Ducati Monster 1100

Die quicklebendige Neuzeit-Monster 696 ist kaum flügge, schon doppelt Ducati mit der mondänen Monster 1100 nach.

Ducati Monster 1100

Goldene Mitte

Die Proportionen gewahrt: Bei der 1100er ist das Neo-Monster-Design 100% stimmig.

Nicht, dass die 696 kein spritziges, attraktives und damit (die Verkaufszahlen belegen es) äusserst gelungenes Mittelklasse-Motorrad wäre. Absolut nicht. Doch am wirbeligen kleinen Launemacher aus der Emilia Romagna war uns von Anfang an etwas suspekt. Denn die 696 ist kein Töff ohne optische Kompromisse, denkt man beispielsweise an die wuchtigen Auspuff-Cornets über dem vergleichsweise schmalen 160er-Gummi. Und auch die Zweiarmschwinge wirkt ein bisschen, als hätte sie in der Produktion nicht allzu teuer werden dürfen.

Als sich uns dann die ersten Bilder der neuen Monster 1100 offenbarten, war plötzlich alles klar der Verdacht bestätigt: Nicht die 696, nein, die optisch in sich deutlich stimmigere M 1100 ist die eigentlich echte Neuzeit-Monster. Denn bei ihr macht optisch alles Sinn, harmonieren die Elemente, stimmen die Proportionen. So gibt Projektingenieur Giuseppe Caprara auf Anfrage  denn auch zu, dass die 696er- und die 1100er-Monster simultan entwickelt wurden. Die 696 kam nur früher auf den Markt.
 

  Berauschendes Handling, gute Stabilität in Schräglage.

Ausgewachsen

Streicheln wir die schicke Bologne-serin mit unserem Blick, so bleiben wir mit weit aufgerissenen Augen am Hinterrad kleben. Nicht das aus dem Ducati-Baukasten schon lange bekannte filigrane Fünfspeichen-Alurad mit fetter 180er-Pelle an sich bringt uns ins Staunen, sondern die Gesamtkomposition mit dem schnittigen Heck, den konisch geformten Pötten und der eigens für die Monster 1100 entwickelten Alu-Einarmschwinge. Das hübsche Bauteil bringt lediglich 5 kg auf die Waage und verfügt über das beste, je bei Ducati erreichte Verhältnis aus Gewicht und Steifigkeit.

Am oberen Ende stützt sich seitig verschraubt das voll einstellbare Federbein von Sachs direkt, also ohne Umlenksystem, am Verbundrahmen aus Stahlgitterrohren und Alu-Druckguss-Elementen ab. Genau wie bei der 696. Mit dem Unterschied allerdings, dass die Federbein-Aufnahme am Rahmen um 10 mm verlängert wurde. Die gegenüber der kleinen Monster um stattliche 40 mm auf 810 mm gewachsene Sitzhöhe ist aber auch auf die Reifendimensionen, das vorne um 10 mm dickere Sitzpolster und insbesondere auf die neue, ebenfalls voll einstellbare Showa-Gabel mit 10 mm mehr Federweg zurückzuführen.
Das Ziel dieses baulichen Höhenflugs, der soviel zur Beruhigung kleinerer Ducatisti Zeitgenossen mit einer Körpergrösse um 165 cm noch ein sicheres Abstehen mit beiden Füssen ermöglicht: mehr Schräglagenfreiheit.
 

Komplett neu: 5 kg leichte Alu-Einarmschwinge. Direkt angelenktes Federbein (hier an der S-Version).
 
Motor: Logische Konsequenz

Es ist das erste Mal, dass Ducati den luft-/ölgekühlten 90°-V2 mit 1100 ccm Hubraum sowie je zwei Zündkerzen und Ventilen pro Zylinder einer Monster implantiert. Ein durchaus nachvollziehbarer Schritt, wird dieser Motor, der bis dato ausschliesslich den Modellen Hypermotard und Multistrada vorbehalten war, doch gemeinhin als einer der besten Antriebe bezeichnet, die je in den Werkshallen bei Bologna gebaut wurden. Doch war inzwischen bei diesem Prachtsantrieb die Zeit für eine Überarbeitung reif geworden ...


Gegenüber der Hypermotard wuchs die Spitzenleistung dank grösserem Airbox-Volumen (10 Liter), dem neuen Motormanagement und der Auspuffanlage mit Steuerwalze von 90 auf 95 PS (bei 7500/min). Das maximale Drehmoment bleibt unverändert bei wuchtigen 103 Nm. Den Ingenieuren ist es zudem gelungen, den Motor um drei Kilo abzuspecken, indem sie bei der Fertigung des Gehäuses auf ein bereits bei der 848 angewandtes Vakuum-Druckgussverfahren zurückgegriffen haben. Einziger Wermutstropfen: War der Ölfilter bei der Hypermotard noch sauber und unauffällig im Gehäuse untergebracht, liegt das unschöne Bauteil bei der M 1100 nun nackt und damit sichtbar im Fahrtwind. Dafür wurde dem Ölkühler eine schnittige kleine Verschalung spendiert.
 

Hohe Qualität bis ins Detail: Die Tankausbuchtung und der schön geformte Tank. Clever untergebracht: 10-Liter-Airbox unter der Tankverschalung.

 

Auf zum Tanz

Obschon Rahmen, Geometrie, Fussrasten, Tankform und Kröpfung und Position des (neuen) Alu-Lenkers mit jenen der 696 identisch sind, hat man das Gefühl, auf einem komplett anderen Töff Platz genommen zu haben. Während man in der 696 drinsitzt, thront man bei der 1100er obendrauf,  und zwar noch einen Zacken näher am Lenkkopf und mit einer Prise mehr Gewicht auf dem Vorderrad. Den Oberkörper leicht nach vorne geneigt, werden kampflustig die Ellbogen nach aussen gestemmt. Der Knieschluss passt bestens, ebenso der Kniewinkel.
Wir halten fest: Die Sitzposition der Monster 1100 ist hervorragend gelungen. Nach 240 alles andere als zaghaft gefahrenen Testkilometern im Hinterland von Cannes manifestierte sich beim TÖFF-Tester nicht der Hauch einer Ermüdung.

 

Stahlgitterrohrrahmen mit den Rohrdurchmessern und Wandstärken der 1098.

 

Höchst unkompliziert

Was die Leistungsentfaltung betrifft, haben wir es beim 1100er-DS trotz (oder gerade wegen) allen Änderungen mit einem alten Bekannten zu tun: Für einen perfekten Rundlauf nimmt er die üblichen 2000/min für sich in Anspruch, um dir danach einen Drehmoment-Tritt zu verpassen, der dich bei leicht ansteigendem Vorderrad zu einem «nochmal, nochmal!» blökenden Kind macht. Hochgradig schaltfaul donnerst du mit der Gewissheit, dass dich die 11er zwischen 3000 und 6500/min nie im Stich lassen wird, von Kurve zu Kurve. Und du kannst doll am Gas ziehen, denn die 95 Pferde lassen sich schön kontrolliert aus dem Stall locken und werfen dich nicht gleich ab, wenn du ihnen die Sporen gibst. Übrigens nicht zuletzt ein Verdienst der klebrigen Bridgestone Battlax BT-016.
Im Bereich über 7000/min passiert nicht mehr viel, und die Drehfreude nimmt ab. Spätestens dann gilt es, die erstaunlich leichtgängige und damit spielend mit zwei Fingern bedienbare Trockenkupplung zu betätigen, um die nächste Gangstufe einzulegen. Das knackige, mit kurzen Schaltwegen gesegnete Sechsganggetriebe reagiert prompt und sehr präzis. Lästige Vibes schliesslich sind für die Monster 1100 ein Fremdwort, es sei denn und man müsste schon ein rüpelhafter Narr sein , man bewegt die holde Italienerin jenseits der 7000/min-Marke.

 

Auf Handling getrimmt

Die Königsdisziplin dieser Monster ist ohne Zweifel das Kurvenfahren auf Landstrassen. Wie eingangs erwähnt verfügt sie über eine mehr als grosszügig bemessene Schräglagenfreiheit. Wer hier die kurzen und angstnippelfreien Rasten auf den Boden bringt, hat ein schmerzhaftes Problem. Doch so weit sollte es nicht kommen, denn die M macht es dir in allen Lebens(schräg)lagen leicht; bügelt auch anstandslos viele deiner Fehler weg.

Schräglagenfreiheit? No problem!


Während die alten Monster-Modelle vergleichbarer Hubraumklassen eher auf Stabilität getrimmt waren, glänzt die Monster 1100 eher beim Handling. Mit Vor- und Nachteilen: Deinen Input zur Richtungsänderung quittiert diese Monster fast genau wie die 696, nämlich überaus willig mit unmittelbarem Einlenken. Bei Asphalt-Unebenheiten macht sich die Kehrseite der Medaille bemerkbar. Dann kommt schon mal Unruhe auf, der man als Monsterista korrigierend entgegenhalten muss. Das ist jedoch nicht weiter schlimm und macht, nachdem man sich einmal auf die temperamentvolle Signora eingestellt hat, sogar Spass.
Ansonsten ist die Monster 1100 eine echte Ducati geblieben, sprich, sie ist straff abgestimmt speziell vorne. Dafür überzeugt sie mit glasklarem Feedback. Wer sich zur Sportfahrer-Gilde zählt, dem empfehlen wir an dieser Stelle, das Federbein noch etwas straffer abzustimmen.

Bleiben die Bremsen: Wie die Kupplung wird auch die Bremsanlage vorn über einen radialen Geberzylinder angesteuert, womit auch schon die formidable Dosierbarkeit des Systems erklärt wäre. Was die Verzögerungswerte betrifft, lässt sich die trocken 169 kg leichte M mit den radial verschraubten Vierkolbenzangen an den 320er-Scheiben ohne Wenn und Aber ins Stoppie dirigieren. Beim alles andere als giftigen, aber ausreichend definierten Druckpunkt dagegen merkt man, dass es Ducati mit der M 1100 auch auf Einsteiger abgesehen hat. Auch das Bremssystem hinten funktioniert übrigens sehr gut.
 

Radial-Bremsen: top Verzögerung, nicht zu giftig. Clever untergebracht: 10-Liter-Airbox unter der Tankverschalung.
 

S-Version hat den Vortritt

Ducati Monster 1100: ein ausgewachsenes und reifes Spass-Mobil mit tollem Fahrwerk, einem in jeder Hinsicht begeisternden Motor und einem Design, das den Namen auch verdient. Eine Fahrmaschine für die Landstrasse und gleichzeitig ein Lifestyle-Objekt für Besorgungen jedwelcher Art in der City. Aber auch ein pikanter Partner für die sportliche Kurvenhatz.
Gegenüber ihrer direkten Vorgängerin, der Monster S2R 1000, hat die 1100er eine Menge mehr zu bieten und ist mit voraussichtlich Euro 12.995 nur unwesentlich teurer. Doch wer mit der Neuzeit-Monster liebäugelt, muss sich gedulden: Sie kommt voraussichtlich erst ab März 2009 in Rot, Silber und Schwarz nach Österreich. Wer nicht so lange warten will und 14.995 Euro (Zirka-Preis) auf seinem Sparkonto hat, der kann sich die bereits ab Dezember in Rot und Perlweiss erhältliche S-Version mit Öhlins-Fahrwerk, viel Karbon und Alu-Bremsscheiben-Innenringen posten.

Stellt sich noch die Frage, ob wir mit der 1100er bereits die Krönung der neuen Monster-Familie erleben durften. Wir behaupten Nein und warten geduldig auf eine Hyper-Monster mit dem 160-PS-V2 der Ducati 1098. Denn die Monster 1100 macht den Anschein, als wäre sie als goldene Mitte konzipiert worden. Als eine Mitte, über der ganz offensichtlich bewusst eine Lücke offen gelassen wurde.

Die «S»: goldene Räder als äusserlich markantestes Unterscheidungsmerkmal zur Basisversion.

 

Ducati Monster 1100 Technische Daten

Bauart Luftgekühlter Zweizylinder in L-Form, 2 Ventile pro Zylinder, desmodromisch gesteuert
Hubraum 1078 ccm
Bohrung x Hub 98 x 71,5 mm
Verdichtungsverhältnis 10,7 : 1
Leistung 95PS - 69,8 kW bei 7500 U/min
Drehmoment 10,5 kgm bei 6000 U/min
Gemischaufbereitung Elektronisch geregelte Siemens Kraftstoffeinspritzung, 45mm
Auspuffanlage 2 Aluminium Auspuffdämpfer
Regulierung Euro3
Kupplung Hydraulisch bestätigte Mehrscheiben-Trockenkupplung
Rahmen Stahl-Gitterrohrrahmen
Radstand 1450 mm
Lenkkopfwinkel 24°
Lenkeinschlag 29°
Federung vorne Komplett einstellbare Showa Upside-Down-Gabel mit 43mm Standrohrdurchmesser
Vorderrad 5-Speichen Leichtmetallfelge 3,5 x 17 Zoll
Hintere Radfederung Progressiv angesteuertes Sachs Mono-Federbein mit, komplett einstellbar
Hinterrad Geschmiedete 5-Speichen Leichmetallfelge 5,50 x 17 Zoll
Vorderradbremse 2 x 320mm Scheibe
Hinterradbremse 245 mm Scheibe
Version 2 Sitzer


 
 

Text: Daniele Carrozza
Fotos: Milagro, Daniele Carrozza

Autor
karolettaLambretta

KAROLETTALAMBRETTA

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Bericht vom 10.12.2008 | 29.118 Aufrufe

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