Indian Scout Rogue: Test des Schurken-Cruisers auf der Landstraße

Auf einsamen Wegen zum Indian Riders Fest

Als die Indian Scout Rogue auf unserer MotoCon Weltpremiere feierte, war ich vom Look des nachtschwarzen eleganten Cruisers begeistert. Ein halbes Jahr nach Erstkontakt durfte ich sie nun endlich testen. Auf Achse ging es zum weltweit größten Indian-Treffen, dem Indian Riders Fest im tschechischen Budweis.

Werbung
powered by Kawasaki AT
Mehr erfahren

SMC - Styrian Motorclyce ist die Adresse für Indian Motorräder in Österreich

Bevor es losgeht, führt mich der erste Weg zur Übernahme der Scout Rogue in die Steiermark. Der Geschäftsführer von SMC - Styrian Motorcycles, Markus Krasser, überreicht mir den feschen Cruiser in den ansehnlichen Verkaufsräumen des, in herrlicher Ruhelage gelegenen, Ladens. Schon beim Betreten merkt man, dass Markus und sein Team das Thema US-Motorrad nicht nur verkaufen sondern auch leben. Mit viel Liebe zum Detail und einem sensationellen Indian-Oldtimer wird im Schauraum für die richtige Atmosphäre gesorgt. Nach einem gemütlichen Kaffee an der Bar, geht die Reise los.

Die erste Etappe von der Südsteiermark nach Wien lege ich - ihr müsst es mir bitte verzeihen - absolut unpassend in der Carese Evo Textilkombi von Held und mit dem HJC RPHA 90S Carbon am Kopf zurück. Zumindest komme ich so nach einigem Regen und einer 200 km Autobahnetappe trocken in Wien an. Für das kommende Wochenende bessert sich dann glücklicherweise die Wetterprognose und so kann ich stilgerecht gekleidet die Anreise nach Tschechien antreten.

Können Weg und Ziel das Ziel sein? Die Scout Rogue gibt philosophische Rätsel auf

Insbesondere im Sattel eines Motorrads spricht man ja gerne davon, dass der Weg das Ziel sei, was aber wenn das Ziel selbst auch großartig ist? Kann es zwei Ziele geben? Gibt es einen Zielkonflikt? Wenn ja, kann man diesen auflösen? Mit all diesen Gedanken beladen schwinge ich mich auf die Scout Rogue und mache mich auf den Weg zum Indian Riders Fest.

Die Route von Wien nach Budweis lasse ich dabei gemütlich und kurvig von Calimoto berechnen. So werden aus 2:45 zwar knapp vier Stunden, aber die haben es in sich. Bei herrlichem Motorradwetter genieße ich das Kremstal und andere Gegenden des nördlichen Niederöstrerreichs in vollen Zügen und auf kleinen Straßen - Autobahnkilometer hatte ich ja bereits zur Genüge. An dieser Stelle soll der kleinen Halbverkleidung der Rogue ein Kompliment ausgesprochen werden, ihre Wirkung ist bei höherem Tempo nicht zu verachten!

Fahrendes Motorrad

Einen kleinen Augenblick bitte,
die technischen Daten werden geladen...

Ergänzen möchte ich die technischen Daten noch um das, auf der unbestechlichen 1000PS-Waage ermittelte, vollgetankte Gewicht von 252 kg, das sind 2 Kilo mehr als angegeben, was in der Praxis allerdings nicht ins Gewicht fällt. Eine Angabe, die aus dem Datenblatt nicht hervorgeht, ist der Reserveanteil des 12,5 Liter fassenden Tanks. Die Scout Rogue verfügt nämlich über eine klassische Reserveleuchte und besitzt keine Tankfüllstands- oder Reichweitenanzeige. Ich kann jedem Piloten nur raten, dem Umstand, dass die Reservelampe aufleuchtet höchste Aufmerksamkeit zu schenken. Beim Auftanken unmittelbar nach Aufleuchten passen ganze 11 Liter in den Tank, woraus sich eine Reserve von nur 1,5 Litern errechnet. 200 Kilometer kommt man, dank eines Verbrauchs von ca. 5 Liter auf 100 km aber in jedem Fall.

Fahreindrücke Indian Scout Rogue

Als ich Krems,die Perle an der Donau hinter mir lasse um mich gen Norden Richtung Grenze durchzuschlagen, steht prompt der erste Maximaltest für den dezenten Cruiser an. Die Kehren vor Egelsee sind nämlich äußerst eng. Indian gibt die Schräglagenfreiheit mit 29 Grad an und tatsächlich, die Fußrasten kratzen relativ früh über den Asphalt. Vorsichtig sollte man insbesondere auf unebenen Straßen sein, denn nach den Fußrasten setzt - insbesondere auf der Auspuffseite - relativ rasch ein unnachgiebiger Teil, nämlich das Schutzblech des Endtopfs auf. Für die entstandenen Schleifspuren an der Testmaschine möchte ich mich an dieser Stelle in aller Form entschuldigen. Die Auspuffanlage ist mattschwarz lackiert und sieht zum famosen Sound passend richtig gut aus, ist allerdings sehr niedrig montiert und sehr lang, sodass man auch beim Einparken in Fluchtrichtung darauf achten muss nicht am Randstein anzustoßen.

Der Motor der Scout Rogue ist deutlich sportlicher zu Fahren, als man dem Segment zutraut. Folglich liegt das maximale Drehmoment von 97 Nm des Cruisermotors erst bei 5.600 U/Min, die Maximalleistung von 94 PS gar erst bei 8.000 U/Min an. Dabei dreht der flüssiggekühlte V2 willig hoch. Wer es drauf anlegt, kann im 2. Gang mühelos Autobahntempo erreichen, auch wenn die Motorvibrationen in der oberen Hälfte des Drehzahlbandes spürbar zunehmen . Passend ist im Zubehör ein Drehzahlmesser mit Schaltblitz erhältlich. Die Kehrseite dieser Medaille ist, dass die Scout Rogue aus dem Drehzahlkeller nicht ganz so vehement anschiebt, wie man es von anderen Indian V2-Modellen (mit zugegebenermaßen deutlich größeren Motoren) gewohnt ist.

Hat man sich einmal auf die Eigenheiten dieses besonderen Cruisers eingeschossen, macht das Fahren große Freude. Insbesondere weite Radien auf Straßen mit besserem Belag, wie man sie im Waldviertel rund um den Ottensteiner Stausee vorfindet, rufen wahre Glücksgefühle im Sattel hervor. Diese waren ähnlich, aber nicht gleich, wie die im Sattel der Indian Super Chief 2021, die ich letztes Jahr am Weg zum und am Rückweg vom Club of Newchurch testen durfte.

Fahrwerk und Bremse - harte Hunde werden mit der Rouge glücklich

Die Gabel der Scout gibt keinen Anlass zur Kritik, sie ist zwar nicht einstellbar und das Grundsetup ist auf der weicheren Seite, aber das passt wunderbar ins Konzept und die Dämpfung funktioniert zufriedenstellend. Nicht allzuviel sollte man sich hingegen von den Stereo-Federbeinen im Heck erwarten, die der optischen Anlehnung an frühere Hardtail-Modelle geschuldet sind. Die 51 mm Federweg sind schnell aufgebraucht und danach werden Schläge ziemlich unvermittelt an die Bandscheiben weitergegeben. Indian bietet im Zubehör Nachrüstfederbeine mit (25 mm) mehr Federweg an, die ich euch ausdrücklich ans Herz legen möchte. Zum einen steigt dadurch der Komfort auf schlechten Straßen an, zum anderen erhöht sich die Bodenfreiheit ein wenig, was höhere Schräglagen zulässt.

An der Bremse der Rogue gibt es trotz Single Disk vorne nichts zu meckern. Der erfahrene Cruiser-Fahrer weiß, dass es für maximale Verzögerungs-Performance unerlässlich ist, auch die hintere Bremse in Szene zu setzen. Folglich hat Indian hinten eine 298mm Bremsscheibe montiert, die im Fall des Falles ordentlich zupackt. Das ABS ist gesetzlich vorgeschrieben (in den USA hingegen wird die Scout auch ohne angeboten) und regelt wenn man einen Eingriff provoziert zufriedenstellend. Im tagtäglichen Betrieb wird man davon hingegen nichts mitbekommen.

Ausstattung minimalistisch - auf der Scout Rogue lenkt einen wenig ab

Auch die sonstige Ausstattung der Scout Rogue ist auf das Wesentliche reduziert. Keine Traktionskontrolle bremst den Vortrieb (so lassen sich mühelos schwarze Striche in den Asphalt zaubern), keine Fahrmodi lenken vom Fahren ab, kein verkapptes Tablet gibt Rätsel auf. Die minimalistische analoge Anzeige verrät die Geschwindigkeit und in einem kleinen LC-Display auf Wunsch die Drehzahl, daneben gibt es eine Ganganzeige, das wars. Die Gashand wird ständig genutzt, denn einen Tempomat sucht man ebenfalls vergeblich. Das einzige Zugeständnis an die moderne Zeit ist ein USB-Port der elegant seitlich am Rundinstrument versteckt ist. Wie bei allen Indianmodellen, die FTR ausgenommen setzt auch die Scout Rogue auf einen wartungsarmen Riemenantrieb. Lästiges Ketteschmieren entfällt also.

Indian Riders Fest 2022 - Budweis im Ausnahmezustand

Um die eingangs gestellte Frage aufzugreifen, ob es zu Zielkonflikten führt, wenn der Weg und das Ziel das Ziel sind, muss ich ein wenig auf die Erfahrungen nach dem Grenzübertritt nach Tschechien eingehen. Zwar wusste ich, dass die Riders Parade durch Budweis mit weit über 1000 Motorrädern ein Highlight des Indian Riders Fest 2022 sein würde, ich hätte sie aber aufgrund meiner verspäteten Abfahrt aus Wien, nur unter Verzicht auf die herrlichen Kurven im österreichisch-tschechischen Grenzgebiet erreichen können. Die Fahrt entlang der zahlreichen Seen - die Gegend trägt den Beinamen Tschechisch-Kanada - laden dazu ein die Seele baumeln zu lassen, da kann man die Uhrzeit schon einmal aus den Augen verlieren. Juliane, die ebenfalls beim Riders Fest vor Ort war, hat die Parade jedoch in vollen Zügen genossen und mir dankenswerterweise einige Fotos zur Verfügung gestellt, sodass ich euch auch daran teilhaben lassen kann.

Das Indian Riders Fest ist das größte Indian-Event weltweit. 2022 haben über 3000 Menschen aus 37 Nationen daran teilgenommen. Stunt Shows, herrliches tschechisches Bier, Konzerte und ein buntes Rahmenprogramm machen dieses dreitägige Treffen zu einem Pflichttermin für jeden Indian-Fan. Natürlich sind auch Fremdmarken willkommen, doch der Anteil an Indian Motorrädern lag mit Sicherheit bei 90% oder mehr. Die älteste der über 2500 Maschinen vor Ort, stammt aus dem Jahr 1941 und wurde ebenso prämiert, wie einige der zahlreichen und unglaublich aufwendigen Umbauten.

Die entspannte Stimmung vor Ort, lässt sich kaum in Worte fassen, glücklicherweise könnt ihr beim Klicken durch die Bildergalerie einen besseren Eindruck davon gewinnen. Ich kann nur jedem ans Herz legen, sich dieses Spektakel für das nächste Jahr dick im Kalender anzustreichen. Das Indian Riders Fest 2023 wird von 9.-11. Juni 2023 stattfinden.

Der Sonntag bringt eine aufschlussreiche Rückreise nach Wien

Nach einer nicht allzu langen Nacht geht es am Sonntag Vormittag zurück aufs Festgelände, schließlich wollte ich mir die Stuntshow auf keinen Fall entgehen lassen. Beeindruckend was die Jungs auf der Indian FTR S, dem Naked Bike, das ich letztes Jahr sogar auf der Rennstrecke bewegt habe, zeigen. Nach dieser Action und einem gekühlten Kaffee geht es auf den Ride Out in die nahe gelegene UNESCO Welterbestätte Krumau an der Moldau. Die Stadt glänzt durch ihre spektakuläre Lage gepaart mit ihrem pittoresken mittelalterlichen Stadtkern.

Auf der Heimfahrt von Krumau nach Krems zurück nach Österreich und nach deutlich über 500 km im Sattel der Scout Rogue ist es an der Zeit finale Gedanken zur Sitzposition zu fassen. Dem Mini-Ape-Hanger Lenker stand ich zunächst skeptisch gegenüber, de facto verbessert er die Sitzhaltung gegenüber der Standard-Scout oder Scout Bobber, da man nicht mehr das Gefühl hat so stark über den Tank gespannt zu sein. Die Positionierung der Fußrasten geht absolut in Ordnung, allerdings würde ich sie mir mit meiner Größe von 1,87 Metern vielleicht noch einen Ticken weiter vorne angebracht wünschen, auch wenn der Kniewinkel absolut entspannt ist. So hätte man nämlich das Problem, dass beim vollen Einschlagen das Knie zwischen (optisch richtig coolen) Lenkerendspiegeln und Tank gefangen ist, entschärft. Für Vielfahrer ist zudem wahrscheinlich die, optional erhältliche, Komfort-Sitzbank eine Überlegung wert. Der Standard-Sattel ist zwar nicht unbequem, aber man hat aufgrund der Form kaum Bewegungsspielraum und wird dauerhaft in eine, immergleiche Sitzposition gezwungen. Ebenfalls gegen Aufpreis ist eine Sitzbank für zwei Personen erhältlich.

Fazit: Indian Scout Rogue 2022

Der Schurke, der 2022 neu ins Modell-Lineup eingezogen ist, wird Cruiser-Fans der alten Schule glücklich machen. Ein Bike mit potentem Motor und ohne viel Tam Tam. Den coolen minimalistischen Look erkauft man sich jedoch mit kleinen funktionellen Einschränkungen, an denen sich echte Enthusiasten aber nicht stören werden.


  • drehfreudiger Motor
  • dezente, edle “all black” Optik
  • auf das Wesentliche reduziert
  • überraschend guter Windschutz
  • Schräglagenfreiheit klassentypisch eingeschränkt
  • Federbeine hinten unterdimensioniert
  • Soziussitz aufpreispflichtig

Bericht vom 26.06.2022 | 35.455 Aufrufe

Empfohlene Berichte

Pfeil links Pfeil rechts