Gebrauchte Suzuki XF 650 Freewind 1997 im Rally-Test 2022

Liebe auf den ersten Blick, Hass-Liebe auf den zweiten.

Die Suzuki XF 650 Freewind und ich führten auf der Seeker 2000 in Bosnien eine aufregende, wenn auch nicht immer leichte Beziehung. In sechs Tagen fuhren wir ca. 1060 Kilometer – viele davon durch tiefes Geröll, über große und spitze Steine, enge Schotter-Serpentinen und rutschige Waldwege. Dabei fiel nicht nur die Suzuki gelegentlich mal, sondern auch das eine oder andere Schimpfwort gegen sie. Rückblickend hatte sie aber beides nicht verdient.

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Im August 2022 haben wir an der Seeker Raid in Bosnien teilgenommen. Bei dieser Hobby-Rallye geht es um nichts, man fährt weder gegeneinander noch auf Zeit, außer darum die wunderschöne Natur des Balkans auf einem alten Bike zu inhalieren. Enduros mit Baujahr 2000 oder älter dürfen mitfahren. Wir haben uns dafür vier alte Eisen gecheckt, uns Unterstützung bei Louis und Mitas geholt und die chaotische Reise vom Gebrauchtkauf bis zum Zieleinlauf in Bosnien mit der Kamera festgehalten. Hier findet ihr die gesamte Seeker Raid Videoreihe auf dem 1000PS-Youtubekanal, in diesem Bericht möchte ich mich aber auf mein Bike konzentrieren.

Offroad-Umbau der Suzuki XF 650 Freewind - Passend für eine Hobby-Rally?!

Als ich beim Durchforsten des 1000PS Marktplatzes auf die umgebaute Suzuki XF 650 Freewind aus dem Jahr 1997 stieß, war ich sofort hin und weg! Optisch aggressiv, schwarz-weiß, mit BMW-Lampenmaske, Sturzbügeln und vielem weiteren Schnickschnack. Technisch mit überarbeitetem Fahrwerk ebenfalls für eine Rally wie die Seeker 2000 durchaus tauglich. Auf jeden Fall aber ganz Besonderes. Und dann stand sie auch noch beim Händler meines Vertrauens. Es brauchte also nicht mehr als eine kurze Probefahrt (auf der Straße) und die Entscheidung stand fest: Die wird es!

Nicht komplett für Offroad optimiert - Erfahrungen mit der Suzuki XF650 Freewind

Bloß noch Mitas E-09 Reifen drauf, den Hauptständer demontieren und schon ist sie bereit für die Rally zumindest glaubte ich das, bis ich im Fahrerlager stehe und die Bikes meiner Mitstreiter erblicke. Als ich die blau-eloxierten Offroad-Fußrasten an Gregors KLR sehe, wird mir klar: Mist, ich habe noch Gummi-Fußrasten! Sie waren mir bei der Probefahrt im Sitzen logischerweise nicht negativ aufgefallen. Doch schon auf der ersten Offroad-Passage vermisse ich den pieksigen Grip echter Enduro-Rasten für einen sicheren Stand.

Und dass meine Wahl auch abgesehen von leicht zu ersetzenden Rasten vielleicht nicht ganz durchdacht war, bekomme ich im tiefen Geröll Bosniens zu spüren. Der breite Tank stört beim Fahren im Stehen und auf den grob-steinigen, teilweise steilen Passagen schaffe ich es manchmal nicht mich fest genug ans Bike zu klammern. Zwar ist die XF 650 mit 830 mm Sitzhöhe verglichen mit Gregors KLR 500, Schaafs Dominator 650 und Fabians TT 600 die niedrigste Maschine, trotzdem komme ich nur mit den Zehenspitzen auf den Boden. Keine guten Voraussetzungen um die 189 Kilogramm schwere XF den Hang hinauf zu dirigieren.

Bosnien Hochebenen unter den Rädern der Suzuki XF 650 Freewind

Was nicht bedeutet, dass es nicht funktioniert. Wenn auch nicht immer beim ersten Versuch, die Suzuki und ich schaffen es auf jede der wunderschönen Hochebenen und wieder hinunter. Und die Herausforderung, mit dem schwersten Bike der Gruppe klarzukommen, macht ab Tag zwei auch riesigen Spaß. Zähne zusammenbeißen, weit nach vorne Blicken und Gas geben, dann zieht die Freewind über Stock und Stein den Hang hinauf. Besonders der Motor zeigt hier was in ihm steckt. Der 644 Kubik Einzylinder hat ordentlich Dampf und leistet gefühlt mehr als die angegebenen 48 PS. Die 51 Newtonmeter drücken mich außerdem auch aus den verzwicktesten Situationen raus und für gelegentliche asphaltierte Verbindungsstraßen ist mehr als genug Kraft da. Hier geht´s nicht wegen der XF 650 Freewind, sondern wegen der Bikes der Kollegen mit nur 100 km/h vorwärts. Und auch diverse Tankstopps hätte sie mit 18,5 Litern Tankvolumen nicht gebraucht (Fabians TT 600 ist hier der Flaschenhals). Jede der Etappen der Seeker 2000 würde sie locker am Stück bewältigen.

Ich selbst bin aber froh um jede Erholungspause, denn die vielen Schotterpisten kosten viel Kraft. Auch wegen der fehlenden Stabilität des 19-Zoll-Vorderrads. Ständig wünsche ich mir neben etwas weniger bissigen Bremsen ein echtes 21-Zoll-Enduro-Rad und vorne wie hinten etwas längere Federwege herbei (vorne stehen 170 Millimeter, hinten 167 Millimeter zur Verfügung). Und natürlich eine niedrigere Sitzhöhe und weniger Gewicht. Vergebens. Die Suzuki Freewind ist im Kern doch eher ein Reisemotorrad und keine Offroad-Gazelle, aller Umbauten zum Trotz.

Treu über die Distanz - Suzuki XF 650 Freewind Erfahrungsbericht

So kommt es, dass die XF das eine oder andere Mal auf der Seite liegt, zweimal sogar mit Schwung. Zum Glück bewahren die Sturzbügel und die Handprotektoren eine sichere Distanz zwischen den spitzen Steinen und dem Bike und nichts geht kaputt. Ein paar Kratzer im Plastik lassen sich freilich nicht vermeiden, aber die zeugen nur von den Nehmerqualitäten der Suzuki. Kleinere Defekte, wie ein launischer Kupplungsschalter (der das Starten des Motors immer wieder verhindert) und eine schwächelnde Batterie, leistet sich die XF zwar, doch insgesamt ist sie mir über die gesamte Distanz stets treu und gehorsam und nimmt mir weder die Beleidigungen, noch die Umfaller übel. Danke dafür, liebe Suzi!

Gegen sich zerlegendes Plastik - HG Powerglue

Ein abenteuerlustiger Einsatz einer Freewind wird durch all die Erschütterungen und Vibrationen früher oder später die Peripherie am Motorrad in Mitleidenschaft ziehen. Schrauben werden locker, Teile lose und Plastik bricht. So geht es mir auch in Bosnien, wo Stürze und das materialmordende, steinige Terrain die Suzuki hart rannehmen. Stahl kann geschweißt, Schrauben wieder reingedreht und mit Schraubenkleber fixiert werden. Doch was macht man bei Plastik? Wie es sich herausstellt: Plastik wird auch geschweißt! Eines der nützlichsten Ausrüstungsteile bei der Seeker Raid war die "Schweißnaht aus der Flasche" von HG Powerglue, dank der wir so manches Hoppala schnell richten konnten. Der 2-Komponenten Kleber nutzt Granulat und Superkleber, um in Sekunden eine feste Verbindung herzustellen und die Bruchstelle zusammenzukleben. So lässt sich die Verkleidung auch schnell im Wald reparieren.

Reifenempfehlung für die Suzuki XF 650 Freewind 1997

Noch ein Wort zu unserem Reifen: Die Reifenwahl hängt natürlich stark vom geplanten Einsatzbereich des Motorrads ab. Für alle, die ihre Enduro aber sowohl auf der Straße, als auch im ambitionierten Gelände bewegen wollen, empfehle ich den Mitas E-09 Reifen. Als 50-50 Adventure Reifen kann er auch gröbere Trails in Angriff nehmen, performt gleichzeitig aber passabel auf dem Asphalt. Zusätzlich ist er auch sehr hart, was Reifenwechseln per Hand zwar zur Tortur macht, den E-09 dafür aber auch sehr robust und für schwerere Enduro-Maschinen geeignet macht. Auf 1000 Offroad-Kilometern hatten wir zu viert, alle auf Mitas E-09, trotz des gnadenlosen bosnischen Terrains keine einzige Reifenpanne.

Bericht vom 17.01.2023 | 24.951 Aufrufe

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