MV Agusta F3 800

Positive Überraschung beim Rennstreckentest

Sie sieht aus wie eine Diva, fährt aber unkompliziert und schnell. Auf der Rennstrecke hatte sie weniger Macken wie die japanischen Tausender. Eine Überraschung.

Den ganzen Tag über zierte ich mich die F3 zu fahren. Zur Auswahl standen alle aktuellen 1000er sowie 2 Panigales in klein und groß. So ein Reifentest gleicht ja einem Paradies. Die MV Agusta war mir in diesem Umfeld aber einfach nicht ganz geheuer. Doch nach jedem Turn bot sich das gleiche Bild. Die Testpiloten stiegen mit einem zufriedenen lächeln ab und waren allesamt zufrieden. Beim vorletzten Turn also stieg ich nach zahlreichen Runden im Sattel der Tausender etwas widerwillig auf die F3.

MV Agusta F3 800 - Vorurteile vorhanden

Meine Vorurteile waren beträchtlich. Die Art und Weise wie man in der MV Konzernleitung Geschäfte macht und Investoren ist mir nicht ganz geheuer. Daher sind mir auch die Bikes aus Varese nicht ganz geheuer. Die Vorurteile wurden auf den ersten Metern auch noch verstärkt. Die Sitzbank war hart und so konnte man den rauen Motorlauf auch noch richtig intensiv spüren. Der Sound aus dem Auspuff war ja schwer in Ordnung, aber irgendwo klang der Motor so als kullerte da eine Ladung Beilagscheiben lose im Getriebe herum.

MV Agusta F3 800 - Phantastisches Handling

Nach den ersten Kurven wich die Skepsis und die Freude am Fahren machte sich breit. Denn die F3 fährt einfach und durchschaubar. Sie sieht optisch aus wie eine göttliche Diva, hört sich an wie ein zickiges Biest, trifft aber so narrensicher den Strich dass es eine Freude ist. Die Sitzbank ist hart doch insgesamt sitzt man komfortabel in dem kompakten Gerät. Das Raumangebot für die Beine ist zwar grenzwertig, doch man konnte sich arrangieren und platzieren. Kurzum: Man fühlt sich wohl im Sattel.

MV Agusta F3 800 - Überraschend kultiviert am Gasgriff

Die nächste Überraschung folgte in den Beschleunigungszonen. Selbst im Vergleich mit den 1000ern war man kein Opfer. Das lag zum Teil am guten Chassis, welches einen tollen Kurvenspeed ermöglichte. Ich konnte die MV F3 früher in Beschleunigungsposition bringen als die japanischen 1000er und auch besser als die BMW. Zusätzlich dazu nahm der Motor das Gas sauber an. Der Übergang von Bremse lösen hin zu Gasgriff öffnen war wirklich großartig. Das brachte die F3 besser hin als die Fireblade mit der ich vorhin gefahren bin. Und dann zog der Dreizylinder 800 ccm Motor auch wirklich sauber durch. In Summe verlor man mit der F3 auf die 1000er nur auf der langen Geraden - auf den restlichen Passagen war man mit ihr viel mehr Jäger als Opfer. Vor allem als Hobbyfahrer erfreut man sich an den angenehm dimensionierten 148PS des italienischen Aggregats. Klar kann man mit der F3 nicht so einfach überholen wie mit der übermotorisierten BMW. Doch in Wechselkurven und in den Bremszonen kriegt man seine Chance. Dort bleibt die MV dank der guten Anti-Hopping Kupplung in Kombination mit dem offensichtlich gut abgestimmten Chassis stabil und ist immer bereit den Einlenkvorgang zu beginnen.

MV Agusta F3 - Keine große 1000er - aber eine großartige Bremse!

Die Begeisterung für die F3 wurde umso größer je länger der Turn dauerte. Im Sattel der BMW zog ich den Bremshebel nach wenigen Runden komplett durch. Im Sattel der Honda und der Suzuki wanderte der Druckpunkt nicht so heftig, aber die Bremsleistung ließ ebenfalls nach. Die vermeintliche Bastelfuhre erlaubte sich jedoch keine Schwäche. Die Bremsleistung blieb stabil, der Druckpunkt ebenso.

MV Agusta F3 800 im Vergleich mit Ducati 959 Panigale

Muss man nun also sofort eine F3 im 1000PS Marktplatz kaufen? Um sicher zu gehen was die Fuhre kann, stieg ich gleich danach auf die ebenfalls anwesende Ducati 959 Panigale. Sie sieht ebenfalls großartig aus, bietet jedoch ein stabileres Händlernetz. Der Motor läuft nicht so rau und sie schafft einfach mehr Vertrauen. Doch sie fuhr nicht so leiwand wie die MV! Die Bremse der Ducati war auch nach wenigen Runden überfordert und den perfekten Strich erwischte man mit der MV leichter. Die Ducati war komfortabler und weniger präzise als die scharfe MV Agusta. Trotzdem war diese nicht ungemütlich oder biestig.

Am Ende steigt man mit einem gewaltigen Seufzer vom Motorrad. Warum nur bitte kriegen die Manager nicht das hin, was die Ingenieure geschafft haben. Solch geile Motorräder verdienen würdige und stabile Rahmenbedingungen. Sonst bleiben sie ewig ein Tipp für risikofreudige Liebhaber exotischer Motorräder - mit einem guten und ehrlichem Draht zum nächsten MV Händler. Technisch funktionierte sie an diesem Tag tadellos und ins Herz fuhr die MV sowieso. Wir drücken die Daumen, dass die Firma den richtigen Weg einschlägt.

Fazit: MV Agusta F3 800 2017

Erstaunlich ausgereift fahrendes Motorrad. Die mechanische Soundkulisse klingt zwar sehr exotisch, doch das Fahrverhalten war famos. Die MV schafft das, was andere „Midsize“ Supersportler nicht schaffen. Sie hat die Ausstattung der großen 1000er in Kombination mit einfachem Handling und umsetzbarer Leistung. Schon im Stand verzaubert die F3, im Sattel hat man sich dann endgültig verliebt.


  • mittlerweile makellos abgestimmter Motor mit sauberen Ansprechverhalten und gutem Durchzug
  • tolle Bremsen
  • Motorrad wirkt ultrakompakt, trotzdem akzeptable Sitzposition
  • tolles Chassis macht Umlegen und Einlenken zum Kinderspiel
  • zeitlos geile Optik
  • mechanisch raue Soundkulisse
  • Etwas wenig Platz für Knie
  • Händlernetz und Ersatzteilversorgung „Zitterpartie“

Bericht vom 07.10.2017 | 73.307 Aufrufe

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