Bosch entwickelt Unfall Erkennungssystem

Wir waren bei Motorrad Crash Tests LIVE dabei

Auch wenn wir als Motorradfahrer nicht gerne daran denken, kann es immer passieren: ein Unfall. Wenn alles gut geht, stehen wir danach auf, ärgern uns über den Schaden am Bike, können aber auf eigenen Füßen weitergehen. Doch was tun, wenn man nicht so viel Glück hat und man vielleicht sogar nicht mehr selbst um Hilfe rufen kann? Bosch arbeitet an einem eCall System, das uns Bikern das Leben retten könnte.

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Die Bosch Unfallforschung - für unsere Sicherheit

Seit 15 Jahren beschäftigt sich Bosch mit der Unfallforschung und der Entwicklung von Sicherheitssystemen für Motorräder. Begonnen hat natürlich alles mit ABS-Systemen, die bis zur heutigen MSC (Motorcycle Stability Control), oder auch Kurven-ABS genannt, mit 3-Achsen-Sensorik fortgeschritten sind. Hinter diesen Entwicklungen steckt jedoch viel Forschung, die Bosch seit Jahren im Hintergrund betreibt. Dazu nutzt das Unternehmen neben eigenen Crash Tests die Datenbank der GIDAS (German In-Depth Accident Study), einer Organisation, die Unfälle mit Personenschaden genau analysiert und aus jedem Einsatz circa 3.000 Informationen gewinnt. Diese Unfallparameter beinhalten Daten über den Unfallhergang, den entstandenen Schaden und viele weitere Faktoren, die für die Forschung interessant sind.

Um sich auf die verschiedenen Märkte anpassen zu können, betreibt Bosch nicht nur in Deutschland, sondern seit 2009 in Indien und China, sowie seit 2016 in Brasilien Unfallforschung. Aktuell wird ein vergleichbares Programm in Südostasien aufgebaut.

Erkenntnisse der Bosch Unfallforschung

Das Thema der Sicherheitstechnik auf Motorrädern darf nicht unterschätzt werden, denn das Risiko bei einem Unfall tödlich zu verunglücken ist bei Motorradfahrern immer noch 20 mal höher als bei Autofahrern. Laut einer repräsentativen Bosch-Umfrage sprechen sich sogar 80 Prozent aller Verkehrsteilnehmer in Deutschland dafür aus, Motorräder mit Assistenzsystemen auszustatten, um so die Unfallzahlen zu senken.

Aus der jahrelangen Unfallforschung hat Bosch drei Haupterkenntnisse gewonnen, welche die Sicherheit für Motorradfahrer deutlich verbessern würde:

  • ABS und MSC: eine 100-prozentige Einbaurate vorausgesetzt, ließe sich mit ABS und der Stabilitätskontrolle MSC jeder dritte Motorradunfall vermeiden.
  • Radarbasierte Systeme: das Sicherheitspaket von Bosch, das aus adaptiver Abstands- und Geschwindigkeitsregelung, Kollisionswarnung und Totwinkelassistent besteht, könnte jeden siebten Motorradunfall verhindern.
  • Vernetzungslösung: mit der Motorrad-zu-Auto-Kommunikation ließe sich fast jeder dritte Motorradunfall vermeiden.

Anmerkung zu radarbasierten Systemen: im Gespräch mit den Bosch Entwicklern wurde uns klar gemacht, dass man den Motorradfahrer auf keinster Weise einschränken will. Die Systeme, die idealer Weise ausschaltbar sind, sollen vor allem lange Autobahnetappen, oder die tägliche Fahrt in die Arbeit sicherer machen, während sie auf kurvigen Landstraßen keinerlei Nachteile bieten sollen.

Ein eCall System bald auf Motorrädern?

In einer weiteren Studie hat Bosch herausgefunden, dass bei 1.400 Motorradunfällen mit Personenschaden (30 Prozent aller Unfälle) in der EU die Rettungskette mithilfe eines eCall Systems verbessert hätte werden können. Doch was ist ein eCall? Davon spricht man, wenn das Fahrzeug automatisch einen Unfall erkennt und den Notruf selbstständig absetzt - ein in der Automobilbranche gängiges Sicherheitsfeature. Doch dazu braucht es zuverlässige Sensoren, die einen Unfall klar definieren und nicht bei jeder Bodenwelle gleich in Panik geraten. In Autos ist das Auslösen der Airbags der Signalgeber für das Steuergerät, doch wie kann das bei Motorrädern gelöst werden? Denn schließlich ist die Honda Goldwing Tour das einzige Motorrad, das heutzutage mit Airbag erworben werden kann und bisher hat nur BMW eine markeneigene Lösung für ein eCall System gefunden.

Die Vielseitigkeit von Motorrädern führt zu Herausforderungen

Die neue Bosch Einheit, die zukünftig Unfälle erkennen soll, wird auf der Basis der MSC entwickelt und ist somit nicht in Größe oder Gewicht wachsen. Die 3-Achsen-Sensorik wertet einerseits die Beschleunigungswerte aus und misst gleichzeitig über das ABS die Raddrehzahl für beide Räder. Mit diesen Werten muss Bosch auskommen, um Unfälle zuverlässig und eindeutig bestimmen zu können. Denn die große Herausforderung in der Entwicklung liegt darin, wie wir Motorräder verwenden. Offroad-Einsätze, oder Wheelies dürfen trotz ihrer (im Vergleich zum Straßenbetrieb) ungewöhnlichen Fahrsituation kein Signal geben, das als Unfall interpretiert wird. Auch das peinliche Umfallen vor der Eisdiele sollte nicht mit einem Großaufgebot an Einsatzfahrzeugen noch erniedrigender werden.

An dieser Entwicklung arbeitet das Team von Bosch die letzten Jahre, in dessen Zuge bereits knapp über 20 Crashtests durchgeführt wurden. Wir durften zwei davon live miterleben - die Bilder dazu findet ihr in der Galerie!

Neue Sensoreinheit 2020 fertig - und dann?

Bosch plant die Fertigstellung der neuen Sensoreinheit mit Unfallerkennung bereits nächstes Jahr. Als Zulieferer bietet Bosch das System dann den Herstellern an, die es wahlweise in ihren neuen Motorräder verbauen können, solange der Bedarf besteht. Denn wie und ob das eCall System eingeführt wird, ist zurzeit noch unklar. Schließlich müsste das Motorrad ein Notrufsignal aussenden und eine gewisse Kommunikation mit dem Fahrer aufgebaut werden können. Bosch erklärt uns, man könne die Kommunikation mit dem Verunfallten über einen MSD (Minimum Set of Data) aus der Gleichung eliminieren - dazu bräuchte es aber einen hinterlegten Datensatz mit den wichtigsten Informationen über den Fahrer.

Es gibt also noch viele offene Fragen, die bis zu einer marktdeckenden Einführung des eCall Systems geklärt werden müssen. Fakt ist jedoch, dass Bosch mit der neuen Intelligenz, die durch Forschung und Crash Tests gesammelt wurde, schon bald die Unfallerkennung auf zwei Rädern ermöglich. Ein weiterer Schritt, um unser Leben am Motorrad sicherer zu machen!

Bericht vom 22.11.2019 | 19.778 Aufrufe

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