. Auf der Batterie ist eine Ladestandsanzeige integriert, um auch bei ausgebautem Akku genau zu wissen, wie viel Saft noch drinnen steckt sehr praktisch. Der Akku selbst wiegt genau 13 Kilogramm und stellt damit beim Herausheben oder Einbauen keine große Hürde dar. Ist der Akku mittig in der Talaria Sting platziert, lässt sich der Akkustand ganz bequem über das große TFT-Display ablesen (bei der Straßenversion). Die MX-Variante hat ein deutlich kleineres LC-Display auf der linken Lenkarmatur verbaut, wo aber ebenfalls der Ladestand gut sichtbar ist.

Test Talaria Sting
Lautlos durch den Wald, wo es erlaubt ist, mit der Sting ein Spaß!

Spaßiges Fahrgestell mit Reserven

Rund um die Antriebs- und Batterieeinheit ist die Talaria Sting äußert spartanisch gehalten, um das sehr niedrige Gewicht zu ermöglichen: Die MX-Version wiegt überhaupt nur 65 Kilogramm (auf der unbestechlichen 1000PS-Viehwaage gemessen) und liegt damit auf Trial-Niveau. Möglich machen das Komponenten, die man aus dem Radsport kennt: Die USD-Gabel unseres Testmodells ist von DNM mit verstellbarer Zugstufe und Vorspannung bei rund 200 Millimeter Federweg. Das Federbein ist gänzlich einstellbar und bietet ebenfalls ausreichend Federweg, um auch etwas gröbere Passagen wegzustecken. Erwähnt sei hier, dass Talaria die maximale Zuladung mit 100 Kilogramm angibt. Wer schwerer ist, müsste rückfragen, welchen Puffer Talaria eingeplant hat. Unser Endurotestpilot Arlo kratz an der Marke und hat die Talaria trotz schonungslosem Umgang im Waldgelände nicht in die Knie zwingen können, aber herausgefordert. Bereift ist das spaßige E-Mobil vorne und hinten mit 19-Zoll Speichenfelgen, mit 70/100er-Gummi vorne und 80/100 hinten. Die eher grobstolligen Reifen bietet genug Grip, um auf losem Untergrund sicher vorwärts zu kommen und die 34 Newtonmeter auch ohne Fahrhilfen auf den Boden zu bringen. Erwähnt sei an dieser Stelle auch die Bremse, ebenfalls aus dem Fahrradsport zugeliefert: Vorne und hinten kommen 196 Millimeter Bremsscheiben zum Einsatz, die gut dosierbar sind und die Talaria sicher einfangen. Hat man höhere sportliche Ambitionen im Sattel der Sting, könnte man darüber nachdenken, die Bremsen mit bissigeren Belägen auszustatten bzw. auf größere Bremsscheiben zu wechseln. Tatsächlich bieten die Bremsen jedoch einen anderen Kritikpunkt: Bei der Sting lässt sich bei gezogener Bremse kein Gas geben, womit man das Motorrad nicht vorspannen oder fixieren kann. Das kann in Steilauffahrten, wo man zu stehen gekommen ist, tricky werden, da man die Bremsen komplett lösen muss, um mittels Gasgriffdreh vorwärts zu kommen. Für Spielerein wie Wheelies ist diese Softwarelösung leider auch etwas hinderlich. Angeblich soll das bei der Talaria Sting R gelöst worden sein. Die Sitzhöhe von 87 Zentimetern mag zwar im ersten Moment hoch klingen, ist aber aufgrund des extrem schmalen Schrittbogens auch für kleinere Personen gar kein Problem.

Test Talaria Sting
Cool: Das große TFT-Farbdisplay an der Talaria Sting

Gute Verarbeitung

In Sachen Verarbeitung überrascht die Talaria Sting, aber im positiven Sinn: Die Fußrasten sind verstellbar und somit noch auf den Fahrer anpassbar. Das große TFT-Farbdisplay der Straßenversion ist ein Augenschmaus, die Lackierung, Beklebung und Kunststoffanmutung sehr wertig. LED-Blinker, Lenkerendspiegel und LED-Hauptscheinwerfer runden das Gesamtpaket stimmig und hochwertig ab. Lediglich ein einziges Bauteil wirkt nicht stimmig bei der Talaria: Die Baumarkt-Sicherungskasten-Sicherung vor dem Akku unter der Zugangsklappe. Ansonsten muss man der Talaria Sting ein sehr hohes und wertiges Verarbeitungsmaß attestieren, welches man in dieser Preisklasse nicht oft findet.

Test Talaria Sting
Arlo hatte mächtig Spaß mit der Sting!

Fazit von Arlo

Die Bikes von Talaria sprechen potentiell eine breite Kundenschicht an. Vom Offroader, der damit im Wald seine Sektionen fährt. Zum Camper, der die 65 kg der Talaria auf den Wohnwagen hievt, um damit die Urlaubsgegend zu erkunden. Bis hin zum daily Driver der damit in der Stadt seine Wege flott erledigt. Begeistert haben mich das geringe Gesamtgewicht und die gute Akkuleistung. Als erfahrener Offroad-Fahrer wählt man dann auch gerne mal die schnellere Gangart. Hier liegen aber die Grenzen der Talaria, denn MTB-Komponenten sind eben nicht mit einem Hard Enduro-Fahrwerk oder solcher Bremsen zu vergleichen. Wer das im Hinterkopf behält, kann mit der Talaria sehr glücklich werden.

Test Talaria Sting
Mex hat die Talaria Sting mächtig ausgewunden!

Fazit Mex

Die beiden getesteten Talaria-Modelle sehe ich als eine richtig spannende Bereicherung für Offroad-Enthusiasten. Nahezu geräuschlos kann man sich damit im Bereich Wald und Wiese fortbewegen, womit sich viele neue Möglichkeiten für spaßige Fahrerlebnisse auf unbefestigtem Untergrund auftun. Die Verarbeitung macht einen sehr soliden Eindruck und auch die Güte der verbauten Komponenten, letztere großteils aus dem Downhill MTB Bereich, geht in Anbetracht des Preises schwer in Ordnung. Für mich im Test überraschend war zudem die Ausdauer: Mit dem Akku kommt man als Genussfahrer richtig lange durch.

Test Talaria Sting
Cool: Die Talaria Sting ist ein lautloser und spaßiger Begleiter im Wald

Preis Talaria Sting

Die straßenzugelassene Talaria Sting L1e mit allen Anbauteilen für den Straßenbetrieb kostet in Deutschland 4.990 Euro und in die ungedrosselte MX-Version ohne StVO-Teilen kostet 4.690 Euro. Beide Bikes sind auch in der Schweiz und Österreich erhältlich.

Fazit: Talaria Sting 2023

Die Talaria Sting hat uns alle positiv überrascht. Sie ist ein kleines Gaudi-Gurkerl, welches durch seinen lautlosen aber strammen Antrieb absolut Spaß macht und sowohl Fahranfängern als auch fortgeschrittenen Piloten ein Grinsen ins Gesicht zaubern kann. Die Akkuleistung hat unserer Meinung nach keine Wünsche offen gelassen und das Preis-Leistungsverhältnis stimmt auch. Einzig der Punkt, dass man nicht Gas geben kann während man auf der Bremse steht hat bei manchen Passagen den Fahrspaß etwas getrübt. Aber dafür wird sich wohl noch eine Lösung finden lassen.


  • strammer Antritt
  • sehr lineare und berechenbare Leistungsentfaltung
  • gute Verarbeitung
  • gute Reichweite
  • austauschbarer Akku
  • sehr leicht und wendig
  • für Anfänger als auch Fortgeschrittene Fahrer zu empfehlen
  • breiter Einsatzbereich wenn man die zugelassene Variante nimmt
  • Zuladung nur 100 Kilogramm
  • nur Ein-Personen-Zulassung
  • bei niedrigem Akkustand etwas weniger Leistung
  • Bremsen und Gasgeben nicht gleichzeitig möglich
  • Bremsen könnten einen Tick kräftiger ausfallen

Bericht vom 03.06.2023 | 19.050 Aufrufe

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