Kawasaki Ninja 650 2023 im Test

Ibizas Toprouten im Sattel des Sporttourers

Kommt man als Österreicher auf der traumhaft schönen Baleareninsel an, schießen immer noch reflexartig Bilder des größten Politskandals der letzten Jahre in den Kopf. Glücklicherweise brachte mich die zweitägige Testfahrt auf der Kawasaki Ninja 650 sehr rasch auf andere Gedanken.

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Kawasaki Ninja 650 Modellupdate für 2023

Die Kawasaki Ninja 650 ist in den Grundzügen seit 2018 am Markt, wobei 2020 ein umfangreicheres Update (im Wesentlichen neues Display samt Connectivity und aufgefrischte Optik) anstand. 2023 spendiert Kawa seinen 650er Modellen nun eine Traktionskontrolle, sowie LED-Blinker rundum. Eine Modernisierung die beiden Modellen gut tun sollte.

Die Konkurrenz schläft nicht

Diese Neuerungen kommen nicht zufällig, sondern sollen die Ninja 650 für die nächsten Jahre konkurrenzfähig halten. Schließlich ist der Markt über die letzten Jahre mit Modellen wie der Honda CBR650R, der Yamaha R7 oder auch der Aprilia RS 660 attraktiv angereichert worden. Wie sich Kawas kleiner Sportler hier einordnet, werde ich am Ende des Testberichts klären.

Neues reiht sich um viel Bewährtes bei der Ninja 650

Unter der Verkleidung in der frischen, gelungenen KRT-Lackierung, arbeitet nach wie vor der aus so vielen Modellen bekannte 649 Kubik Reihen Zweizylinder. Mit 68 PS bei 8.000 U/Min und 64 Nm bei 6.500 U/Min entsprechen auch die Leistungsdaten dem Vorgänger. 193 Kilogramm fahrfertiges Gewicht und eine Sitzhöhe von gerade einmal 790 Millimetern ergeben ein Paket, das den Fahrer niemals überfordert.

Immer noch unter den besten der Klasse, reiht sich das 4,3 Zoll große TFT Farbdisplay ein. Die Ablesbarkeit ist auch bei direkter Sonneneinstrahlung ausgezeichnet, die angezeigten Zahlen werden gestochen scharf und in ausreichender Größe dargestellt. Der Wechsel zwischen Tag und Nachtmodus geht leicht von der Hand. Neu für 2023 ist die Anzeige der eingestellten Traktionskontrollstufe links oben im Display. Die Bedienung erfolgt intuitiv über einen Schalter am linken Lenkerende.

Was ist die Ninja 650 nun - Sporttourer oder doch Supersportler?

Diese Frage ist selbst bei Kawasaki nicht endgültig beantwortet. So findet sich die Ninja 650 auf der Website von Kawasaki Deutschland unter der Modellfamilie Supersport-Sport, während die Kollegen aus Österreich sie unter den Sporttouring-Modellen kategorisieren. Was stimmt nun? Um es kurz zu machen: Die Österreicher haben Recht, heiliger Name Ninja hin oder her. Wer schon einmal auf einem echten Supersportler Platz genommen hat, wird im Sattel der 650er hinsichtlich des gebotenen Komforts positiv überrascht sein. Zudem müssten bei Fahrwerk und Bremsen Hand angelegt werden, um aus der Ninja ein Rennstreckenmotorrad zu machen.

Ergonomie-Feintuning der Kawasaki Ninja 650 durchs Zubehör

Das Zubehör bietet einige Möglichkeiten die Ninja 650 nach persönlichen Vorlieben und dem angedachten Einsatzzweck zu individualisieren. Hier gibt es den höheren Windschild und die Seitentaschen für den Touringtrimm ebenso, wie die Soziussitzabdeckung und den sportlichen getönten Flyscreen für den sportlichen Auftritt. Das wohl wichtigste Teil für Großgewachsene im Programm ist aber die höhere Sitzbank. Die Sitzhöhe beträgt mit ihr 810 mm, also 20 mm mehr als die Seriensitzbank. Das klingt nach nicht viel, verändert aber doch einiges. Erstens entspannt sich der sportlich spitze Kniewinkel merklich, zweitens hat man ein besseres Gefühl für die Front. In Summe ist die Kawasaki ein auch für größere Piloten ein ergonomisch überraschend passendes Motorrad.

Im Dialog mit kleiner gewachsenen Kollegen, stellte sich heraus, dass auch für Personen bis 1,75 Meter die höhere Sitzbank mehr Vor- als Nachteile bringt. Verminderte Standsicherheit ist bei der Ninja 650 nicht zu befürchten, da sie um die Fahrzeugmitte ohnedies schlank baut. Die Kehrseite der Medaille ist der schlechtere Windschutz für den Oberkörper. Am Ende des Tages kommt es natürlich auch auf die individuellen Präferenzen an: Sitze ich lieber ins Motorrad integriert oder auf dem Motorrad? Welche Konfiguration besser passt, lässt sich praktisch nur bei einer Probefahrt wirklich herausfinden, zu der ich hiermit jeden Interessenten eindringlich aufrufe.

Kawasaki Ninja 650: Fahreindrücke im Balearen-Winkelwerk

Die renommierte Partyinsel Ibiza bietet insbesondere in der Nebensaison herrlich ruhige Straßen, die kleine Insel ist an einem Halbtag locker zu umrunden. Für die absolute Einsamkeit gilt es Ibiza-Stadt und das unmittelbare Umfeld zu meiden. Kawasaki hat an den zwei Testtagen jeweils ab Ibiza Stadt startend großartige Testrouten ausgewählt, die ich mittels Calimoto mitgetracked habe. Der Strecke an Tag 1 folgend erkunden wir dabei eher den Norden der Insel, während wir die Vorzüge des Südwestens während unserer Fahrt an Tag 2 kennenlernen.

Beiden Tracks gemein ist, dass sie für ein Motorrad wie die Ninja 650 wie geschaffen scheinen. Wenige wirklich lange Geraden wechseln sich mit unzähligen langsamen und schnelleren Kurven ab. Die Ninja kann in letzteren ihre Stabilität bei höheren Geschwindigkeiten durch die Verkleidung voll ausspielen. Aber auch in Wechselkurven ist sie dank den geringen Gewichts, des agilen 160er Hinterreifen und des kurzen Radstands alles andere als träge. An die Quirligkeit der ebenfalls getesteten Z650-Schwester kommt sie bauartbedingt jedoch nicht ganz heran. Fährt man ohne Messer zwischen den Zähnen, bietet die Ninja ein ausgewogenes Paket aus Langstreckenkomfort und Dynamik. Nur wer es wirklich wissen will, erfährt das leichte Aufstellmoment beim Reinbremsen in Kurven. Das bis auf die Vorspannung im Heck nicht einstellbare, simple Fahrwerk kommt beim Fahren auf der letzten Rille rasch an seine Grenzen. Ärgerlich: Zum Verstellen der Vorspannung des Federbeins muss eine Abdeckung entfernt werden, ohne Hakenschlüssel geht nichts.

Die Bremsen lassen scharfen Initialbiss vermissen, sind darauf ausgelegt nicht zu überfordern. Daher schaltet man - im übertragenen nicht im wörtlichen Sinne - am besten einen Gang zurück und genießt die frische Waldluft und die romantische Landschaft.

Leicht abrufbare Leistung zeichnet dieses zugängliche Motorrad aus

Das eng abgestufte Sechsganggetriebe der Kawasaki suggeriert dem Piloten mehr Leistung als der Twin tatsächlich bietet. Die Abstimmung ist wunderbar gelungen und das Getriebe arbeitet auch ohne Schaltautomat vorbildlich. Ein beinahe infernalisch klingendes Ansauggeräusch, das sich ab 5.500 Touren entwickelt beendet rasch Debatten über das vermeintlich emotionsarme 650er Aggregat. Man ertappt sich dabei, die Gänge über Gebühr auszudrehen, einfach weil es im Sattel lässig klingt, nicht, weil es fahrdynamisch notwendig wäre. Der Zweizylinder liefert schon im mittleren Drehzahlbereich ausreichend Druck.

Bei aller Emotion bleibt die Ninja ein absolut zugängliches Eisen, das man getrost auch einem Fahranfänger in die Hände drücken kann. So verwundert es nicht, dass eine auf 48 PS gedrosselte A2-Variante der 650er erhältlich ist. Die Drosselung erfolgt elektronisch, sodass ein kurzer Besuch bei der Kawasaki-Vertragswerkstätte ausreicht um die vollen 68 PS zur Verfügung zu haben, sobald man im Besitz eines große A-Scheins ist.

Ausstattung auf aktuellem Niveau - Traktionskontrolle, ABS, Assist-Kupplung

Ein Feature, das nicht nur Neulingen das Leben im Sattel leichter macht, ist die mit 2023 serienmäßige Traktionskontrolle. In der Regelstufe 2 verhindert sie brenzlige Situationen noch bevor der Fahrer überhaupt merkt, dass es zu einer solchen kommt. Sie ist bei Nässe oder sonstigen Untergrundverhälltnissen mit wenig Grip die richtige Wahl. Die Stufe 1 verschiebt das Regelniveau ordentlich nach oben. Auf den trockenen rauen Straßen Ibizas bei Temperaturen um die 15 Grad musste man Eingriffe richtiggehend provozieren. Der Eingriff erfolgt dann spürbar, aber nicht störend. Dass die Traktionskontrolle auch komplett ausschaltbar werden kann, ist aufgrund des wirklich sportlichen Modus 1 wohl nur für die wenigsten Fahrer interessant, soll hier der Vollständigkeit aber erwähnt werden. Abschließend möchte ich erwähnen, dass das Testfahrzeug mit dem Bridgestone S22 und nicht mit dem normalerweise als Erstausrüstung montierten Dunlop Sportsmart 2 bestückt war. Der Premiumpneu in den Dimensionen 120/70/17 vorne und 160/60/17 hinten ist eine ideale Wahl auf dem kleinen Sporttourer.

Schon seit Einführung der Kawasaki Ninja 650 ist das ABS serienmäßig verbaut, das ändert sich selbstverständlich auch 2023 nicht. Die Systeme werden von Bosch und Continental bezogen und arbeiten im Landstraßenbetrieb absolut zufriedenstellen. Abschaltbar ist der Blockierverhinderer nicht.

Ein oft unterschätztes Feature ist die Assistkupplung bzw. Anti-Hopping-Kupplung. Sie verhindert beim raschen Runterschalten ein Stempeln des Hinterrades. Gerade in Kombination mit forschem Anbremsen einer Kurve wird die Spur des Sporttourers sicher gehalten und der Pilot kann sich auf die ideale Linienwahl konzentrieren.

Mit der Ninja auf Reisen? Verbrauch, Reichweite, Tankinhalt

Wie erwähnt lässt es sich auf der Ninja mit passendem Zubehör eine ganze Weile aushalten, was den Sporttourer auch für längere Reisen interessant macht. Hier kommt dem Sporttourer auch der geringe Verbrauch zu Gute. Rund 4,5 Liter verlangt die Ninja 650 auf 100 km. In Kombination mit dem 15 Liter großen Spritfass ergeben sich Reichweitenwerte jenseits der 300 km. Die Kawa muss sich diesbezüglich also nicht verstecken. Nur für kürzere Etappen würde ich das Fahren mit Sozius auf dem Sporttourer empfehlen, zumindest großgewachsene Mitfahrer müssen schon ein gewisses Maß an Leidensfähigkeit mitbringen, um länger auf dem Pölsterchen zu verweilen, denn der Kniewinkel ist sehr spitz. Bei einer Zuladung von lediglich 180 Kilogramm erledigen sich Gedanken in diese Richtung bei vielen aber vermutlich ohnedies von selbst.

Ninja 650: Konkurrenz im Kurzduell

Grundsätzlich sind hier, wie erwähnt Honda CBR650R, Yamaha R7 und mit Abstrichen die Aprilia RS 660 zu nennen.

Aprilia RS 660: Preislich auf einem anderen Stern, aber auch mehr Leistung, Ausstattung und Elektronik, nicht A2-tauglich; schlank und agil, daher Vorteile auf der Rennstrecke aber nicht zum Touren geeignet.

Yamaha R7: Etwas teurer, leichter und sportlicher, deutlich weniger Komfort, noch zierlicher, daher für große Piloten nur eingeschränkt zu empfehlen; kein TFT Display, keine Traktionskontrolle, Motor mit Punch.

Honda CB650R: Etwas teurer, deutlich schwerer aber auch stärker, baut kompakt, kein TFT Display, Traktionskontrolle nur on oder off, Reihen-Vierzylinder-Motor muss gedreht werden.

Kawasaki Ninja 650 2023 Preis und Verfügbarkeit

Am Ende geht es doch fast immer um den schnöden Mammon. Interessierte müssen sich jetzt aber nicht fürchten. Die Kawasaki Ninja 650 gibt es in Österreich um 8799 Euro, in Deutschland um 8595 Euro und in der Schweiz um 8990 CHF. Gute Nachricht: Die Ninja 650 ist ab sofort am Markt verfügbar! Wenn ihr euch entschieden habt, dass es Zeit für die 650er ist, inseriert doch eurer Noch-Motorrad am 1000PS Marktplatz. Dort findet ihr auch gleich aktuelle Angebote zur Ninja 650 in eurer Nähe.

Fazit: Kawasaki Ninja 650 2023

Die Kawasaki Ninja 650 rein nach ihrer Papierform zu bewerten wäre ein schwerer Fehler. Der zweitägige Test hat wieder einmal gezeigt, dass Leistungsdaten am Stammtisch größeres Gewicht haben, als in der freien Wildbahn. Der Sporttourer von Kawa macht genau das, was er soll und ist dank der stetigen Überarbeitung und der für 2023 neu hinzugekommenen Features, nach wie vor eine Bereicherung für die Klasse. Lediglich Hobby-Racer sollen gewarnt sein, schürt der Name Ninja doch nach wie vor eine gewisse Erwartungshaltung, die die 650er nicht vollumfänglich erfüllt.


  • tourentauglich
  • komfortabel
  • Sicherheitspaket
  • sehr zugänglich
  • ergonomisch vielseitig
  • typische Ninja-Optik
  • Fahrwerk und Bremse nur durchschnittlich
  • Einstellen des hinteren Federbeins mühsam

Bericht vom 22.02.2023 | 31.056 Aufrufe

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