Die Entwicklung der MV Agusta Superveloce 1000 Serie Oro

Hintergrundinfos von MV Agustas Chef Designer und vom Modell-Chef

Die MV Agusta Superveloce 1000 Serie Oro verbindet Ingenieurskunst und italienisches Design. Exklusive Interviews mit Stephane Zache und Alessandro Volpini gewähren Einblicke in Visionen und Prozesse.

Hintergrundgespräche in Varese mit Stephane Zache und Alessandro Volpini

Die MV Agusta Superveloce 1000 Serie Oro will als Symbol für Leidenschaft, Exklusivität und unübertroffenes Design gelten, eine Kunstform auf zwei Rädern. Poky hat in exklusiven Gesprächen mit den Hauptakteuren hinter diesem Motorrad Stephane Zache, Designchef, und Alessandro Volpini, Head of Vehicle interessante Einblicke bekommen.

Ist das Design der MV Agusta Superveloce 1000 retro?

MV Agusta versteht sich nicht als Hersteller von Retrobikes, obwohl ihre Designs oft nostalgische Elemente aufweisen. Stephane Zache betont, dass Modelle wie die Superveloce 1000 zwar Retro-Einflüsse haben, aber primär als (hyper-)moderne Maschinen konzipiert sind. Das Design zeichnet sich durch eine klare horizontale Linie, runde Scheinwerfer und ein allgemein zeitloses Äußeres aus, das an klassische Motorräder erinnert. Gleichzeitig integrieren sie moderne Technologien und Entwicklungen in der Aerodynamik, um eine gelungene Symbiose aus Vergangenheit und Zukunft zu schaffen. Diese Kombination verleiht den Motorrädern ihre unverwechselbare Ästhetik, die sowohl Tradition als auch Innovation widerspiegelt.

Immer noch immens wichtig: Das Ton-Modell - Die Kunst des Greifbaren

In einer Ära, in der Digitalisierung und virtuelle Realität dominieren, bleibt die Arbeit am Ton-Modell bei MV Agusta ein unverzichtbarer Schritt im Designprozess. Laut Stephane Zache ermöglicht das physische Modell eine tiefergehende und präzisere Beurteilung von Volumen und Proportionen. Bei der Superveloce 1000 führte dieser Prozess zu entscheidenden Anpassungen an den Seitenverkleidungen, die im digitalen Modell nicht ersichtlich waren. Es ist diese Liebe zum Detail, die die Superveloce 1000 zu einem solchen Kunstwerk macht.

Woher kommt die Inspiration für die Superveloce 1000?

Die Inspiration für die Superveloce 1000 entspringt tief aus der reichen Renngeschichte von MV Agusta, insbesondere aus der glanzvollen Ära der GP500-Rennmotorräder. Stephane Zache und sein Team haben historische Elemente dieser legendären Maschinen aufgegriffen und mit modernen aerodynamischen Konzepten kombiniert. Besonders bemerkenswert sind die Winglets, die ihre Ursprünge grundsätzlich in der Luftfahrt haben und im Motorradbau erstmals an den alten GP500-Maschinen von MV Agusta zu sehen waren. Diese frühen Winglets waren ihrer Zeit jedoch soweit voraus, dass sie nach nur zwei Runden wieder abmontiert wurden. Die Versuche, die Aerodynamik zu verbessern, haben sich zu sehr auf den Topspeed des Motorrads ausgewirkt, da die Leistung der GP-Bikes in dieser Epoche einfach zu gering war. Heute sind diese Elemente bei vielen Herstellern weiterentwickelt worden und state-of-the-art im Rennsport, dennoch wirken sie bei vielen Modellen lieblos angeflanscht.

Winglets: Design-Fluch oder Segen?

Nicht so bei der Superveloce 1000, hier sind sie perfekt in die DNA der Maschine integriert. So sehr, dass Stephane Zach das erste 1:1 Tonmodell ohne Winglets, beinahe wieder verwerfen wollte. Erst als die Flügel angebracht waren, hat er seine Designidee wieder darin erkannt. Die harmonische Kombination aus klassischen Designmerkmalen und neuer Technik (die Winglets haben im Hochgeschwindigkeitsbereich großen Nutzen für die Stabilität) zeichnet MV Agusta aus.

Warum ist die Superveloce 1000 schwerer als andere Superbikes?

Alessandro Volpini, der in den letzten drei Jahrzehnten für einige berühmte Motorräder, wie zum Beispiel für die Ducati 999 und 1098, verantwortlich war, führt uns tiefer in die technischen Feinheiten der Superveloce 1000 ein. Liebevoll wird er auch als Vater der Supercveloce Mille bezeichnet. Trotz des Einsatzes von leichten Materialien wie Carbon (die komplette Verkleidung ist aus dem leichten Werkstoff geschaffen) und Aluminium liegt das Gewicht des Motorrads mit 209 kg doch deutlich über dem anderer Supersportmodelle am Markt. Dies ist eine Folge der Entscheidung, das Modell auf dem Naked Bike Brutale 1000 basieren zu lassen. Trotz der umfangreichen Ausstattung, den 42 Mehrteilen und den spezifischen Designanforderungen konnte das Mehrgewicht im extrem gering gehalten werden. Besonders Augenmerk verdient die Entscheidung gegen Carbon-Felgen, die trotz ihres geringeren Gewichts aufgrund ästhetischer Überlegungen und der angestrebten Designästhetik nicht verwendet wurden.

Zukunftsweisende Kooperation zwischen Mattighofen und Varese

Die Zusammenarbeit mit KTM und der Pierer Mobility Gruppe bringt für MV Agusta erhebliche Vorteile in den Bereichen Motorenentwicklung und Materialforschung. Volpini betont, dass diese Partnerschaften entscheidend für die zukünftigen Entwicklungen sind. Doch trotz dieser Kooperationen bleibt die Seele von MV Agusta unverändert und tief in Italien verwurzelt. Diese Symbiose aus traditioneller Handwerkskunst und moderner Technologie macht MV Agusta so schnell keiner nach. Dennoch nutzt man an passenden Stellen die Symbiose mit Mattighofen, besonders gerne dort, wo sie für beiden Seiten von Vorteil ist.

MV Agusta Superveloce 1000 Serie Oro: Entwickelt für die Straße, dennoch auf der Rennstrecke getestet?

Die Superveloce 1000 wurde sowohl auf der Rennstrecke als auch auf Landstraßen intensiv getestet, um die gewünschte Balance zwischen Alltagstauglichkeit und Hochleistung zu erreichen. Besonders hervorgehoben hat Alessandro die Tests auf renommierten Rennstrecken wie dem Autodromo di Modena und dem Misano World Circuit Marco Simoncelli, aber natürlich auch auf dem berühmten Oval von Nardo. Diese Strecken boten eine Vielzahl von Herausforderungen, die es ermöglichten, das Setup des Motorrads unter extremen Bedingungen zu verfeinern. Ein weiteres Highlight der Testphase waren die Highspeed-Tests auf dem Hochgeschwindigkeitsring von Nardò. Diese Tests waren entscheidend, um die Stabilität und Leistung des Motorrads bei extremen Geschwindigkeiten zu überprüfen.

Alessandro plauderte aus dem Nähkästchen und verriet mir folgende Anekdote, die ich euch nicht vorenthalten möchte: Der Testfahrer, der das Motorrad in Nardo auf GPS-gemessene 312 km/h beschleunigte sendete Alessandro ein Foto vom einhändigen Fahren mit diesem Speed. Dass er bei dieser Geschwindigkeit in der Lage war, mit einer Hand zu fahren und dabei mit der anderen Hand ein Foto davon zu machen, sagt wohl alles über die Hochgeschwindigkeitsstabilität der Superveloce 1000 Serie Oro aus.

Die semi-aktive Öhlinsfederung und die verstellbare Schwinge sorgen für eine optimale Anpassung an unterschiedliche Fahrbedingungen, sowohl auf den geschwungenen Straßen im Umland Vareses (was ich bezeugen kann), als auch auf den anspruchsvollen Rennstrecken. Alessandro Volpini betont, dass die Entwicklung der Superveloce 1000 eine harmonische Integration von Straßentauglichkeit und Rennstreckenleistung anstrebt. Die Superveloce 1000 wurde entsprechend auf der Rennstrecke als auch auf Landstraßen (über 20.000 km!) intensiv getestet, um eine perfekte Balance zwischen Alltagstauglichkeit und Hochleistung zu gewährleisten.

Die Geschichte hinter der MV Agusta Superveloce 1000 Serie Oro ist so spektakulär, wie das Bike vermuten lässt.

Nach den Gesprächen mit den Köpfen hinter der MV Agusta Superveloce 1000 Serie Oro versteht man, dass es für ihre Schöpfer weit mehr als ein Motorrad ist; sie ist eine Hommage an die Kunst des Motorradbaus. Diesen Anspruch hat man bei MV Agusta. Die Hingabe, die jeder einzelne Mitarbeiter in oft stundenlanger Handarbeit, jedem Modell angedeihen lässt, spürt man im Endprodukt. Insofern fällt es auch leichter, die hohen Preise, die für die Schmuckstücke aus Varese aufgerufen werden, zu verdauen. Mit der angelaufenen Kooperationen mit Pierer Mobility darf MV Agusta hoffen, in eine (auch finanziell) stabile Zukunft zu blicken. So dürfen wir uns auf hoffentlich viele weitere unvergessliche und begehrenswerte Motorräder wie die Superveloce 1000 Serie Oro freuen.

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Bericht vom 24.08.2024 | 4.683 Aufrufe

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