Kawasaki Versys 1100 SE im Intensiv-Test

Touren, Träumen, Turn-in

Wenn man mitten im slowenischen Wald auf einem Motorrad sitzt, das gut und gerne 259 Kilogramm wiegt, und dabei versucht, gleichzeitig den Road-Modus zu kontrollieren, Kameraeinstellungen zu checken und den nächsten Schlaglochkrater elegant zu umfahren, dann weiß man: Es ist wieder soweit. Zeit für ein echtes Abenteuer.

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Bevor wir überhaupt anfangen, ist Eines wichtig - Man könnte ja meinen, so eine Slowenien-Tour sei eine reine Spritztour...aber wer schon mal bei 35 Grad auf 1.000 Meter Seehöhe stand und sich gefragt hat, wie weit es bis zum nächsten Wasserloch ist, weiß: Gute Ausrüstung ist nicht verhandelbar. Und so war ich nicht nur mit der Versys bestens bedient, sondern auch mit dem, was ich am Körper und auf dem Kopf trug.

Die Modeka Striker Lady-Kombi eine Textilmontur, die mit mir jede Kurve durchlebt hat. Und auch jede Hitzewelle. Und ja, ich gebe zu: Als jemand, der sonst eher nach Gefühl fährt als nach Zwiebelprinzip, war ich froh, dass sich diese Kombi anfühlte wie eine Mischung aus Sportjacke und Sicherheitszelle. Funktional, bequem, aber ohne das Ich bin auf Weltreise- Gefühl, das einen zu ersticken droht. Kommuniziert wurde unterwegs über das Cardo Packtalk - also, so lange wir nicht den Klang unserer Motoren genießen wollten. Die Verbindung hatte definitiv mehr Durchhaltevermögen als mein Hintern nach Tag zwei, und ich habe gelernt: besser nicht ins Mikro niesen oder die Ohrstöpsel verlieren. Und erst recht nicht in Kombination. Apropos verlieren - Grip war dank der Metzeler Roadtec 02 ohnehin kein Thema. Auch auf nassem Asphalt, Schotter oder den berühmt-berüchtigten slowenischen Waldstreuseln war stets klar: Das Rad bleibt unten. Kein Wegrutschen, kein Zucken, nur Vertrauen. Mein Helm - der HJC F100 - hat sich bei Windgeräuschen auf der Landstraße etwas schwer getan, aber die Flip Back Technologie hat meinen Kopf stets kühl gehalten. Ein riesiger Pluspunkt im Sommer! Und wenn man nach einem langen Fahrtag endlich irgendwo ankommt, ist ein Platz wie das Motorradhotel Grof fast schon ein bisschen zu gut, um wahr zu sein. Motorräder dürfen dort genauso entspannen wie ihre Besitzer:innen - sicher abgestellt, trocken, mit Liebe behandelt. Wer mag, kann sogar die schmutzige Motorradkluft waschen lassen oder sie in den Trockenraum hängen. Dazu ist das Essen top, die Leute freundlich, die Betten weich. Nur beim Frühstück musste ich mich bremsen - der Tag hatte schließlich noch Kurven für mich.

Meine Gedanken vor der Reise? Ich gebe zu, ich hatte Respekt. Viel Motorrad, viel Gewicht, viel Elektronik. Aber wer mich kennt, weiß: Respekt heißt nicht Rückzug - im Gegenteil. Ich hatte Lust herauszufinden, wie zugänglich diese Versys wirklich ist. Und was soll ich sagen? Sie hat mich überrascht. Im besten Sinne.

Im Herzen des Crossovers - Motor der Versys 1100 SE

Motorisch liefert die Versys genau das, was man sich auf gewundener Landstraße zwischen Wald und Weitblick wünscht: 135 PS bei 9000 Umdrehungen, kultiviert und kraftvoll. Der Vierzylinder klingt nicht nur souverän, sondern fühlt sich auch so an. Die Leistung kommt extrem linear, gut dosierbar - aber wenn man will, zieht die Versys auch ordentlich durch. Besonders beim Rausbeschleunigen aus Kurven merkt man, dass Kawasaki hier nicht auf aufregende Spitzen, sondern auf konstante Präsenz setzt. Eine gute Wahl für alle, die gern dynamisch, aber nicht nervös unterwegs sind und gutmütige Power lieben.

Und dann: der Quickshifter. Da bin ich in der Vergangenheit oft kritisch gewesen. Zu oft wird er als Gimmick verbaut, ohne dass es wirklich rund läuft. Aber hier - Butter. Sowohl rauf als auch herunter schaltet das Getriebe geschmeidig, präzise und völlig unaufgeregt. Und wer viel unterwegs ist, weiß, wie sehr das den Komfort steigert. Besonders in Kombination mit dem drehfreudigen Motor entsteht eine Harmonie, die man auf langen Touren nicht mehr missen möchte.

Das Fahrwerk der Versys

Der zweite große Aha-Moment kam, kaum dass ich über die eher grobe Asphaltdecke Sloweniens gerollt bin. Das Fahrwerk - Showa Skyhook, vielen von euch sicher ein Begriff - ist eine Offenbarung. Unebenheiten? Gibt es natürlich. Aber sie erreichen mich gefühlt nur gefiltert, wie durch einen Tourenkomfort-Verstärker. Die Versys gleitet mit Bravour über die Straßen und macht auch den Gedanken an einen langen Fahrtag sehr erträglich. Selbst wenn Schlaglöcher wie gemeine Stolperfallen lauern, bleibt das Fahrverhalten souverän und komfortabel. Ich konnte mich voll auf die Straße konzentrieren, ohne innerlich aua zu denken, wenn der nächste Hubbel vor mir auftauchte. Und ehrlich - auch als Sozia hätte ich da keine Beschwerden gehabt. Rückenfreundlich deluxe.

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Bremsen und Handling im Fokus

Was mich im (wortwörtlich) Großen und Ganzen am meisten begeistert hat, war das Handling. Ich bin zwar groß, aber nicht unbedingt kräftig - und diese Maschine wiegt, wie gesagt, fast 260 Kilo. Klingt nach Arbeit, oder? Ist es aber nicht wirklich. Sobald die Versys rollt, fühlt sie sich zugänglich und agil an. In Kurven liegt sie satt und vertrauensvoll. Ob man lieber drückt oder lehnt, bleibt einem selbst überlassen - die Versys ist da ein Allround-Talent. In engen Kehren, auf schmalen Straßen, sogar beim Wenden auf dem Parkplatz: Sie gibt Rückmeldung, aber keine Widerworte. Und das ist bei einem Crossover dieser Größe keine Selbstverständlichkeit. Wer beim Rangieren neben langen Beinen das Spiel mit der Kupplung raus hat, wird hier kein Manko finden.

Beim Rangieren oder Stop-and-Go merkt man natürlich ein paar Pfunde mehr - vor allem mit Gepäck. Wir hatten jeweils große SW Motech Taschen montiert, die das Ganze noch ein bisschen voluminöser machten. Trotzdem: Ich habe mich nie überfordert gefühlt. Vielleicht ein bisschen angeregt, öfter Krafttraining zu machen und endlich die Zigaretten wegzulassen...aber keinesfalls abgeschreckt. Ich habe mich im Laufe des Tages zunehmend wohler und im Einklang mit der Maschine gefühlt. Und das ist für mich eines der wichtigsten Merkmale eines gelungenen Motorrads: Vertrauen.

Auch die Bremsen fügen sich in dieses Bild ein. Präzise, kraftvoll, dabei gut dosierbar. Selbst bei kleinen Schotterstücken oder einem schnellen Manöver war alles unter Kontrolle. Und ja, auch die Hinterradbremse spielt hier mit - wer sie bei schweren Maschinen einzusetzen weiß, wird es zu schätzen wissen. Gerade bei langsamer Fahrt in engen Kurven hilft sie spürbar, die Stabilität zu erhöhen und das Bike lang zu machen.

Abschließende Gedanken zur Tour

Am Ende eines langen, wunderschönen Fahrtages in Slowenien - mit Insta360 an Helm und Heck und einer ganzen Sammlung an Straßenstaub auf der Kombi blieb bei mir vor allem ein Gefühl: die Versys kann fast alles. Sie ist kein kompromissloses Sportgerät, keine nervöse Diva und auch kein reiner Langstreckenbomber. Sie ist das Komplettpaket. Kraftvoll, komfortabel, souverän und gleichzeitig überraschend zugänglich. Ein Motorrad, das Respekt verdient - aber keine Angst macht.

Wenn ich ein Haar in der Suppe suchen müsste, dann wäre es wohl wirklich nur das Gewicht im Stand. Aber ehrlich: Wer Touren fährt, wer Gepäck transportieren will, wer Stabilität und Ausdauer schätzt, der weiß, dass ein bisschen Masse eben dazugehört. Und sobald man sich daran gewöhnt hat, wird die Versys zu einer treuen Begleiterin, die sich in jeder Kehre aufs Neue beweist.

Und Slowenien? Auch das war eine Überraschung. Diese kleinen, kurvigen Straßen durch Wälder und Berge, die entspannte Atmosphäre, die freundlichen Menschen - ich hatte das Land ehrlich gesagt nicht auf meinem Radar. Aber ich werde definitiv zurückkommen. Und wenn es nach mir geht: gern wieder mit der Kawasaki Versys 1100 SE.

Sie ist kein Bike für Poser. Diese Kawa ist eines der Motorräder, die man fährt und am Ende einfach denkt: Ja, genau so soll es sich anfühlen.

Fazit: Kawasaki Versys 1100 SE 2025

Mit der neuen Versys 1100 SE schafft es Kawasaki sicher einen Stock in den Touringboden zu rammen. Mit dem soliden Triebwerk und gut funktionierenden Systemen schaffen es die Grünen hinsichtlich Preis/Leistungsverhältnis auf jeden Fall zu kontern. Mit hohem Fahrkomfort wird die neue Versys 1100 SE sicher ihre Fangemeinde erweitern und dem ewigen Slogan "Let the good times roll" mehr als gerecht.


  • Gutes Fahrverhalten auch mit Koffern
  • Gute Ergonomie
  • Guter Windschutz
  • Einfache Bedienung
  • Top Fahrwerk
  • Motorleistung- und entfaltung
  • Sitzpolster
  • Agiles Handling
  • Gewicht für kleinere, schmalere Fahrer recht wuchtig

Bericht vom 04.07.2025 | 623 Aufrufe