Münch Mammut - 260 PS! 380 Nm! Absoluter Wahnsinn!

PS-Junkie und Leistungs-Platzhirsch der 70er

Die Münch Mammut setzte von den 70ern bis zum Jahr 2000 Maßstäbe in Sachen Leistung. Im Wettbewerb um das stärkste Serienmotorrad hatten auch die großen Marken keine Chance gegen die kleine Manufaktur aus Hessen. Die goldene Spitze dieser Pyramide aus PS-monstern bildet die Münch Mammut 2000 mit Leistungsdaten, als ob sich jemand vertippt hätte.

Schon sehr früh wird Friedel Münch vom Zweirad-Wahnsinn befallen. In der Werkstatt seines Vaters schraubt er an Motorrädern rum und begeistert sich schon in jungen Jahren für den Rennsport. Im Alter von 21 Jahren fährt er 1948 sein erstes Motorradrennen auf einer Horex 500. Die Power genügt ihm aber nicht und so verpasst er der Horex kurzerhand einen neuen Zylinderkopf. Diese erfolgreiche Tuningmaßnahme bringt ihm eine Stelle in der Entwicklungsabteilung bei Horex ein. 1956 kommt das Ende für die Marke Horex und Münch macht sich selbstständig. Und damit betritt die legendäre Marke Münch die Weltbühne.

Münch Mammut - PS-Monster der 1970er

Ab 1964 widmet sich Friedel Münch endgültig dem Bau eigener Motorräder. Das Ziel dabei: Stärker, schneller und besser zu sein als alle anderen. Ständig versucht er das Maximum aus seinen Konstruktionen herauszuholen und das auch mit unkonventionellen Methoden. So ist Münch der erste Motorradhersteller, der einen Vierzylinder-Automotor in ein Straßenmotorrad einbaut. Dieses erste Big Bike bekommt den inoffiziellen Namen "Mammut". Inoffiziell darum, weil bereits ein anderer Hersteller den Namen für sich reserviert hatte. Doch die außergewöhnliche Bauweise zahlt sich aus. Der Name bleibt inoffiziell hängen und 1966 staunt die gesamte Motorrad-Fachwelt über Münchs Mammut. 55 PS leistet der 1000er NSU-Vierzylindermotor. Und das ist erst ein Vorgeschmack auf das, was in den 70ern folgen soll.

Kontinuierlich entwickelt Münch die Mammut weiter. Hubraum und PS-Anzahl steigen stetig. Die 1966 präsentierte NSU Prinz 1000 TT, so der offizielle Name der Mammut, mit 55 PS wird bald zur 1200 TT mit 1177cm³ und 65 PS Leistung, dann zur TTS mit 70 PS und klettert noch vor 1973 auf damals sagenhafte 88 PS. Doch ab 1973 bekommt der bis dahin ungefährdete Stern am PS-Himmel prominente Konkurrenz. Die heute legendäre Kawasaki 900 Z1 brilliert mit sensationellen Leistungen. Um sie zu übertrumpfen, verbaut Friedel Münch eine spezielle Kugelfischer-Einspritzanlage mit der er es schafft die Leistung auf 96 PS zu heben. Da müssen selbst die Big Four aus Japan klein beigeben.

Doch wer denkt, dass die Außergewöhnlichkeit der Münch Mammuts nur in deren massiver Leistung bestand, der irrt. Auch sonst setzt der hessische Kfz-Meister auf innovative Lösungen. Zum Beispiel konstruiert er die linke Seite der Hinterradschwinge hohl und baut in diesen Hohlraum die Antriebskette ein. Dieser geschlossene Hinterradkasten verlängert die Lebenserwartung der Kette deutlich. Auch die Elektronguss-Felgen aus extrem leichten Magnesiumlegierungen sorgen in den 70ern für Begeisterung.

Die aufwendige Bauweise hat aber auch ihre Schattenseiten. Die Produktionskosten übersteigen oft den Verkaufswert und auch sonst werden Münch Mammuts trotz Legenden-Status nie zum Verkaufsschlager. Insgesamt 478 Stück werden von der Gründung bis zur Schließung des Münch-Werkes 1980 gebaut. Die Geschichte der Münch Mammuts endet aber selbst dann noch nicht.

Münch Mammut 2000 - die Höllenmaschine

Aufgrund des Kult-Status der Mammuts gibt es auch Ende der 90er noch zahlreiche Enthusiasten, darunter auch den vermögenden Unternehmer Thomas Petsch. Zusammen mit dem Inzwischen 70-jährigen Friedel Münch will er die Mammuts wiedererwecken. Unter der geistigen Anleitung von Münch höchstselbst machen sich 15 Ingenieure daran das Mammut-Projekt umzusetzen. Das Ziel: Einen 2-Liter Vierzylinder mit Turbolader von Cosworth Opel in ein Serien-Motorrad bauen. Klingt schon ein bisschen größenwahnsinnig, oder?

Doch die Ingenieure lassen sich nicht beirren und schaffen es tatsächlich bis zur Jahrtausendwende ein fahrfertiges Motorrad zu konstruieren. Das Ergebnis eines ersten Prüfstand-Durchlaufs: gesichtsverzerrende 265 PS bei 5500 U/min und abartige 380 Nm bei 3500 U/min! Absoluter Wahnsinn! Wie soll so etwas fahrbar sein? Kaum, wie unsere Kollegen von MOTORRAD beim damaligen Test der Mammut 2000 bestätigen:

"Der Münch-Turbomotor hat nichts von der weichgespülten Leistungsentfaltung eines aktuellen Golf GTI mit seinen 150 PS, sondern den unverfälschten Kick der Turbo-Hämmer der ersten Stunde: alles oder nichts. Für ein Motorrad nur wenig geeignet. Die Leistung kommt nie so proportional der Gasgriffstellung und Motordrehzahl eines Saugmotors entsprechend, sondern mindestens genauso abhängig von der Laderdrehzahl und damit dem Ladedruck. Folglich ist die Leistung ziemlich schwierig zu dosieren. Zumal Laderdrehzahl und Ladedruck ein Weilchen brauchen, bis ihr Maximum anliegt, beim Lader stramme 0,9 bar Überdruck."

Münch Mammut - die brachialsten Eisen des späten 20. Jahrhunderts

Trotz der extrem anspruchsvollen Motorcharakteristik der Mammut gibt es schnell einige Vorbestellungen. Doch genauso wie die brachiale Leistung weist die Mammut 2000 auch andere Merkmale der alten Modelle auf, wie zum Beispiel den wirtschaftlichen Misserfolg. Die aufwendige Herstellung übertrifft den Preis von 86000 € bei Weitem und so werden von den geplanten 250 Stück letztendlich nur 15 gebaut.

Friedel Münch stirbt 2014 im Alter von 87 Jahren. Sein Name ist aber auf ewig verbunden mit den brachialsten Eisen, die die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts zu bieten hatte.

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Bericht vom 25.12.2019 | 171.469 Aufrufe