Triumph Tiger Sport 800 im Test

Raubkatze mit Alltagsmanieren ?

Optisch irgendwo zwischen Touring-Allrounder und sportlichem Roadster, ist sie der Beweis dafür, dass man auch mit Gepäckträgern Spaß haben kann. Oder, um es klar zu sagen: Diese Tiger schnurrt, wenn man sie lässt. Und das macht richtig Laune. Im Rahmen einer mehrtägigen Testfahrt in Slowenien konnte das Bike zeigen, wo seine Stärken liegen - und wo die Grenzen beginnen.

von AJay am 08.07.2025

Klein, leicht, zackig - die Tiger Sport 800

Mit rund 217 Kilogramm fahrbereit ist die Tiger Sport 800 kein reines Leichtgewicht wie eine 300er, aber auch meilenweit entfernt vom Volumen einer vollbepackten Reiseenduro. Man sitzt aktiv, die Knie schön angewinkelt, der Oberkörper leicht nach vorn - bereit für Action, ohne das Gefühl zu haben, man startet ins 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Dazu kommt man auch als größere Person problemlos mit den Füßchen auf den Boden - das alleine ist schon die halbe Miete, was den Punkt Vertrauen betrifft. Die Sitzhöhe ist also zugänglich, die Ergonomie durchdacht, und spätestens in der dritten Kehre hat mans raus: Das hier ist keine gemütliche Tourenmutti, sondern eine Katze mit Krallen.

Herzstück der Tiger Sport 800 ist der 888 cm³ große Dreizylindermotor (CP3), der 115 PS bei 10.750 U/min leistet. Der Motor wurde gegenüber der Vorgängerversion umfassend überarbeitet. Im Fahrbetrieb fällt insbesondere die harmonische Leistungsentfaltung auf: Die Gasannahme ist direkt, aber nicht nervös. Schon aus dem mittleren Drehzahlbereich zieht der Dreizylinder kraftvoll durch und lässt sich sauber bis zur Maximalleistung ausdrehen. Besonders angenehm ist die lineare Charakteristik, die sportliches Fahren mit kontrollierbarem Schub kombiniert. Auch bei niedrigen Drehzahlen arbeitet der Motor ruhig, ohne Lastwechselreaktionen oder ruckelige Übergänge. Dank der längeren Übersetzung in den unteren drei Gängen ergibt sich ein entspannteres Drehzahlverhalten, das vor allem im Stadtverkehr und bei Landstraßenfahrten positiv auffällt.

Das Einzige, was da noch fehlt: Wenn man mit einem Motorrad wie der Tiger Sport 800 unterwegs ist, das mit sportlicher Sitzposition, drehfreudigem Dreizylinder und einem gewissen je ne sais quoi um die Ecke kommt, sollte auch das Drumherum mithalten können. In meinem Fall bedeutete das: Die Modeka Striker Lady Kombi hat mir nicht nur beim morgendlichen Raufschwingen eine dezent sportliche Note verliehen, sondern auch zuverlässig gegen alles geschützt, was Slowenien an Wind, Hitze und Asphaltparfüm zu bieten hatte. Kommuniziert wurde unterwegs wie immer über das Cardo Packtalk - was in engen Kehren mit viel Gegenverkehr manchmal ein Segen ist. Vor allem, wenn man seinem Kollegen sagen muss: Vorsicht, Rollsplit! oder einfach nur ein motivierendes Noch drei Kurven, dann Kaffee! durch die Helmlautsprecher flüstern möchte. Klappt zuverlässig - auch wenn man dabei vergessen hat, das Mikro richtig zu positionieren. Der HJC F100 auf meinem Kopf hat sich dabei als luftiger Begleiter erwiesen - was bei den 35 Grad eine echte Rettung war (Flipback an die Macht!).Einfach aufsetzen, schließen, losfahren. Und am Abend runternehmen mit dem wohlig-müden Gefühl: War gut heute.

Die Sache mit dem Vorderrad: kleine Diva, große Lernkurve

Auch mit der richtigen Ausrüstung ist nicht alles an der Tiger ist auf Anhieb Zuckerwatte. Gerade das Feedback vom Vorderrad wirkt anfangs ungewohnt - nicht schwammig, aber es braucht ein paar Kilometer und die Bereitschaft, Körperarbeit zu leisten. Wer von Hightech-Fahrwerken mit semiaktiver Himmelbettabstimmung kommt, wird das erste Mal vielleicht ein bisschen überrascht sein. Die Tiger Sport 800 fährt sich einfach spürbar straffer als klassische Adventure-Bikes, was ihrem sportlichen Anspruch passend entspricht. Unebenheiten auf der Fahrbahn werden nicht vollständig weggebügelt, sondern klar, aber nicht unangenehm an die Fahrerin weitergegeben. In engen Kurven erfordert das Vorderrad etwas mehr Nachdruck, was sich allerdings mit zunehmender Fahrpraxis relativiert. Nach einigen Kilometern entsteht ein stimmiges Zusammenspiel aus Agilität und Sicherheit. Der Lenkkraftaufwand bleibt überschaubar, die Maschine reagiert zuverlässig auf Körperimpulse, ohne dabei nervös zu wirken.

Also - und das hat auch meine anfängliche Skepsis vertrieben - sie hört zu. Wer sich selbst die Eingewöhnungszeit gibt, bekommt ein präzises, vertrauensvolles Fahrgefühl zurück. Der Charakter des Showa Fahrwerks zeigt sich nicht nur in Schräglagen, sondern auch beim Durchfahren von nicht ganz optimalem Asphalt. Wer ehrliche Maschinen liebt, ist hier ganz richtig.

Bremsen, Reifen und das ungewollte Vollbremsungs-Experiment

Die verbauten Bremskomponenten wirken solide und praxisgerecht. Vorne verzögert eine Doppelscheibenanlage mit radial montierten Bremssätteln, hinten kommt eine einzelne Scheibe zum Einsatz. Sowohl vorne als auch hinten präsentieren sich die Einheiten verlässlich - das hat eine unfreiwillige Überraschung auf Schotter bewiesen. Das ABS regelt feinfühlig, die Hinterradbremse verdient ein Extra-Lob - sie ist nicht nur Deko, sondern ein echtes Werkzeug für mehr Kontrolle und Stabilität in engen Kehren oder beim langsam Manövrieren.

Die Reifen? Wir waren bei der Tiger auf Michelin-Standardbereifung unterwegs, aber auf den anderen Bikes der Tour lief der Metzeler Roadtec 02 - ein Reifen, der sich schon auf der Versys wunderbar bewährt hat. Der Werksreifen war zwar nicht der Protagonist des Tages, aber definitiv ein stiller Held im Hintergrund.

Touren oder turnen - oder beides?

Die Tiger Sport 800 ist nicht der Inbegriff des Tourenmotorrads, aber sie kann Tour - wenn man weiß, was man will. Das Windschild ist verstellbar, was ich persönlich super praktisch finde (ein Hebel, ein Klick, fertig), auch wenn es bei langen Autobahnetappen definitiv mehr Windschutz geben dürfte. Dafür macht sie in den Serpentinen Spaß - und ist eben kein Reiseschiff, sondern ein Reise-Sportgerät. Positiv bleibt: Die Kombination aus geringem Gewicht, ordentlicher Leistung und aktiver Sitzposition macht die Tiger zu einer Maschine, die auch auf längeren Strecken Freude bereitet - solange der Fokus eher auf sportlich-flüssigem Fahren als auf maximalem Komfort liegt.

Was zusätzliches Gepäck angeht, muss man vielleicht ein bisschen kreativ sein. Das Heck ist nicht riesig, die Verzurrmöglichkeiten überschaubar. Wer also plant, mit kompletter Campingausrüstung und Espressokocher ans Nordkap zu fahren, sollte sich mit der maximalen Ausreizung des Koffersystems beschäftigen. Für normale Touren mit Rucksack dazu reichts allemal. Pshhht Geheimtipp: Unsere Taschen von SW Motech waren durch ihre Gurte und Karabiner beispielsweise super leicht an das Bike anzubringen und abzunehmen. Und weil das alles auch mal irgendwo enden muss - idealerweise mit einer heißen Dusche und einem Teller Pasta - war das Motorradhotel Grof unsere Base. Sicherer Stellplatz fürs Bike, sicherer Schlafplatz für müde Testfahrerinnen. Alles da, was man braucht, und nichts, was nervt. Wenn also jemand fragt, wo man als Motorradreisende in Slowenien landen kann: Grof.

Die Triumph Tiger Sport 800 positioniert sich überzeugend im Grenzbereich zwischen sportlichem Naked Bike und tourentauglichem Allrounder. Sie eignet sich besonders für Fahrer:innen, die ein agiles, technisch aufgeräumtes und vielseitig einsetzbares Motorrad suchen - ohne dabei auf Dynamik oder Charakter verzichten zu wollen.

Kompakt, leicht, sportlich - aber mit einem Maß an Touring-Komfort, das im Alltag mehr als genügt. Wer nicht das volle Reiseschiff sucht, sondern eine zugängliche Maschine mit aktiver Sitzhaltung, klarer Rückmeldung und echtem Dreizylinder-Charakter, wird an der Tiger Sport 800 seine Freude haben.

Wer von der neuen Tiger Sport 800 noch nicht genug hat, kann sich gerne das Video meines Kollegen Gregor ansehen - der geht noch tiefer ins Detail und teilt seine direkten Fahreindrücke mit euch.

Fazit: Triumph Tiger Sport 800

Die Triumph Tiger Sport 800 präsentiert sich als vielseitiger Sporttourer, der eine gelungene Mischung aus Sportlichkeit und Alltagstauglichkeit bietet. Besonders hervorzuheben sind der neue 798-ccm-Dreizylindermotor mit seiner linearen Leistungsentfaltung bei dennoch vorhandenem Charakter, sowie das gut abgestimmte Showa-Fahrwerk, das sowohl Komfort als auch Stabilität bietet. Auch die Ausstattung mit serienmäßigem Quickshifter, Tempomat, Kurven-ABS und Traktionskontrolle unterstreicht den modernen Anspruch des Motorrads. Die Ergonomie ist durch die niedrige Sitzhöhe und schmale Bauweise für viele Fahrer zugänglich, während der Verbrauch und die Reichweite überzeugen. Allerdings zeigt der Windschutz Schwächen, insbesondere bei größeren Fahrern. Den Gesamteindruck trübt das aber kaum, vor allem wenn man den Preis der Tiger Sport 800 einbezieht. So ein Preis-Leistungs-Verhältnis gibt es sonst bei keinem neuen Crossover-Motorrad.


  • Sanfter, leistungsstarker Dreizylinder mit breitem nutzbaren Drehzahlband
  • gut abgestimmtes Fahrwerk für Komfort und Stabilität
  • niedrige Sitzhöhe und zugängliche Ergonomie
  • Wartungsintervall von 16.000 km
  • umfangreiche Serienausstattung inklusive Quickshifter, Tempomat und Kurven-ABS
  • attraktiver Preis
  • hohe maximale Zuladung
  • gute Bremsperformance
  • Unzureichender Windschutz mit lauten Verwirbelungen für größere Fahrer
  • kein „Resume“-Knopf für den Tempomaten
  • Spritzschutz am Heck ohne Seitenkoffer eher mäßig

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