KTM Wheelerei

Bis zu dieser Fotosession trug ich sowas wie Stolz in mir. Jetzt überlege ich, meine Berichte nur mehr ohne Fotos zu schreiben. Die Realität hat mich wiedermal eingeholt.

KTM Superduke & 950Supermoto Wheelie Session

Filme und Fotos ermöglichen uns, Geschehenes immer und immer wieder so zu sehen, wie es wirklich war, oder besser, wie andere es gesehen haben. Leider. Denn Zelluloid, Fotopapier und Pixel können niemals das Erlebte und Gefühlte in uns wiederspiegeln. Und da fängt die Misere an.

Mit 13 hielt ich mich für einen pfeilschnellen, gesundheitsgefährdende Schmetterbälle schlagenden Tennisprofi. Am Hi8 Video vom Papa sah das ganze eher wie eine Zeitlupenstudie vom letzten Seniorenturnier aus. Nicht meine Bälle, die Wahrheit war niederschmetternd. Mit 17 wechselte ich dann zu einer cooleren "Sportart", dem Skateboarden. Bei Sprüngen über Pyramiden, Rampen und anderen Hindernissen fühlte ich aufgrund enormer Flughöhe sekundenlange Airtime. Auf unseren selbstgeschossenen Fotos war später nicht wirklich ein Abheben vom Boden erkennbar. So ging das auch mit diversen anderen Aktivitäten - wie auch dem Motorradfahren.

Meinen ersten, inoffiziellen "Wheelie" (ich verwende dieses Wort jetzt nur zwecks besseren Verständnis. Das, was ich mit dem Motorrad mache, ist natürlich gar kein Wheelie, wie ich jetzt weiß) gelang mir völlig unverhofft bei der KTM 950Supermoto Präsentation in Italien (siehe dazu den Bericht). Voll gepumpt mit Adrenalin und Endorphinen wagte ich das schier Unmögliche und brachte tatsächlich 3 Mal das Vorderrad in die Höhe. Damals noch ohne Zeugen. Nach diesem Erlebnis war mir klar: Sollte mir das in dieser Saison noch einmal gelingen, mußte es mit demselben Motorrad sein. Es sollte bis Anfang August dauern, bis wir die große Supermoto in der Garage stehen hatten.

So wird' gemacht. Ob Supermoto oder Superduke, Nils hat Haltungsnote 10 verdient.

Ich war sehr nervös. Würde ich auch diesmal wieder den Mut aufbringen, den es erfordert, in den Einrad-Betrieb umzuschalten? Zum Üben begab ich mich auf den Parkplatz meiner alten Schule, weil dort klarerweise um diese Jahreszeit niemand stört. Als ich mich am einen Ende des leicht ansteigenden Platzes in Position gebracht hatte, versuchte ich mir wieder in Erinnerung zu rufen, wie ich das im Juni bloss geschafft hatte? Ich glaube mit der Kupplung. Also drehte ich das gemächlich Gas auf, lockerte die Kupplung etwas und ließ sie dann urplötzlich einfach aus. Rooaar!! Die Supermoto hob die Hufe wie ein bockiger Hengst, den man in die Eier zwickt. Also drehte ich ebenso schnell das Gas wieder ab. Das ging ungefähr 10 Mal so, bis meine Nerven nicht mehr mitmachten. Beim russischen Roulette hat man mehr Chancen, heil davon zu kommen. Ich zog enttäuscht von dannen.

So wird's nicht gemacht. Bitte beachten Sie: DAS IST KEIN WHEELIE!

 

Am selben Tag traf ich mich mit einem Freund auf einem anderen Parkplatz. Er fährt eine 640er Supermoto und ist auch noch dabei, seine Wheelie-Künste zu perfektionieren. Er wunderte sich über meine Technik und meinte, die Kraft der SM müßte locker ausreichen, sie durch reines Gasaufdrehen in die Höhe zu schiessen. Blöderweise ist die rechte Hand so programmiert, daß sie den Gasgriff nur so weit zurückdreht, daß das Vorderrad eben nicht abhebt. Diese, dem Selbstschutz dienende Schranke muss man außer Kraft setzen. Ähnlich wie beim Trinken, wenn's einen schon reckt, aber der halbe Liter Cola Rot noch nicht ganz leer ist. Einfach nicht dran denken und durchziehen. Wenn es einmal gelingt, ist diese Barriere gebrochen. (Ich rede jetzt wieder vom Wheelisieren). Und siehe da: Es funktionierte!

Ich krieg ihn einfach nicht hoch - und das in meinem Alter!

Am folgenden Wochenende probierte ich es immer wieder. Nicht nur auf Parkplätzen, sondern auch in der freien Wildbahn. Bei jedem Ampelstart hebte ich die Front zum Gruss und auch die wichtigsten Zuschauerplätze wurden bedient. Ich war zufrieden, selbstbewußt und guter Dinge. Bis zum Fototermin mit Nils. Wir fuhren zu einem ruhigen Güterweg, wo wir relativ ungestört "arbeiten" konnten. Ich startete die Supermoto und dachte "Endlich wird es offiziell, alle werden staunen". Hätte ich nur niemals zu denken begonnen! Nach zehn Versuchen, wo ich teilweise (nach meinen Begriffen) echt ans Limit ging, wollte ich Ergebnisse sehen. Was ich sah, war entsetzlich. Ich wußte, ich bin nicht hoch, aber DAS! Das kann's einfach nicht sein, das ist nicht das, was ich erlebt habe. Meine Leistung wurde zusätzlich durch die Vorstellung von NastyNils ins Lächerliche gezogen.

Er nahm gleich die ganze Länge in der aufrechtesten aller Positionen. Schockierend war, als er es mal übertrieb und kurz im One-O'Clock Winkel stand, also den Wheelie nach hinten überdrehte. Ein schneller Tritt auf die Bremse bewarte ihn vor einer kapitalen Brez'n. Leider hab ich im falschen Moment abgedrückt und die fototechnische Dokumentation dieser Anomalie verabsäumt, aber ich sage gerne unter Eid aus - es ist passiert.

Nach der Session gingen mir bekannte Gedanken durch den Kopf. Zu welcher Sportart könnte ich noch wechseln? Mittlerweile habe ich schon alle Sportarten ausgeschöpft, bleibt mir also nur eins übrig. Entweder ich übe unbeeindruckt weiter. Oder ich nehme wieder einen Schläger in die Hand und schlage superschnelle Schmetterbälle.

 


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Bericht vom 18.08.2005 | 10.663 Aufrufe

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