Kawasaki KLR 500 1988 Erfahrungsbericht nach Rallye-Einsatz

Oldschool Reise-Motorrad im 1000 km Offroad-Test

Mit meiner 1988er KLR 500 hatte ich zum ersten Mal Berührung mit einer Oldtimer-Maschine und das gleich bei einer Hobby-Rallye. Warum mich die KLR begeistert, wie kein modernes Bike bisher und warum man auch als unerfahrener Pilot keine Angst vor betagten Maschinen haben muss, erzähle ich euch hier.

2022 war ein abenteuerliches Jahr. Wir haben mit einem kleinen Team an der Seeker Raid 2022, einer Hobby-Rallye für Old- und Youngtimer, teilgenommen. Zugelassen sind bei der Veranstaltung nur Bikes mit Baujahr 2000 oder älter. In Ermangelung eines passenden Bikes war ich im Vorfeld wochenlang auf den Gebrauchtmärkten unterwegs, bis ich schließlich mein eckiges Baby, die KLR fand. Warum ist es ausgerechnet die KLR 500 1988 geworden? Hier sind meine Gründe.

Die Unzerstörbare - Kawasaki KLR 650 1988

Im 20. Jahrhundert gab es unzählige Enduros, viele davon genießen heute Kultstatus. 750er Africa Twin, die originale Yamaha Tenere, Suzuki DR - Es gibt sicher charmantere, sportlichere, oder schönere Motorräder aus dem letzten Jahrhundert. Trotzdem konnte die KLR am Ende der Videoserie zur Seeker Raid anscheinend auch viele Herzen im Publikum erobern, denn die Abstimmung ums beste Bike der Reise gegen die Honda Dominator und Yamaha TT 600 der mitfahrenden Kollegen war eine ganz knappe Kiste. Aber auch abseits des eckigen Äußeren der KLR und ganz objektiv betrachtet hat die KLR ihre Qualitäten. Nicht umsonst veröffentlichte bereits Fortnine, der größte internationale Motorrad-Youtube-Kanal, ein Video mit dem Titel "Killing the Un-Killable KLR650". Sie gilt als unzerstörbar, extrem gutmütig im Umgang und dank einfachster Technik auch leicht zu reparieren.

Die technischen Eckdaten der Kawasaki KLR 650/500 1987-89

1984 erschien die KLR auf dem Markt als Kawasakis Antwort auf die erfolgreichen Modelle der Konkurrenz alá Suzuki DR 650 oder Yamaha Tenere. Im Laufe der Jahre ging sie durch unterschiedliche Modellvarianten, versuchte sich in Form der Tengai mal als Reisemotorrad mit Verkleidung, oder später als KL 650 C als Sportenduro. Hierzulande konnte sie nie den ganz großen Erfolg einfahren, doch in Australien und Nordamerika gingen doch beachtliche Stückzahlen an den Mann. In der vielfältigen Modellhistorie der KLR ist die KLR 500 aber eine Besonderheit. Dabei handelt es sich um eine extra für Österreich produzierte Abwandlung des von 1987 bis 89 produzierten KL 650 A Modells. Damals gab es steuerliche Vorteile für Maschinen mit 500 cm³ Hubraum oder weniger, weshalb so manches 650er Modell damals im Hubraum verringert angeboten wurde. Abgesehen vom auf 497 cm³ verkleinerten Hubraum, dadurch drei verlorenen PS und einer notwendigen Vergaseranpassung ist die KLR 500 baugleich zur KLR 650 der gleichen Baujahre.

39 Pferdchen leistet der flüssigkeitsgekühlte Einzylinder bei 7.500 U/min am Papier, wobei sie wohl etwas Leistung über die Jahre verloren hat. Mit selbst gewogenen 190,5 kg ist die KLR sicherlich kein Leichtgewicht und mit einer Sitzhöhe von 889 mm auch noch recht hoch. Im Vergleich zu neuen Motorrädern merkt man ihr ihr Alter aber am meisten bei den Bremsen an. Die 260 mm Bremsscheibe mit nur einem 30 mm Bremskolben und die 230 mm Scheibe hinten verzögern nur sehr zaghaft und erfordern einen vorausschauenden Fahrstil. Dank Enduro-Bereifung, 90/90-21 vorne und 130/80-17 hinten, 231 mm Federweg (Vorne/hinten) und einer recht kurzen Übersetzung des 5-Gang Getriebes eignet sie sich auch für Offroad-Einsätze, im Straßenbetrieb muss dafür aber sehr häufig geschalten werden.

Fahrgefühl im Sattel der Kawasaki KLR 500 1987-89

Das Fahrgefühl auf der KLR ist ein sehr entspanntes. Sobald man sich in den hohen Sattel schwingt, schmeichelt der breite, weiche Sattel dem Popo und das weiche Fahrwerks geht sänftengleich in die Knie. Eine neue Batterie, Austausch aller Flüssigkeiten, neue Zündkerzen und ein neues Federbein waren alles, was wir der KLR an "Tuning" spendiert haben. Mit ihren knapp 40.000 km auf der Uhr ist sie gerade mal eingefahren und springt mit der neuen, starken Lithium-Ionen-Batterie verlässlich an. Im kalten Zustand braucht es ein bisschen Spielerei mit dem Choke-Hebel, um die optimale Position zu finden. Ist sie aber auch nur minimal warm, springt sie sofort an. Dabei ertönt auch sogleich das ikonische Zwitschern aus dem originalen kreisrunden Endtopf. Sie hängt sehr sauber am Gas, reißt aber nie an, sondern liefert die Leistung sehr dosierbar ans Handgelenk. Es mag ihr die Drehmomentkeule aus dem Drehzahlkeller wie bei manch anderem Einzylinder fehlen, dafür bietet sie extra Komfort und Zugänglichkeit. Bei den steilen bergauf Passagen in Bosnien muss ich aber immer einen oder sogar zwei Gänge niedriger fahren, als Kollege Schaaf auf seiner Dominator. Nichtsdestotrotz lasse ich die "KLaRa" auch mal fliegen und stelle erstaunt fest, dass sie sich ergonomisch gut für flotte Fahrten eignet. Der Lenker mag für ganz gemütliche Offroad-Strecken in stehender Position etwas niedrig sein. Geht es aber sportlicher dahin, dann passt die vorderradorientierte Position und auch die schmale Taille bietet einen guten Knieschluss. Wichtig ist dafür nur eine Nachrüstung auf Offroad-Fußrasten, denn die originalen aus Gummi werden bei Feuchtigkeit sehr rutschig.

Die Schwachstellen der Kawasaki KLR

Obwohl die KLR schon vom ersten Tag an als Budget-Bike entworfen wurde und in Serie definitiv keine edle Ware an Bord verbaut hat, hatte sie mit relativ wenig Kinderkrankheiten und bekannten Schwachstellen zu kämpfen. Die KLR-Modelle, die nach 2000 folgten, hatten noch mehr bekannte Wehwehchen, als die alten KLRs. Beim Modelljahrgang 1987-89 gibt es eigentlich nur zwei bekannte Schwächen. Erstens ist die Schweißnaht am Ansatz des Schalthebels nicht solide genug, sodass der Hebel auch bei normalem Gebrauch nach einigen Tausend Kilometer abbrechen kann. Auch bei unserem Abenteuer in Bosnien fällt am Morgen von Tag 5 aus dem Nichts der Schalthebel klirrend zu Boden. Fairerweise, ein Sturz am Ende von Tag 4 könnte hier auch seinen Teil beigetragen haben. Aber auch ohne Sturz haben schon einige KLR-Besitzer von fragilen Schalthebeln berichtet.

Die zweite potentielle Schwachstelle der KLR ist der berüchtigte "Doohickey". So lautet die umgangssprachliche englische Bezeichnung für den Ausgleichskettenspanner, unter der das Problem der KLR bekannt wurde. Dabei wird noch immer über die Signifikanz dieser Schwäche diskutiert. Besitzer unterschiedlichster Modelle von KLRs erzählten von zu gering dimensionierten Ausgleichskettenspannern, wodurch sich die Ausgleichskette lösen konnte und zum Motorschaden führte. Doch obwohl das nach einem ernsten Fehler klingt, äußerte sich Kawasaki nie zu dem Problem und genaue Daten zum Vorkommen dieses technischen Versagens gibt es auch nicht. Manche meinen, es liegt nur an schlechter Pflege, andere sehen einen Austausch des "Doohickey" als essentiell bei jeder KLR an. Zwei amerikanische Firmen bieten Nachrüst-Doohickeys um ca. 100€ an.

Gebrauchtkauf Kawasaki KLR 1987-89 - Worauf ist zu achten?

Abgesehen von den zwei Schwächen muss beim Gebrauchtkauf einer alten KLR nur auf Dinge geachtet werden, die sowieso bei jedem betagten Motorrad unter die Lupe genommen gehören. Zum Beispiel ist der moderne, mit Ethanol-angereicherte Sprit instabiler als frühere Benzinsorten und kann bei langen Stehzeiten zu rostenden Stahltanks führen. Mit einer Taschenlampe kann der Tank nach Rost und Ablagerungen untersucht werden. Um dem vorzubeugen, empfiehlt sich der Benzin-Stabilisator Bactofin. Auch sonst ist natürlich auf Rost zu achten und vor allem Bremsen und Fahrwerk können bei Offroad-Gebrauch in Mitleidenschaft gezogen sein. Hier findet ihr weitere Tipps für den Motorrad Gebrauchtkauf.

Kawasaki KLR 650/500 1987-89 - Nur für Bastler

Eine große Herausforderung für KLR-Besitzer, die sich ihre Maschine individualisieren und modifizieren möchten, ist das mangelhafte Angebot an passendem Zubehör. Originale Ersatzteile gibt es einige, auch über Kawasaki Händler kann man sich noch so einiges bestellen. Aber darüber hinaus wird es schwer, schon an den Offroad-Fußrasten für Bosnien bin ich fast verzweifelt und am Ende musste ich MX-Fußrasten zurechtschleifen. Aufgrund der doch geringen Stückzahlen der alten Modelljahre gibt es heutzutage gerade in Europa nur sehr wenig Zubehör, welches ohne Anpassung auf die KLR passt. Mit Bastelarbeiten und eigenhändigen Anpassungen sollte also gerechnet werden. Oder man greift auf universell passende Ausrüstung und Zubehör zurück. Wir haben uns für die Seeker Raid bei Louis ausgestattet.

Reifenempfehlung für die Kawasaki KLR 650/500 1987-89

Die Reifenwahl hängt natürlich stark vom geplanten Einsatzbereich des Motorrads ab. Für alle, die ihre KLR aber sowohl auf der Straße, als auch im ambitionierten Gelände bewegen wollen, empfehle ich den Mitas E-09 Reifen. Als 50-50 Adventure Reifen kann er auch gröbere Trails in Angriff nehmen, performt gleichzeitig aber passabel auf dem Asphalt. Zusätzlich ist er auch sehr hart, was Reifenwechseln per Hand zwar zur Tortur macht, den E-09 dafür aber auch sehr robust und für schwerere Enduro-Maschinen geeignet macht. Auf 1000 Offroad-Kilometern hatten wir zu viert, alle auf Mitas E-09, trotz des gnadenlosen bosnischen Terrains keine einzige Reifenpanne.

Gegen sich zerlegendes Plastik - HG Powerglue

Der felsige Untergrund am Balkan greift nicht nur die Reifen, sondern auch den Rest des Materials an. Ein abenteuerlustiger Einsatz einer KLR wird durch all die Erschütterungen und Vibrationen früher oder später die Peripherie am Motorrad in Mitleidenschaft ziehen. Schrauben werden locker, Teile loose und Plastik bricht. So geht es mir auch in Bosnien, wo Stürze und das materialmordende, steinige Terrain die KLR hart rannehmen. Stahl kann geschweißt, Schrauben wieder reingedreht und mit Schraubenkleber fixiert werden. Doch was macht man bei Plastik? Wie es sich herausstellt: Plastik wird auch geschweißt! Eines der nützlichsten Ausrüstungsteile bei der Seeker Raid war die "Schweißnaht aus der Flasche" von HG Powerglue, dank der wir so manches Hoppala schnell richten konnten. Der 2-Komponenten Kleber nutzt Granulat und Superkleber, um in Sekunden eine feste Verbindung herzustellen und die Bruchstelle zusammenzukleben. So lässt sich die Verkleidung auch schnell im Wald reparieren.

Ein altes Motorrad lebt! - Meine Liebe zur Kawasaki KLR 500 1988

Dinge wie Zuverlässigkeit, Zugänglichkeit und einfache, reparierbare Technik, sind zwar schön und gut, aber nicht die Gründe, warum man sich in ein Motorrad verliebt. Auch bieten objektiv betrachtet moderne Motorräder sicherlich mehr Performance und Ausstattung, dennoch kann ich mir eine Saison ohne die KLR nicht mehr vorstellen. Mit einer alten Maschine entsteht eine viel engere Bindung. Die notwendige Pflege, immer wieder anfallende Reparaturen und ihre Eigenheiten machen sie lebendig und verknüpfen unzählige Geschichten mit dem Gerät. Hinzu kommt noch die Besonderheit inmitten moderner SUVs und High-Tech-Zweirädern mit so etwas altem unterwegs zu sein. Eine alte Maschine ist fast schon wie eine gute Freundin, die man im Laufe der Zeit kennen, verstehen und lieben lernt. Deshalb war schon am letzten Tag der Seeker Raid klar, dass Bosnien vielleicht mein erstes, doch sicherlich nicht das letzte Abenteuer mit der KLR gewesen sein wird.

Fazit: Kawasaki KLR 500 1988

Die KLR ist eine bezaubernde Reiseenduro der 80er Jahre, die vor allem mit Charme, Zugänglichkeit und Komfort und weniger mit Performance und Sportlichkeit punktet. Sie mag recht schwer und hoch sein, doch wer ein entspanntes Reisemotorrad der alten Schule, mit doch erstaunlich großem Offroad-Potenzial sucht, ist bei ihr goldrichtig.


  • Zugänglicher Motor
  • Einfache, robuste Technik
  • Komfortabler Sattel
  • 80er Charme ohne Ende
  • Unzerstörbar und leicht reparierbar
  • Kein Drehmomenthammer bei niedrigen Drehzahlen
  • Fragiler Schalthebel
  • Schlechte Bremsen
  • Doohickey als potentielles Problem

Bericht vom 23.12.2022 | 20.127 Aufrufe

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