Aprilia RSV4 Factory 2021

schön schnell

Eigentlich sollte es nur ein Euro 5 Upgrade werden. Doch am Ende legte Aprilia kräftig Hand an. Die Maschine wurde schöner und nochmal schneller und bietet einen hohen Reifegrad. Getestet wurde in Misano.

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Aprilia Fans sind gefürchtet in der 1000PS Redaktion. Wann immer ein neues Modell aus Noale erscheint, fordern die Aprilianer unfassbar vehement einen Test auf 1000PS ein. Wobei schon erste Gerüchte über ein neues Motorrad sofort eifrige Kommentare und Postings hervorrufen. Wirklich deftig wurde es 2021. Da gab es schon zahlreiche Tests der neuen Aprilia RSV4 1100 Factory im Netz zu sehen und 1000PS hatte immer noch keinen Test am YouTube Kanal und im Magazin online. Doch diesmal waren wir von 1000PS mindestens genauso empört. Denn der Test fand statt - ohne uns. Aprilia hat uns leider nicht zum Test eingeladen. Eventuell reichen 300.000 Abonnenten auf YouTube noch nicht - helft mit liebe Aprilia Fans und macht unseren Rücken noch breiter.

Auf Keller Motos ist Verlass

Doch auf den engagierten Händler "Keller Motos" ist Verlass. Er ermöglicht nicht nur uns, sondern auch seinen benzinverrückten Stammkunden ein wunderbares Wochenende in Misano. Die Freunde des Hauses bringen ihre eigenen Töffs mit und dürfen vor Ort die Traumbikes der Saison 2021 aus dem Hause Keller Motos testen. Raphael Keller, der ambitionierte Supersport-Kenner mit Erfahrungen aus der italienischen Meisterschaft, weiß wovon er spricht. Er hat die Testmaschine mit praxistauglichen und unkomplizierten Pirelli Slicks (SC1 vorne, SC3 hinten) ausgerüstet. Nicht viel Arbeit hatte er beim Setup. Es wurde der "Track 1" Modus aktiviert. Damit stand die Maschine bereit für einen herrlichen Test in Misano.

Neuer Name im Jahr 2021 - Aprilia RSV4

Gleich zu Beginn möchten wir Darsteller ins rechte Licht rücken. Aprilia rückt wieder einmal von der gewohnten Namensgebung ab und gleist eine neue Logik auf. Man möchte das "RSV4" Kürzel stärken. Insofern spricht man beim "Einstiegsmodell" nur noch von der "RSV4" - das "RR" entfällt. Die Factory wird weiterhin als "RSV4 Factory" geführt. Hier ein Überblick über die bisherigen V4 Supersport Modelle von Aprilia samt Marktplatz-Preisen.

Aprilia RSV4 Factory 2021 - Die Neuheiten

Glücklicherweise blieb es beim 2021er Modell nicht nur bei einem Euro 5 Upgrade. Das Motorrad bekam auch einige optische Neuerungen um das neue Modell sichtbar aufzuwerten. Am deutlichsten sichtbar wird das bei der neuen Front inklusive LED Lichter sowie bei der ausgesprochen gut gelungenen Unterzugschwinge. Die Winglets sind unglaublich extrovertiert integriert. Besonders von vorne wirkt das Motorrad wie von einem anderen Stern. Trotzdem: Das Design wirkt wie aus einem Guss. Gute gemacht wurde übrigens auch die Integration der vorderen Blinker in die vorderen modernen LED Schweinwerfer. Die Front zieht sich nun durch die moderne Palette durch. Auch die 660er und natürlich die Tuono teilen sich das neue Antlitz.

Grundsätzlich ist man als Kenner der RSV4 immer ein wenig skeptisch, wenn Aprilia am Chassis Hand anlegt. Gefühlt fährt die Maschine ohnehin schon perfekt. "Never touch a running system"- dieser Spruch passt perfekt für das ausgewogen stabile und präzise Fahrverhalten vom V4 Supersportler. Doch wenn die Evolution so sexy ist wie die neue Unterzugschwinge, möchten wir gerne eine Ausnahme machen und sind offen für Veränderungen. Laut Aprilia wurde die Schwinge um 30% steifer aber auch um 600 Gramm leichter.

Aprilia RSV4 1100 Factory Motor

Still und heimlich verpassten die Aprilia-Ingenieure dem Motor ein dezenter Hubraumupdate. Das neue Motorrad darf auf 1099 ccm Hubraum (bisher 1077 ccm) setzen. Aprilia konnte so auch in Zeiten von Euro 5 das hohe Leistungsniveau halten. Die Spitzenleistung beträgt laut Aprilia 217 PS bei einem Drehmoment von 125 Nm.

Aprilia RSV4 1100 Factory 2021 am Prüfstand
Der Ausdruck vom Aprilia Prüfstand verspricht grundsätzlich eine lineare Leistungsentfaltung mit einem kleinen Kick bei rund 8.000 Umin.

Sitzposition Aprilia RSV4 1100 2021

Im Sattel der neuen Aprilia werden Kenner der Maschine erstmal verwundert sein. Aprilia hat das Chassis unverändert belassen. Auch wenn eine neue Schwinge im Chassis steckt, das Chassis blieb gleich. Doch die Sitzposition fühlt sich anders an. Das liegt einerseits an den veränderten Platzverhältnissen durch den besseren Übergang von Tank zu Sitzbank. Man hat nun gefühlt mehr Platz und Bewegungsfreiraum. Auf der anderen Seite wurden die Fußrasten und die Sitzbank um 9 mm abgesenkt.

Trotz der abgesenkten Sitzbank sitzt man immer noch gefühlt sehr hoch oben. Etwas bedrohlich wirkt das jedoch nur beim Rangieren in der Box. Doch draussen auf der Strecke begibst Du Dich vollautomatisch in die richtige Position. In den Kurven lutscht Du gefühlt am Vorderreifen und es zieht Dich förmlich nach vorne zur Front. Das Raumangebot für den Oberkörper ist toll und die Arme finden immer den Weg zum Tank um Dir dort zusätzlichen Halt zu geben.

Aufreger
Die Winglets sorgen für Aufregung im Fahrerlager, sollen aber eigentlich für Ruhe bei hohen Geschwindigkeiten sorgen

Aprilia RSV4 Factory 2021 im Test - Der Motor

Der zusätzlich Hubraum ist im Sattel natürlich nicht spürbar. Der Motor ist einfach nur stark und präsent. Im Drehzahlkeller ist er wie die anderen Supersport-Aggregate auch kein Wunderknabe, doch er spricht zumindest sauber an und sorgt für Vortrieb. Das Inferno startet ab der Mitte und endet offenbar nie. Die Maschine im 2er oder 3er in den Begrenzer zu drehen erfordert jede Menge Mut. Die Geräuschkulisse wird bedrohlich und der Schub infernalisch. Wobei die Winglets an dieser Stelle vermutlich so groß sein könnten wie die Flügel von einem 380er Airbus - die Wheelyneigung wäre trotzdem noch vorhanden. Doch was die Flügel nicht schaffen kriegt die Elektronik im Griff. Das Vorderrad tänzelt in den Beschleunigungsphasen leicht und die Maschine schiebt präzise und vehement nach vorne.

Erwähnenswert ist auch das Upgrade beim Katalysator. 2021 kommt ein neues Modul mit einer Keramikträgerplatte zum Einsatz. Dieses kommt schneller auf Betriebstemperatur und ermöglicht so die Erfüllung der EU5 Normen. Nach wie vor setzt Aprilia auf eine Lösung ohne Vorschalldämpfer und montiert den KAT direkt vor dem Endschalldämpfer.

Mehr Power für die Elektronik

Im Sattel spürt man aber vermutlich am deutlichsten die unsichtbare und unspektakuläre neue ECU. Hier setzt man auf mehr Rechenpower und hochwertigere Hardware. Zum Einsatz kommt eine moderne Marelli 11MP ECU. Die neue ECU sorgt für ein noch feinfühligeres Regelverhalten sämtlicher relevanten Systeme. Der Motor wurde also nicht stärker, fühlt sich aber durchaus manchmal noch kräftiger an. Möglich wird dies durch das feinere Regelverhalten der Traktionskontrolle am Kurvenausgang. Diese neue Elektronik ist vermutlich insgesamt das größte Plus der Maschine. Mag sein, dass der Drehomentverlauf etwas besser wurde. Doch im Sattel profitiert man von der unfassbar präzise und geschmeidigen Traktionskontrolle. Man bringt das Drehmoment nun offenbar besser auf den Asphalt was das Gefühl "die ist stärker als bisher" aufkommen lässt. Möglicherweise erntet man aber hier auch die Früchte der neuen Schwinge. Wie auch immer: Aprilia hat es geschafft ein sehr gutes Motorrad noch besser zu machen.

Echte Schwächen findet man am Motorrad nicht. Der Quickshifter ist in der Bedienung nicht so narrensicher wie der Rest vom Paket. Beim Hochschalten muss man diszipliniert und präzise vorgehen um Lastwechsel zu vermeiden. Die Schaltimpulse müssen knackig und flink durchgeführt werden. Das Display ist OK, die Setupmöglichkeiten ebenso - doch trotzdem hätten etwas mehr Liebe zum Detail dem Bildschirmaufbau gut getan. Die grobschlächtige Optik passt nicht gut in das edle Gesamtbild.

Großartiges Chassis - Auch im Jahr 2021

Ein großes Heimspiel und immer noch die größte Stärke der Aprilia ist der Kurveneingang. Diese Sektion lässt viele Hobbyfahrer verzweifeln. Die Kurven wollen im Sattel von anderen Bikes einfach kein Ende nehmen. Bei Aprilia hat man das elektronische Öhlins-Fahrwerk geradezu perfekt in das Chassis integriert. Die RSV4 Factory saugt sich geradezu in Richtung Innenstrich und lässt Dich bei der Linienwahl glänzen. Die Aprilia Chassis-Ingenieure sind vermutlich die besten Welt. Mag sein, dass ihre Bosse im Piaggiokonzern das nicht wirklich wissen, doch wir im Fahrerlager freuen sich immer wieder aufs Neue über das tolle Fahrverhalten der Aprilia Modelle.

Geiles Teil
Die neue Schwinge mit Unterzug sorgt für mehr Steifigkeit - auch im Chassis.

Preisvergleich Supersportler in der 200PS Liga.

Bei all des Lobes muss man die Fahrleistungen aber auch in Relation setzen. Die Ingenieure machten zwar einen guten Job, haben aber keine Wunder bewirkt. Die tollen Fahrleistungen sind das Ergebnis von hochwertigen Komponenten und teuren Zutaten. Die Maschine siedelt sich beim Preisvergleich mit den anderen Supersportlern eher weiter oben in der Liste ein. Damit kommt sie jenen Leuten entgegen, welche die Maschine gerne fix fertig kaufen und keine große Lust auf Tuning-Abenteuer haben.

Am Ende des Tages hat sich Aprilia beim Update des schnellen Modells keine Fehler erlaubt. Das Motorrad wurde durch die neue Elektronik besser und die neue Front lässt sie ganz klar und unverkennbar als neues Modell wirken. Sie wirkt optisch durch die breiten Flügel zwar bullig und breit, doch sie fährt immer noch spielerisch handlich und wunderbar harmonisch. Ein tolles Supersport-Motorrad!

Fazit: Aprilia RSV4 1100 Factory 2021

Du möchtest ein Motorrad welches Dir ohne einen einzigen Handgriff und ohne jegliche weitere Investition gute Rundenzeiten serviert? Dann nimm die Aprilia RSV4 Factory. Sie ist aus der Kiste jenes Motorrad welches die schnelle Linie am einfachsten trifft und damit Hobbyracern und energische Piloten sofort gute Rundenzeiten abliefert. Am Kurvenausgang kann man die Power 2021 noch besser nutzen - die neue ECU macht einen guten Job. Das exklusive Traummotorrad aus Noale wurde wieder einmal besser gemacht.


  • Tolles elektronisches Fahrwerk bietet spielerisch perfektes Setup direkt aus dem Schauraum
  • bärenstarker Motor
  • wunderbares Gefühl für das Vorderrad
  • Tolle Sitzposition
  • Schnelle Rundenzeiten gelingen im Serienzustand einfach unfassbar einfach
  • etwas zu lange Serienübersetzung
  • billig wirkender Kupplungshebel
  • Quickshifter verlangt nach Disziplin für perfekte Funktion
  • grobschlächtige Bildschirmdarstellung

Bericht vom 02.06.2021 | 36.655 Aufrufe

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