Was ist die bessere Reisemaschine? - Reiseenduro vs. Sporttourer

Die Vertreterinnen: KTM 1290 Super Adventure S vs Super Duke GT

Man sucht ein Motorrad für ausgedehnte Straßentouren, aber auch der Fahrspaß soll nicht zu kurz kommen. Wozu greift man? Reiseenduro, oder Sporttourer? Ein Punkt-für-Punkt-Vergleich der beiden Klassen.

Vor so einem allgemeinen Vergleich und gerade bei den nicht klar voneinander abgrenzbaren Motorrad-Arten ist es wichtig, deutlich zu erläutern, was genau verglichen werden soll. Die KTM 1290 Super Adventure S und die 1290 Super Duke GT stehen sich hier stellvertretend für alle anderen Reiseenduros und Sporttourer gegenüber. Als Reiseenduros bezeichnen wir große Enduros mit einem 19- oder 21-Zoll-Vorderrad. Sporttourer sind für uns tourentauglich gemachte Sportbikes oder Naked Bikes, wie zum Beispiel die Kawasaki Ninja 1000SX oder die BMW R 1250 RS. Sportliche Straßentourer mit 17-Zoll-Rädern, wie die Tracer-Modelle von Yamaha oder die XR-Modelle von BMW unterscheiden durch ihre Ergonomie von den Sporttourern. Sie fallen für uns eher in die Kategorie Crossover und bilden als hohe Tourer für die Straße ein eigenes Segment. Einige der hier genannten Argumente können auch auf die Crossover-Bikes umgelegt werden, heute geht es aber um die zwei Extreme: Langbeinige Enduros versus gebückte Sporttourer!

Der Stand der Dinge - Vergleich der typischen Ausstattung von Reiseenduros und Sporttourern

Der Aufrüst-Wettbewerb zwischen den Herstellern hat sich nur auf wenige Klassen so sehr ausgewirkt wie auf die Reiseenduros. Nun schon seit Jahren wachsen Hubraum, Leistung und auch das Ausmaß der Ausstattung bei den großen Adventure Bikes ohne Hemmung. Inzwischen sind wir auf einem Niveau von 136 PS (BMW R 1250 GS) bis zu 170 PS (Ducati Multistrada V4) angelangt. Auch die Mittelklasse mit um die 100 PS (Honda Africa Twin, Suzuki V-Strom 1050, KTM 890 Adventure) ist breit aufgestellt, nur Reiseenduros mit weniger Leistung sind eher Mangelware. Mit der Honda CB500X oder der Royal Enfield Himalayan gibt es noch ein paar Vertreter in der A2-Klasse, doch im offenen Segment hält für die "kleinen" Reiseenduros nur die Yamaha Tenere 700 mit ihren 73 PS die Stellung. Genauso breit wie die Leistungs-Spannweite, so unterschiedlich ist auch der Umfang der Ausstattung. Im Big Enduro Segment gibt es eigentlich nichts was es nicht gibt. Die Tenere konzentriert sich auf die Basics, die Ducati Multistrada möchte wie am Dönerstand "Einmal mit alles!". Ein allgemeiner Vergleich von Reiseenduros ist also schwierig aufgrund der großen Unterschiede. Bei den Sporttourern schaut es da schon homogener aus.

Bild von Der Horvath
Der Horvath

"Die Welt der Sporttourer siedelt sich fast ausschließlich in der Oberklasse an. Das liegt unter anderem aber auch an der wagen Definition dieser Gattung. Können bereits Modelle wie die Honda CBR500R, Kawasaki Ninja 650 oder Yamaha Tracer 7 als Sporttourer gewertet werden, oder werden sie in den Topf der Crossover geworfen? Geht man nach dem Stand der leistungsstarken Sporttourer wie KTM 1290 Super Duke GT, BMW R 1250 RS, Kawasaki Ninja 1000SX, oder die neue Suzuki GSX-S1000 GT, dann sprechen wir von top ausgestatteten Motorrädern, die in Sachen Elektronik Paket nur kaum Wünsche übrig lassen. Schließlich basieren sie fast immer auf Naked Bikes, die heutzutage den Supersportlern fast schon die Rolle der Technologieträger abgenommen haben. "

Wie Tag und Nacht? - Unterschiede im Fahrverhalten zwischen Reiseenduro & Sporttourer

Während es bei der Ausstattung und den technischen Daten teils sehr wohl Überschneidungen bzw. Übereinstimmungen zwischen Reiseenduros und Sporttourern gibt, ist das beim Handling eher nicht der Fall. Allein die verschiedenen Dimensionen der Bikes sorgen schon für unterschiedliches Fahrverhalten. Dabei sei angemerkt, dass mit "Dimensionen" nicht das Gewicht gemeint ist. Lustigerweise sind Reiseenduros, trotz der deutlich größeren Gestalt, nicht sonderlich schwerer als Sporttourer. Zum Beispiel wiegt die Super Adventure S 246 kg vollgetankt, die Super Duke GT 233,5 kg vollgetankt. Mit der BMW R 1250 RS gibt es sogar einen Sporttourer, der schwerer ist als die mächtige Super Adventure. Sporttourer sind also nicht immer leichter, doch die Masse ist auf einen schnittigen, niedrigen Körper verteilt, während Reiseenduros eher hoch und breit bauen. Im Fahrbetrieb wirkt sich das vor allem bei langsameren Geschwindigkeiten aus, hier kann die hohe Masse von Enduros, vor allem wenn sie auch noch mit Gepäck und Sozius beladen werden, etwas kippelig werden. Bei höheren Geschwindigkeiten relativiert sich das jedoch, die Super Adventure ist selbst das beste Beispiel einer im Radius sehr stabilen Reiseenduro. Auch die hochwertigen Fahrwerke der Enduros tragen hier ihren Teil dazu bei und ermöglichen heutzutage schon sehr sportliche Gangarten. Trotzdem lässt sich nicht leugnen, dass durch die längeren Federwege etwas Gefühl für die Straße und den Grip des Reifens verloren geht. Über den langen Weg spürt man einfach nicht so viel, wie durch die kurzen Beine der Sporttourer. Gekoppelt mit den kleineren Vorderrädern, lenkt es sich so leichter und präziser durch die Kurve.

Bild von Der Horvath
Der Horvath

"Das Stichwort liegt hierfür im Namen der Klasse: SPORT-Tourer. In den meisten Fällen sind moderne Sporttourer nicht mehr als verkleidete Naked Bikes, die sich hauptsächlich durch Aerodynamik und Sitzposition von ihren nackten Technikschwestern unterscheiden. Somit finden wir sportliche - und auch oft elektronische - Fahrwerke und den wohl wichtigsten Faktor für spritziges Fahrverhalten vor: Die Raddimension. Mit 17 Zoll Vorderrädern und Reifendimensionen wie Supersportler und Hyper Naked Bikes lassen sich auch die etwas behäbigeren Sporttourer äußerst zügig bewegen. Aufgrund der oft gestreckten Sitzposition braucht es aber auf manchen Modellen mehr Körpereinsatz, als auf einem Naked Bike, oder gar einer Reiseenduro mit hohem und breitem Lenker."

Die Körpergröße entscheidet?! - Ergonomie-Vergleich zwischen Reiseenduro & Sporttourer

Großen Anteil am Fahrgefühl hat aber nicht nur das grundlegende Handling des Motorrads, sondern auch die Sitzposition. Auf Reiseenduros sitzt man in der Regel höher und aufrechter, der Kniewinkel ist flacher und die Arme ruhen ohne Druck auf einem breiten Lenker. Zwar findet man auch auf Sporttourern, wie zum Beispiel der Super Duke GT, breite Lenker, doch öfter sind vorne Stummellenker mit Risern angebracht. Dadurch ergibt sich eine vorgestreckte, gebückte Sitzhaltung. Auf den Handgelenken liegt mehr Druck und der Kniewinkel ist spitzer. Vor allem der schmalere Lenker und die gedrungene Sitzposition sorgen auch dafür, dass sich auf vielen Sporttourern eher ein hängender Fahrstil anbietet, während auf Reiseenduros hauptsächlich gedrückt wird. Natürlich kann man wenn man das möchte auch auf der Enduro das Knie schleifen lassen oder Sporttourer in den Radius drücken, die Ergonomie geht aber jeweils klar in eine Richtung.

KTM 1290 Super Duke GT Sitzposition
Die Ergonomie eines Motorrads ist entscheidend für das Fahrgefühl. Nur wenn man sich wohlfühlt, kann man auch befreit ans Gas gehen.

Die Haltung am Bike wirkt sich aber nicht nur auf das Fahrverhalten aus, sondern es können dadurch auch manche Motorräder attraktiv oder zum Ausschlusskriterium werden. Die Größe des Piloten kann schon entscheidend sein. Generell ist die Annahme, dass Reiseenduros nur für Große Menschen und Sporttourer eher für kleinere Leute sind. Prinzipiell liegen die Tendenzen auch so, aber pauschal gültig ist das nicht. So bietet zum Beispiel die Super Duke GT dank schmaler Taille und flacher, breiter Sitzbank sehr viel Bewegungsfreiheit und Platz. Gleichzeitig sind zum Beispiel KTM 890 Adventure, BMW F 750 GS und sogar die große R 1250 GS auch für kurze Beine geeignet. Erstere hat einen niedrigen Schwerpunkt und schmale Taille, sodass auch unser 1,70 m Kameramann Carlos problemlos zu Boden kommt. Für die letzteren beiden gibt es wiederum niedrigere Sättel und sogar Tieferlegungskits. So lässt sich die Sitzhöhe gewaltig drücken und das hohe Ross wird zum Pony.

Auf der Suche nach maximaler Vielseitigkeit - Rad & Reifen für Reiseenduro & Sporttourer

Ein oft gehörtes Argument für die Vielseitigkeit von Reiseenduros ist die große Reifenauswahl. Grobstollige Offroad-Reifen aller Art sind sowieso schon seit jeher Markenzeichen der Enduros. Dank der Popularität des Adventure-Segments bieten aber mehr und mehr Reifen-Hersteller neben zahlreichen Touring-Pneus auch ihre sportlicheren Produkte in den typischen Enduro-Raddimensionen an. So gibt es zum Beispiel den sehr sportlichen Dunlop SportSmart TT auch für 19-Zoll-Vorderräder, also könnte auch eine Suzuki V-Strom oder die Super Adventure S mit dem Pneu mächtig Stoff am Asphalt geben. Zu beachten ist hier aber zusätzlich zur Dimension auch noch, ob sich die teils sehr hohen Lastindexe bei Reiseenduros mit den sportlichen Gummis vertragen.

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Der Horvath

"120/70-17 und 190/50-17. Reifendimensionen, die man häufig auf Sporttourern, oder eben Supersportlern oder Hyper Naked Bikes findet. Damit ist der Sportlichkeit keine Grenze gesetzt, weshalb auch theoretisch Slick-Reifen montiert werden könnten. Gut, diesen Anblick haben wir selbst auf unseren 1000PS Bridgestone Trackdays noch nicht häufig erlebt, jedoch sehen wir immer wieder Sporttourer mit Bereifungen wie dem Bridgestone S22, der sowohl auf der Straße, als auch auf dem Track glänzt. Auch diverse Touringreifen mit hoher Laufleistung können aufgezogen werden - an Vielseitigkeit mangelt es also nicht. "

Mit was reist es sich besser? - Reisetauglichkeits Vergleich Reiseenduro & Sporttourer

Offroad-Touren und Rennstrecken-Hatzerl mal außen vor gelassen, eigentlich geht es bei Enduros und Sporttourern vor allem um eines: Das Reisen! Doch wer bewältigt lange Touren besser? Bevor Langstrecken-Komfort überhaupt eine Rolle spielt, müssen zuerst die eigenen sieben Sachen am Bike verstaut werden. Auf ein Reisemotorrad muss genügend Gepäck passen, sowohl physisch als auch rechtlich. Für Zweiteres ist die maximal erlaubte Zuladung entscheidend. Man würde meinen, dass Reiseenduros durch ihre Größe auch mehr aufladen können, doch ein Blick in die Zulassungsscheine offenbart, dass es ausgewogen zwischen den beiden Parteien ist und manche Sporttourer sogar mehr Zuladung erlauben, als das Adventure-Pendant. Zum Beispiel beträgt die Zuladung der BMW R 1250 GS serienmäßig 216 kg, auf der R 1250 RS sind es aber 217 kg. In welcher Form diese Masse draufgepackt wird, hängt vom Fahrer ab. Für beide Motorrad-Arten gibt es Gepäcklösungen jeglicher Art, wobei hier die Reiseenduros in puncto Vielfalt des Angebots die Nase vorne haben. Aber auch für Sporttourer gibt es genug Möglichkeiten und wenn vielleicht das Original-Zubehör nicht das gewünschte System bietet, wird man fast mit Sicherheit am üppigen Zubehörmarkt fündig.

Reiseenduro vs Sporttourer Vergleich
Zuladung, Verbrauch, Reichweite - In vielen Belangen liegen Reiseenduros und Sporttourer nah beieinander.

Auch wichtig auf Reisen ist die Reichweite. Hier schenken sich die beiden konkurrierenden Gruppen nichts. Es kommt auch nicht wirklich auf die Art des Motorrads an, sondern am ausschlaggebendsten ist die Art des Motors, die Fahrweise und die Größe des Tanks. Luftwiderstand und Gewicht haben zwar einen Einfluss, ändern am Verbrauch aber eher nur marginal etwas. Gut sichtbar ist das an Modellreihen, wo sich die Reiseenduro und der Sporttourer die gleiche Motor-Basis teilen. Bei der 1290er-Serie von KTM verbraucht die Super Adventure S 5,38 l/100km, die Super Duke GT 5,89 l/100km. Der höhere Verbrauch bei der GT kommt vor allem durch die Abstimmung des Motors in Richtung einer höheren Endleistung und den dadurch bedingten höheren Drehzahlen zustande. Umgekehrt sieht es zum Beispiel bei der 1250er-Reihe von BMW aus, wo die GS 5,99 Liter pro 100 Kilometer verbraucht und die RS nur 5,22. Die Tankgrößen hängen stark vom jeweiligen Modell ab. Die Super Duke GT hat mit 23 l Tankvolumen sehr viel Platz für Kraftstoff (gleich viel wie die Super Adventure), die BMW R 1250 RS mit 18 Litern etwas weniger. Man könnte argumentieren, dass mit Sporttourern generell flotter, also auch mit mehr Verbrauch gefahren wird, doch auch auf den modernen, sehr leistungsstarken Adventure-Bikes kann man schnell den Verbrauch durch hemmungslose Anraucherei in die Höhe treiben.

Mehr Motorrad = Mehr Geld? - Die Kostenfrage

Zu guter Letzt der vielleicht wichtigste Punkt: Die Kostenfrage. Einen pauschalen Preis für ein ganzes Motorradsegment zu nennen, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit, vor allem bei solch großen Spreizungen wie bei den Reiseenduros. Unser Zugang dazu war, dass wir einfach die Motorrad-Statistiken des vergangenen Jahres zu Rate gezogen und den Durchschnittspreis der drei bestverkauften Reiseenduros bzw. Sporttourern ausgerechnet haben.

Die meistverkauften Sporttourer
Die meistverkauften Sporttourer liegen im Durchschnitt preislich sogar über den meistverkauften Reiseenduros.

Generell ist das Adventure-Bike Segment als sündhaft teuer verschrien. Umso überraschender ist es, dass der Durchschnittspreis der drei meistverkauften Reiseenduros unter dem der Sporttourer liegt. Grund dafür ist wahrscheinlich vor allem, dass die Yamaha Tenere 700, platziert hinter der BMW R 1250 GS (19.490€) und vor der Honda Africa Twin (15.990€), mit ihren 10.899 € (alle in Preise für AT) den Durchschnittspreis deutlich senkt. Umgekehrt sind die Sporttourer aber durch die Bank keine Schnäppchen. Die meistverkaufte BMW R 1250 RS kostet 16.950 €, auf Platz 2 liegt die Kawasaki Ninja 1000SX mit 15.799 € und die drittmeistverkaufte KTM 1290 Super Duke GT kostet mit 22.499 € mehr als alle anderen, Reiseenduros eingeschlossen. Somit ergibt sich ein Durchschnittspreis von 15.460 € für die Reiseenduros und 18.418 € für die Sporttourer.

Zusätzlich zum Anschaffungspreis kommen noch die laufenden Kosten. Wieviel man an Versicherung und für Wartung abdrücken muss, hängt von vielen Faktoren ab und kann von uns unmöglich beziffert werden. Aber durch die Wartungsintervalle weiß man zumindest, wie oft man in der Werkstatt vorstellig werden muss. Hier haben die Sporttourer leicht die Nase vorne. Die BMW muss alle 10.000 km zum Service, die Kawasaki alle 12.000 km. Den "Sieg" in dieser Kategorie holt die Super Duke GT mit einem Wartungsintervall von 15.000 km. Bei den Enduros begnügen sich Yamaha und BMW mit 10.000 km. Nur die Africa Twin kommt 12.000 km weit.

Wer ist nun besser? Sporttourer oder Reiseenduros?

Zum Glück gibt es darauf keine eindeutige Antworte, denn Motorräder sind und bleiben eine emotionale Entscheidung. Daten lassen sich ewig herumwälzen und bis ins kleinste Detail analysieren, schlussendlich entscheidet bei den meisten jedoch auch der Bauch mit, und das ist gut so. Hoffentlich konnte dieser Bericht dennoch die Unterschiede, Vor- und Nachteile von Sporttourern und Reiseenduros hervorkehren und verdeutlichen, sodass ihr euch sowohl mit Vernunft, als auch mit dem Herzen schlussendlich für das richtige Motorrad entscheidet.

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Bericht vom 08.10.2021 | 51.482 Aufrufe

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