Harley CVO Road Glide Track-Test: Drei Schritte zur Performance
Vom Tourer zum Racer: Wie die CVO Road Glide auf dem Ring glänzt
Drei Episoden, ein Ziel: Die Harley-Davidson CVO Road Glide sollte zeigen, was wirklich in ihr steckt. Vom Serienzustand über gezieltes Fahrwerkstuning bis hin zum finalen Track-Test auf dem Pannoniaring - unser HD-Tune-Up zeigt, wie aus einem luxuriösen Tourer ein überraschend sportlicher Performance-Bagger wird.
Harley-Davidson CVO Road Glide goes Racetrack – Drei Episoden, ein Fazit
Drei Episoden, ein Motorrad: In unserem umfassenden HD-Tune-Up-Projekt haben wir die Harley-Davidson CVO Road Glide nicht nur gefahren, sondern systematisch auseinandergenommen, verbessert und getestet. Vom Serienzustand über den gezielten Fahrwerksumbau bis zur finalen Rennstreckenprüfung auf dem Pannoniaring spannt sich der Bogen dieser dreiteiligen Dokumentation. Auslöser dafür war unter anderem die mittlerweile sehr bekannte "King of Bagger" Rennserie in den USA. Dort wird nämlich genau mit diesen Motorrädern um Siege auf den Rennstrecken gekämpft. Mittlerweile haben diese voll aufgemachten Renn-Harleys bis zu 200PS und sind mit anderen Schwingen versehen, um diese auch auf den Boden zu bringen. Nachdem in dieser Klasse nicht nur Harley, sondern auch andere Marken wie Indian am Start sind, wird in dieser Klasse sehr viel Geld investiert, um im direkten Vergleich punkten zu können. Schön langsam schwappt dieser Trend auch nach Europa und ab 2026 gibt es diese Rennserie sogar im Rahmenprogramm in der Moto GP. Deshalb wollten wir es genauer wissen, wieviel Rennpotential wirklich in einer Road Glide steckt und haben im ersten Schritt einfache und für jedermann durchführbare Tuningschritte gesetzt und auf der Rennstrecke getestet. Hier fassen wir die wesentlichen Erkenntnisse und Erfahrungen aus allen drei Folgen zusammen.
Folge 1 – Fahrwerk: Schwachstelle erkannt, Lösung gefunden
In der ersten Folge stand das serienmäßige Fahrwerk der CVO Road Glide im Zentrum. Zwar liefert Harley ab Werk eine Upside-Down-Gabel, doch ist diese nur minimal einstellbar. Die Dämpfung und Federkennlinie sind klar auf Komfort ausgelegt, bieten aber wenig Feedback und schnell ausgeschöpfte Reserven, insbesondere bei sportlicher Fahrweise oder höherem Tempo.
Im Fahrbetrieb zeigte das Serienfahrwerk vor allem in langsamen Kurven und bei schnellen Lastwechseln Schwächen. Der fehlende Dämpfungsspielraum führte zu einem unpräzisen Fahrverhalten - das Motorrad fühlte sich "schwammig" an. Auch auf unebenen Landstraßen wurde deutlich, dass die werkseitige Abstimmung mit ihrem Fokus auf Komfort zwar Federungskomfort bietet, jedoch auf Kosten der Fahrstabilität. Das Fahrzeug sackte bei Bremsmanövern stark ein und neigte zu Wankbewegungen in engen Radien. Das Serien-Federbein hinten ist besonders limitiert: Mit rund 8090 mm Federweg und lediglich einstellbarer Vorspannung stößt es schnell an Grenzen. Besonders mit Sozius oder auf schlechter Straße war das Fahrwerk überfordert. Die Lösung: ein Upgrade auf Öhlins-Komponenten, bestehend aus einer voll einstellbaren FGRT-Gabel vorne und hochwertigen Federbeinen mit Ausgleichsbehälter hinten. Beide bieten nicht nur deutlich besseres Ansprechverhalten, sondern auch Anpassbarkeit für verschiedene Einsatzzwecke, von Touring bis Trackday.
Folge 2 – Der Motor: Langhub, Drehmoment und Charakter
In Folge zwei widmeten wir uns dem Milwaukee-Eight 121 V2. Der großvolumige Motor mit knapp 2 Litern Hubraum überzeugt durch eine einzigartige Charakteristik: Er liefert bereits ab knapp 1.700 U/min ein massives Drehmoment von 160 Nm, dass bei 3.500 U/min seinen Höhepunkt von 167 Nm am Rad erreicht. Diese Zahlen wurden auf dem Prüfstand bestätigt, wobei die Road Glide eine Leistung am Hinterrad von 108 PS lieferte, die Werksangabe von 117 PS am Motor ist damit plausibel.
Vergleicht man den Motor mit klassischen Sportmotorrädern, etwa einer Fireblade oder einer Super Duke, zeigt sich: Harley-Davidson geht bewusst einen anderen Weg. Während moderne Supersportler auf Drehzahlen jenseits der 12.000 U/min setzen, bleibt die CVO mit rund 5.5006.000 U/min maximaler Drehzahl konservativ. Die längeren Kolbenwege erzeugen jedoch eine hohe Kolbengeschwindigkeit, die wiederum das Potenzial für noch höhere Drehzahlen technisch limitiert. Harley nutzt diese Bauweise gezielt zur Charakterformung und liefert dadurch ein völlig anderes Fahrerlebnis.
Die Auslegung als Langhuber bringt Vorteile beim Drehmoment, limitiert aber die Drehfreude. Mit nur rund 3.000 U/min nutzbarem Drehzahlband ist der Motor auf der Rennstrecke eher ein Kraftpaket als ein Dreher. Das sorgt für häufige Schaltvorgänge, insbesondere wenn man sportlich unterwegs ist. Ein Quickshifter wäre hier wünschenswert. Dennoch: Der Motorlauf ist ruhiger als bei früheren Generationen, Vibrationen wurden spürbar reduziert, ein echter Fortschritt in Sachen Laufkultur und Alltagstauglichkeit.
Folge 3 – Rennstrecke: Tourer auf Abwegen
Die dritte Folge bildete den Härtetest: Der Einsatz der CVO Road Glide auf dem Pannoniaring. Mit fast 400 kg ist die Maschine sicherlich kein typischer Rennstrecken-Kandidat.
Vor dem Track-Test wurde das Motorrad aber auch im regulären Straßenverkehr erprobt inklusive Anreise auf Achse zum Pannoniaring. Hier konnte die CVO ihre Touring-Gene voll ausspielen: Der Windschutz der breiten Frontverkleidung war exzellent, selbst bei hohen Autobahntempi. Das Infotainment-System samt Musik und Navi trug zur entspannten Fahrt bei. Der Fahrkomfort auf Landstraßen war - insbesondere mit dem neuen Fahrwerk - deutlich besser als zuvor. Kleine Unebenheiten wurden zuverlässig geschluckt, größere Bodenwellen aber nach wie vor spürbar, was dem limitierten Federweg geschuldet ist.
Gerade aber auf der danach folgenden Rennstrecke zeigte das Tune-Up seine Wirkung. Das Fahrwerk funktionierte auch bei hohem Kurvengeschwindigkeiten hervorragend - die Maschine blieb bis zum Geschwindigkeitsbegrenzer bei 180 km/h stabil, das ABS arbeitete zuverlässig, und die Bremsen zeigten selbst bei 30 °C Außentemperatur kein Fading.
Klar wurde aber auch: Die Serienergonomie limitiert. Die tiefen Trittbretter setzen früh auf, die Sitzposition erschwert Gewichtsverlagerung. Eine mehr nach vorne orientierte, sportlichere Sitzposition mit höherem Sitz, zurückverlegten Rasten und ggf. kürzerem Lenker würde das Potenzial besser nutzbar machen. Ein weiterer Kritikpunkt: Die Serienbereifung limitiert in Sachen Grip. Für echte Track-Performance wären 17-Zoll-Räder mit Slicks notwendig, ebenfalls eine größere Modifikation.
Dennoch war die Überraschung groß: Die CVO zeigte sich auf der Strecke präzise, kalkulierbar und mit hoher Fahrstabilität, wobei das Öhlins-Fahrwerk für dieses Verhalten entscheidend war.
Fazit – Drei Schritte zur Performance-Tourerin
Was als klassischer Tourer begann, entwickelte sich mit gezielten Eingriffen zum Performance-Bagger. Die Kombination aus massigem V2, stabilem Fahrwerk und feinfühliger Elektronik macht die Harley-Davidson CVO Road Glide 2024 zu einem echten Charakterbike mit unerwartetem Talent. Wer bereit ist, in Qualitätsteile zu investieren - allen voran ins Fahrwerk - bekommt ein Bike, das weit mehr kann als cruisen.
Für Trackdays und richtig sportliches Fahren braucht es aber weitere Schritte: Umbauten an der Ergonomie, Änderungen an der Abgasanlage, Ergänzung eines Quickshifters und eine Entsperrung des Speed-Limiters. Dann steht einem echten "King of Bagger"-Erlebnis nichts mehr im Weg. Unser HD-Tune-Up hat gezeigt: Die CVO Road Glide ist bereit für mehr, man muss es ihr nur ermöglichen.
Bericht vom 27.11.2025 | 2.254 Aufrufe