Neue Brixton Cromwell 1200 - Serienmodell 2022 im Test

Zonko und Poky im Sattel des Austro-Classic-Twins

Eine der meistbeachteten Neuheiten 2022 hat es endlich unter unsere Fittiche geschafft! Wie sich das erste Big Bike von Brixton fährt, haben wir am Exelberg herausgefunden.

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Bis tief hinein in den Sommer musste ich mich also gedulden, um endlich Hand an eine Serien-Cromwell 1200 legen zu dürfen. Seit dem ersten Probefahren im November, das Vauli für uns absolviert hat, freue ich mich auf die Gelegenheit die große Brixton zu fahren. Nun ist der Tag gekommen.

Der Name Cromwell 1200 ist pures Understatement der Twin hat 1222 Kubik!

Klotzen statt Kleckern! Das war wohl das Motto bei der Entwicklung der Cromwell 1200. Waren bisher 486 Kubik in der A2-tauglichen Crossfire 500 das Höchste der Gefühle bei Brixton, schlägt man nun mit dem 1222 Kubik großen Twin ein neues Kapitel in der jungen Geschichte der Marke auf. Mit einem Drehmomentmaximum von 108 Nm bei 3.100 U/Min und einer Spitzenleistung von 82 PS bei 6.550 U/Min braucht man sich im Hinblick auf die britische Konkurrenz keinesfalls zu verstecken. Das gilt leider auch für die Wärmeentwicklung des Motors, der den Piloten an heißen Tagen (am Testtag hatte es bis zu 37 Grad) richtiggehend aus der Stadt treibt, also rauf auf den Exelberg.

Herrlich sonor bollert der Zweizylinder los und bald nach dem Anrollen steht fest: Das Datenblatt verspricht nicht zu viel. Die Cromwell 1200 geht untenrum motiviert ans Werk und das schon im ECO-Modus. Dieser passt, wie sich nach einem Wechsel in den Sportmodus zeigt, auch deutlich besser zur Brixton. Der Sportmodus ist direkt, beinahe digital, jedenfalls zu giftig abgestimmt. Sanft Gas anlegen um souverän aus dem Radius zu feuern wird zur echten Herausforderung. Man ist also mit dem ECO-Modus gut beraten und muss nicht oft zwischen den Modi wechseln. Das ist gewissermaßen ein Vorteil, denn dieser Wechsel erfordert ein sekundenlanges Halten der Mode-Taste.

Brixton Cromwell 1200: Ein gelungener Stilmix zwischen klassisch und modern

Nicht nur die, sich beim Moduswechsel ändernde, Displayansicht des kleinen TFT-Displays zeigt, schlechter Ablesbarkeit bei direkter Sonneneinstrahlung zum Trotz, Zugeständnisse an moderne Zeiten. Die Cromwell ist auch rundum mit in LED-Technik ausgeführten Leuchteinheiten ausgestattet. Vor allem die minimalistischen Blinker und die aufgesetzte Heckleuchte sind eine wahre Zier. Der von einem Tagfahrlicht umrundete Hauptscheinwerfer trägt als Hommage an einen Kompass die Buchstaben N,W,S,E, wie man es schon von anderen Brixton-Modellen kennt. Auch die klassischen Faltenbälge an der Teleskopgabel sind uns bereits bekannt.

Die Zweiton-Lackierung Timberwolf Grey unserer Testmaschine mit Linierung am Tank hingegen feiert in der Cromwell 1200 Premiere. Die beiden Grautöne verleihen dem Motorrad einen eleganten Auftritt mit viel Understatement. Wer es farbenfroher möchte, greift zur mintgrünen Variante Cargo Green, für Anhänger schwarzer Motorräder gibt es noch Backstage Black. Das erhabene Logo erinnert an den Union Jack, passend für eine Marke die nach einem Stadtteil Londons benannt ist. Auch die Sitzbank fügt sich stimmig ins Gesamtbild ein, allerdings ist sie etwas straff gepolstert. Die Verarbeitungsgüte und Haptik der Bedienelemente macht durchaus was her und hebt sich von den günstigeren Modellen der Marke ab. Man hat dazugelernt und verbirgt Kabelstränge und technische Notwendigkeiten, wie den Wasserkühler auf elegante Weise.

Ergonomie wie damals auf der großen Brixton

Ein gerader, eher schmaler, Lenker, ein ebenso gerader Sattel, ein entspannter Kniewinkel dank niedrig montierter Fußrasten. Gibt man einem Volksschüler Stift und Papier, um ein Motorrad zu zeichnen, wird die Silhouette der der Brixton Cromwell 1200 relativ ähnlich sein. Diese klassische Bauart bringt hinsichtlich der Ergonomie Vor- und Nachteile mit sich. Zum einen ist die Sitzhaltung aufrecht entspannt, zum anderen vermittelt die Position eher wenig Gefühl fürs Vorderrad und die Schräglagenfreiheit ist durch den Montagepunkt der Fußraster naturgemäß begrenzt.

Auch zu zweit lässt es sich auf der Cromwell 1200 aushalten, sofern man zusammen nicht mehr als 220 kg (maximale Zuladung) auf die Waage bringt. Die Federvorspannung an den beiden Stereo-Federbeinen ist, dem Oldschool-Motto folgend, leider nur per Hakenschlüssel verstellbar. Für den Weg zum Eiscafe reicht es trotzdem, das Platzangebot ist angemessen.

Fahrendes Motorrad

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Ausstattung auf hohem Niveau, aber Funktionsweise nicht immer 100% gelungen

Brixton lässt sich nicht lumpen und spendiert seinem neuen Flaggschiff, neben zwei Fahrmodi, dem obligatorischen ABS, auch eine (abschaltbare) Traktionskontrolle und sogar einen Tempomaten. So begrüßenswert dieser Schritt auch ist, wirkt es so als wäre bei der Abstimmung des Letztgenannten leider nicht ganz fertig entwickelt worden. Das Aktivieren des Systems erfordert ein (gefühlt) ewiges Halten des Knopfes, wir kennen es bereits vom Mode-Knopf, das Setzen einer Geschwindigkeit braucht Glück und Gefühl. Bei zu weit geöffnetem Gashahn funktioniert es gar nicht den Tempomat zu setzen, was zu folgendem Ablauf führt: Auf 150 km/h beschleunigen, dann möglichst oft auf den Knopf drücken und abwarten, ob das kleine Symbol im Display von gelb auf grün springt. Dass hier und auch beim Mode-Schalter einfach eine neue Programmierung Abhilfe schaffen könnte, die dann mittels Softwareupdate aufgespielt wird, bleibt zu hoffen.

Fahreindrücke Brixton 1200 Cromwell

In den kurvenreichen Hügeln des Wienerwalds konnten wir die Cromwell 1200 dann etwas von der Leine lassen. Die Gabel mit 120 mm Federweg hält, dem klassischen Auftritt folgend, ein 18 Zoll Vorderrad. Das Ansprechverhalten der Dämpfung ist in Ordnung, während das Einlenkverhalten doch spürbar von den Dimensionen des Vorderreifens beeinflusst wird und Kraft sowie ab und an eine korrigierende Hand braucht um den Kurs zu halten. Die Federbeine hinten bieten 87 mm Federweg und lassen sportliche Ambitionen nur sehr begrenzt zu, in Summe passt die Abstimmung aber zur Schräglagenfreiheit.

Die Nissin-Bremsanlage - 310 mm Doppelscheibe vorn und 260 mm Einzelscheibe hinten - kann hingegen positiv überraschen und steht der Leistung des 1200er Motors definitiv in Nichts nach. Hat man sich auf die obigen Umstände eingestellt, fährt sich die klassische Maschine mit dem druckvollen Twin sehr harmonisch (vor allem im ECO Modus). Souverän bollert man mit hohen Gängen auch durch engere Kehren. Selbst der in die Jahre gekommene Pirelli Phantom Sports Comp präsentiert sich als absolut passende Bereifung für die klassischen Speichenfelgen. Tatsächlich markieren die früh aufsetzenden Fußrasten das fahrdynamische Ende der Fahnenstange. Also einmal durchatmen und das Cruisen im Sattel der (von uns auf der 1000PS Viehwaage vollgetankt gemessene Gewicht von) 243,5 Kilogramm schweren Brixton genießen.

Der Preis der Brixton Cromwell 1200 ist heiß - volle Power zum Spartarif

Kommen wir zum vielleicht am schwesten wiegenden Argument für die Brixton Cromwell 1200, ihrem Preis. In Österreich kommt man auf 10.990 Euro, während man in Deutschland gar unter der 10.000 Euro Hürde bleibt. Aktuelle Angebote zur Brixton Cromwell 1200 in eurer Nähe findet ihr natürlich auf unserem 1000PS-Marktplatz. Um das in Relation zu setzen: Zu diesem Tarif gibt es bei der britischen Konkurrenz (die ebenfalls in Asien fertigt) gerade einmal die 900 Kubik Bonneville. Auf die Power des größeren Motor, Fahrmodi oder Tempomat muss hier obendrein verzichtet werden. Will man die in diesen Kategorien vergleichbare T120 sind gut 3500 Euro mehr fällig.

Fazit: Brixton Cromwell 1200 2022

Brixton will mit der Cromwell 1200 hoch hinaus! Exakt 1222 Kubik Hubraum in einem Reihen-Zweizylindermotor, der 82 PS und ordentliche 108 Newtonmeter Drehmoment bei nur 3100 Touren stemmt, stehen zur Verfügung - und benehmen sich im ECO Modus richtig gut. Die Komponenten stammen allesamt von renommierten Herstellern, sind aber von unterschiedlicher Güte. Das KYB-Fahrwerk ist klassentypisch lasch, während die Nissin-Bremsen samt Bosch-Elektronik überzeugen können. Optisch orientiert sich die Brixton nur grundsätzlich an der Klasse der großen Retro-Bikes, geht aber beim Design einen erfrischend eigenständigen Weg. Die Ausstattung braucht sich grundsätzlich nicht vor der Konkurrenz zu verstecken, bei der Bedienung (Fahrmoduswechsel, Tempomat) herrscht allerdings noch Optimierungsbedarf. Die Sitzposition entspricht wiederum dem Grundgedanken in dieser Kategorie - Gemütlichkeit zählt mehr als Sport. Die Brixton Cromwell 1200 ist eine preiswerte Bereicherung der Klasse!


  • erstaunlich souveräner Motor
  • angenehm dumpfer Sound
  • bequeme Sitzposition
  • gelungene Optik
  • umfangreiche Elektronik
  • namhafte Komponenten
  • gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
  • Bedienung der Elektronik verbesserungswürdig
  • Einlenkverhalten etwas träge
  • Schräglagenfreiheit begrenzt
  • Display bei direkter Sonneneinstrahlung schlecht ablesbar

Bericht vom 30.07.2022 | 44.877 Aufrufe

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