Ducati XDiavel Testbericht 2025

Wenn Kraft zur Ruhe findet

Auf den ersten Blick wirkt sie wie ein Raubtier, das lieber sprintet als tanzt. Doch wer sie kennt, weiß: Diese Maschine hat zwei Seelen. Sie ist pure Energie - und gleichzeitig erstaunlich gelassen. Sechs Tage, sechzehn Nationen, Temperaturen zwischen 12 und 32 Grad, Straßen von spiegelglatt bis löchrig: Die Balkan Rally 2025 bot ideale Bedingungen, um die Ducati Diavel V4 im echten Touring-Einsatz zu erleben.

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Wenn man die Ducati Diavel V4 betrachtet, denkt man zuerst an pure Muskelkraft, an Beschleunigung und Design, das mehr nach Boulevard als Balkan aussieht. Doch diese Maschine ist mehr als ein Statement. Sie ist ein fahraktiver Power-Cruiser mit Touringgenen, ein Motorrad, das sowohl auf der Landstraße als auch auf Langstrecke funktioniert. Die Balkan Rally 2025 eine sechstägige Tour von Budapest nach Dubrovnik bot die ideale Bühne für einen echten Praxistest. Unterschiedliche Witterungen, wechselnde Straßenbeläge, Temperaturen zwischen 12 und 33 Grad und tägliche Etappen zwischen 200 und 400 Kilometern stellten das Motorrad auf die Probe. Wie wir uns geschlaben haben ? Das verrate ich im Folgenden.

Tag 1 - Budapest bis Maribor: Sonne, Grip und erste Eindrücke

Am Start in Budapest herrschen perfekte Bedingungen: 18 Grad, trockener Asphalt, leichter Wind. Die ersten Kilometer durch das ungarische Umland verlaufen unspektakulär, doch schnell zeigt sich: Die Diavel V4 ist kein Motorrad, das man einfach nur fährt. Sie fordert Aufmerksamkeit - und belohnt sie. Mit 168 PS bei 10.750 U/min und 126 Nm Drehmoment bei 7.500 U/min liefert der V4 Granturismo-Motor mehr Leistung, als man auf öffentlichen Straßen jemals braucht. Doch das Faszinierende ist nicht die Power, sondern die Art, wie sie anliegt. Der Motor läuft seidenweich, vibrationsarm und gleichmäßig. Das Ansprechverhalten ist fein dosierbar, der Gasgriff präzise. Schon ab 3.000 U/min zieht der Motor sauber durch, die Leistungsentfaltung ist linear - kein Ruck, kein Zerren. Eines vieler Highlights, die die Maschine mitbringt. Ein weiteres, riesiges Plus: Die Diavel V4 ist trotz des 240 mm breiten Hinterreifens überraschend leicht zu lenken. Auf den kurvigen Abschnitten zwischen Veszprém und Körmend wirkt sie fast wie ein Naked Bike - spielerisch, zielgenau, berechenbar. Das liegt an der gelungenen Kombination aus Radstand (1.593 mm), Lenkkopfwinkel (27 Grad) und der ausgewogenen Gewichtsverteilung. Die Marzocchi 50 mm USD-Gabel und das Monofederbein bieten 120 bzw. 145 mm Federweg - genug Reserven für schlechte Straßen, ohne den sportlichen Charakter zu verlieren. Das Fahrwerk arbeitet präzise, sensibel und vermittelt auf allen Belägen Stabilität mit klarem Feedback.

Nach knapp 400 Kilometern an diesem Tag steht fest: Die Diavel V4 fährt nicht nur gut, sie fährt erstaunlich entspannt. Der Tank mit 20 Litern reicht locker für 300 Kilometer und mehr, bei einem Durchschnittsverbrauch von 6 Litern auf 100 km.

Tag 2 - Maribor bis Postojna: Regen, Nebel und Elektronik

Der zweite Tag bringt wechselhaftes Wetter - Temperaturen um 13 Grad, Nebel am Vormittag, feuchte Straßen bis kurz nach Mittag. Hier zeigt sich die Qualität der elektronischen Assistenzsysteme. Das Ride-by-Wire-System erlaubt vier Modi: Sport, Touring, Urban und Wet. Im Touring-Modus regelt die Elektronik die Gasannahme weicher, der Eingriff der Traktionskontrolle erfolgt eher frühzeitig. Selbst auf nassem Asphalt vermittelt die Diavel Ruhe - sie bleibt berechenbar und kontrollierbar.

Das Kurven-ABS EVO, gekoppelt mit der IMU (Inertial Measurement Unit), sorgt für präzises Bremsen auch in Schräglage. In Kombination mit der Brembo Stylema-Bremsanlage (2 x 330 mm Scheiben vorne) ergibt sich eine exzellente Bremsperformance, die sich leicht dosieren lässt.

Am Nachmittag trocknet die Strecke ab, die Temperaturen steigen auf 22 Grad. Jetzt zeigt der Motor wieder seine lebendige Seite - spontan, aber nie ruppig. Der Quickshifter arbeitet präzise in beide Richtungen, Gangwechsel gelingen butterweich, selbst unter Last. Nach rund 350 Kilometern erreichen wir Postojna. Die Straßen dort sind kurvig, teilweise holprig, doch das Fahrwerk bleibt souverän. Kein Pumpen, kein Nachfedern - ein klares Zeichen für die gelungene Balance zwischen Komfort und Sportlichkeit.

Tag 3 - Postojna bis Opatija: Serpentinen, Wind und Wendigkeit

Am dritten Tag geht es bergauf und bergab - enge Kurven, wechselnde Straßenbeläge, teilweise schlechte Asphaltqualität. Das ist normalerweise kein Terrain für einen Cruiser. Doch die Diavel beweist, dass sie ein strahlender Spezielfall ist. Sie lässt sich leicht umlegen, reagiert präzise auf kleine Lenkimpulse und bleibt dabei stabil. Die Gewichtsverlagerung gelingt mühelos, das Feedback ist glasklar. Selbst in engen Serpentinen braucht es keinen Kraftaufwand oder Sorgenfalten, um sie auf Linie zu halten.

Die Sitzposition - nach vorn geneigt, aber entspannt - passt auch auf längeren Etappen. Die Polsterung des Sitzes schmiegt sich an, unterstützt und gibt guten Halt. Selbst nach 300 Kilometern bleibt die Sitzposition angenehm, und die Kniehaltung ist trotz 790 mm Sitzhöhe natürlich. Kurz vor der Küste frischt der Wind stark auf, doch selbst bei kräftigen Böen bleibt die Diavel absolut spurtreu. Das Eigengewicht (236 kg trocken) wirkt hier als Vorteil - sie liegt satt auf der Straße, ohne sich träge anzufühlen.

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Tag 4 - Opatija bis Zadar: Hitze, Tempo und Stabilität

Der vierte Tag bringt Sommerbedingungen: 30 Grad, trockener Asphalt, lange Küstenabschnitte. Jetzt kann die Diavel zeigen, was sie auf offener Straße leistet. Der V4-Motor zieht kräftig, der Durchzug zwischen 80 und 140 km/h ist beeindruckend. Das Drehmoment steht über den gesamten mittleren Bereich gleichmäßig zur Verfügung, was das Fahren auf kurvigen Küstenstraßen mühelos macht. Selbst bei hohen Geschwindigkeiten bleibt die Maschine beeindruckend stabil. Kein Pendeln, kein Aufschaukeln, auch bei Seitenwind. Die Aerodynamik funktioniert - trotz des breiten Hecks. Natürlich gibt es hier keinerlei Windschutz...stundenlanges Autobahnfahren kann dann für Nacken und Schultern doch etwas anstrengend werden. Gut, dass uns das zum Großteil erspart bleibt.

Ein weiterer Punkt, der sich heute bemerkbar macht - nach längeren Hochgeschwindigkeitsphasen wird der Motor etwas heiß, die Wärmeabstrahlung zum Fahrer steigt und sorgt für warme Füße. Das ist vielleicht ein Gen der früheren V2-Diavel-Modelle, bei denen Hitzeentwicklung ein Thema war. Nach 370 Kilometern an diesem Tag ist der Verbrauch leicht gestiegen 6,4 Liter/100 km, bedingt durch höhere Geschwindigkeiten. Der Tank reicht dennoch sicher über die Tagesdistanz.

Tag 5 - Zadar bis Neum: Seitenwind und Spitzkehren

Der fünfte Tag testet die Fahrstabilität: 32 Grad, starker Seitenwind entlang der Küstenlinie, enge Kehren und wechselnder Belag. Hier beweist die Diavel V4 erneut ihre hohe Fahrstabilität. Selbst bei Windböen über 40 km/h bleibt sie fast kosntant sauber auf Spur. Die Gewichtsverteilung, die tiefe Sitzposition und die aerodynamisch günstige Silhouette machen sie überraschend widerstandsfähig gegen seitliche Einflüsse.

Besonders auffällig: Die Wendigkeit in engen Kehren. Der große Lenkeinschlag und das feine Kupplungsverhalten helfen beim Rangieren und U-Turns - ein Punkt, den man auf Touren mit unübersichtlichen Abzweigungen zu schätzen weiß. Die Sitzbank bietet auch an diesem langen Tag genügend Komfort. Trotz Hitze keine Rutschneigung, kein Druckpunkt. Das Winden entlang des Meeres darf ich zu 100% genießen!

Tag 6 - Neum bis Dubrovnik: Stadtverkehr

Die letzte Etappe führt nur noch über 150 Kilometer, dafür durch heiße Küstenluft und dichten Stadtverkehr. Hier fällt auf, wie leicht die Diavel auch im urbanen Umfeld zu handhaben ist. Trotz Größe und Gewicht lässt sie sich erstaunlich präzise durch enge Gassen manövrieren. Die Kupplung arbeitet feinfühlig, das Getriebe schaltet sich leicht und geräuscharm. Selbst bei niedrigen Geschwindigkeiten bleibt der Motor kultiviert.

Im Stop-and-Go-Betrieb hält sich die Hitzeentwicklung im Rahmen, der V4 mit Deaktivierung der hinteren Zylinderbänke im Leerlauf reduziert Abwärme. Durch die angenehme Sitzhöhe komme ich problemlos beidseitig in den sicheren Stand - kein Bangen vor jeder Ampel! Nach 2.000 Kilometern endet die Tour in Dubrovnik. Der Eindruck: Die Diavel hat die gesamten Bedingungen souverän gemeistert - von Regen über Serpentinen, bis hin zu Seitenwind und Geschwindigkeit.

Fazit - dem Wolfsmantel keinen Stempel aufdrücken

Nach sechs intensiven Tagen auf unterschiedlichstem Terrain bleibt ein klares Fazit: Die Ducati Diavel V4 ist kein Kompromiss zwischen Cruiser und Sportler sie ist eine eigenständige Kategorie, die mich voll und ganz überzeugt und begeistert hat.

Sie verbindet Power, Präzision und Komfort auf einem Niveau und auf eine Weise, die ich so bisher von kaum einem anderen Motorrad im Segment kenne. Der Motor liefert unerschöpfliche Kraftreserven, das Fahrwerk glänzt durch Stabilität, Feedback und Sensibilität, und die Ergonomie erlaubt auch lange Tagesetappen ohne Ermüdung. Die elektronische Ausstattung ist auf höchstem Niveau und unterstützt den Fahrer, ohne aufzudrängen. Der Verbrauch ist für die Leistungsklasse erstaunlich moderat, die Reichweite praxistauglich.

Fazit: Ducati XDiavel V4

Die Ducati XDiavel V4 ist kein Motorrad für die Masse. Sie fordert – fahrerisch wie preislich – aber sie liefert auch. Der V4 macht unfassbaren Spaß und bietet massiv Druck, wennauch nicht in jeder Lebenslage. Das Fahrwerk ist tourentauglich, die Bremsen tadellos, die Elektronik auf höchstem Niveau. Das Fahrverhalten ist deutlich sportlicher, als man es dem Format zutrauen würde. Wer sich zwischen Musclebike und Cruiser nicht entscheiden will, bekommt hier beides – mit Ducati-DNA, aber eben auch mit Eigenheiten.


  • Kraftvoller V4-Motor mit hoher Drehfreude und sportlicher Charakteristik
  • Hohe Schräglagenfreiheit trotz entspannter Sitzposition
  • Überraschend agiles Handling für einen Cruiser dieser Größe
  • Komfortable Fahrwerksabstimmung
  • Hochwertige Bremsanlage
  • Vollständiges Elektronikpaket
  • Gute Ergonomie
  • Mächtiger Auftritt
  • Großes, klar lesbares 6,9-Zoll-TFT-Display mit sinnvoller Menüführung
  • Überraschend langstreckentauglich
  • erfordert aktives Schalten
  • Realverbrauch bei sehr sportlicher Fahrweise
  • Fahrwerk nur umständlich einstellbar
  • Sichtbare Schläuche und Kabel, rechte Motorseite wirkt unaufgeräumt

Bericht vom 09.11.2025 | 3.205 Aufrufe

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