H2-Rakete in Favoriten

Kawasaki H2/R erstmals in Wien

In einem Hotel in Wien konnten wir die beiden Überraketen in Augenschein nehmen und technisch abklopfen. Starten und wegfahren durften wir leider nicht.

Beim Public Viewing in Favoriten begegnete ich der H2 und der H2R. In einem Gespräch mit Kawa-Importeur Dkfm. Peter Huber konnten wichtige Unterschiede zwischen den beiden Raketen geklärt werden (siehe Video). Entscheidend: Die 200 PS starke H2 kann nicht ohne weiteres auf 250 PS getunt werden. Zwar wäre das Motorgehäuse ausreichend dimensioniert (hält ja auch die 310 PS der H2R aus), aber einen Kit für die H2, der sie leistungsmäßig in die Nähe der R bringt, gibt es nicht. Die 310 PS der H2R entstehen nicht nur durch eine höhere Leistung des Kompressors, sondern brauchen zum Beispiel auch schärfere Nockenwellen und eine höhere Verdichtung. Außerdem dürfte der Kabelbaum bei beiden Modellen nicht identisch sein. Das Gewicht von 236 kg mit vollem Tank (H2) hat nichts mit dem neuen Rahmen zu tun (er liegt im Bereich der ZX-10R), sondern beruht im Wesentlichen auf den größeren Wandstärken des Motorgehäuses und den Innereien, die 310 PS aushalten müssen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die H2 ganz normale Service-Intervalle hat, während die H2R bereits nach 18 Betriebsstunden (über 8.000 U/min) serviciert werden muss. Von der H2R wird voraussichtlich nur eine einzige nach Österreich kommen, von der H2 sind 20 bis 25 Stück verfügbar. Die Sitzposition auf der H2 dürfte zwischen ZX-10R und ZZR 1400 liegen. Das Fahrverhalten ist laut ersten Auskünften von Testfahrern supersportlich, die Beschleunigung konkurrenzlos. Der Kompressor dürfte schon im mittleren Bereich richtig arg andrücken. Wir müssen uns bis zum ersten Test noch etwas gedulden. Dkfm. Peter Huber stellte in Aussicht, dass die H2 im Frühjahr bei einer 1000PS-Gripparty antreten wird. Herrlich! Wir werden uns entsprechend vorbereiten. Außerdem: Wem der Originalpuffer zu voluminös ist, muss jetzt nicht dekompensieren und wüstes Zeug posten, sondern kann sich einfach an der schlanken und leichten Variante in Carbon von Akrapovic freuen.

Jenseits der Faktensaugerei könnte man auch wie folgt formulieren:

Die Ninja H2R hat heuer bei ihrer Präsentation auf der Intermot das Interesse der Motorradwelt in sich verdichtet wie ein Kompressor die Luft. Die H2R ist spektakulär, sie ist stark, sie ist sauschnell, sie ist der Stoff, aus dem die Träume sind, sie verschiebt die Grenzen des Machbaren in eine Region, in der auch Hartgesottene weiche Knie bekommen. Der Gedanke an 310 PS und weit über 300 km/h lässt den Puls auch in der Bettstatt in die Höhe fahren und führt zu wimmernd spitzen Schreien in der ansonsten stillen Nacht. Kawasaki schiebt da etwas an den Start, das die isolierende Ummantelung der Nerven frisst wie ein tollwütiger Nager die Rinde einer Eiche. Wow! Ninja H2R!

Dass es von der Granate des Satans auch eine Version gibt, die man ganz normal auf der Straße fahren kann, klingt im ersten Ansatz wie eine Frohbotschaft des Schreckens, aber die sogenannte H2 ist im Vergleich zur H2R doch erheblich schwächer motorisiert. 200 PS sind per se natürlich ein Hammer, aber erstens fehlen 110 PS(!) auf die H2R und zweitens brauchen andere Hersteller dafür keinen Kompressor, sondern holen das aus einem Reihenvierer mit 1000 Kubik. Der wissende Anhänger der Grünbewegung regt sich darüber aber nicht auf, sondern schraubt in Gedanken die Leistung des Kompressors einfach etwas weiter nach oben. Und 230 PS mit Nummerntaferl bzw. Kennzeichen wären schon in Ordnung. Also für das Frühjahr, wenn man selber noch nicht ganz rund fährt. Im Hochsommer könnte man dann schon die Leistung auf 250 PS raufzwirbeln und für wirklich klare Verhältnisse sorgen.

Magic Alois, der grüne Cheftechniker vom österreichischen Kawasaki-Importeur kann sich noch an die echte H2 (1972) erinnern: Wenn der Joschi in der Märzstraße im 15. Wiener Hieb seine H2 angerissen hat, waren wir Jungen immer voll konzentriert. Wir wussten, dass die Zweitakt-Kawa wie eine kreischende Rakete startete und dass nachher die breite Häuserschlucht voll mit blauem, herrlich duftenden Rauch war. Dieses Naturereignis verlangte nach ungeteilter Aufmerksamkeit. Man durfte kein Detail verpassen. Magic Alois kam in der Folge nicht mehr von Kawasaki los und heuerte beim Importeur an. Und dort arbeitet er bis heute und weiß: Die kurzen Serviceintervalle der H2R kann man dem Kunden, der auf der Straße fährt, nicht zumuten. Die 200 PS der H2 sind daher voll auf der konservativen Seite. Sozusagen das untere Limit des Motors. Aber, das haben mir die Leute bestätigt, die schon damit gefahren sind, durch den Kompressor hat die H2 über das gesamte Drehzahlband einen Druck, der alle anderen Serienmaschinen zu Statisten degradiert.

Bericht vom 28.11.2014 | 36.200 Aufrufe

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