Neuer Motor, alte Schule - Moto Guzzi V7 Special 850 Test 2021

Die Legende bleibt sich treu!

Für große Technologiesprünge war Moto Guzzi nie bekannt. Ein neuer Motor für die traditionellen V7-Modelle ist also Grund für Aufregung. Aber passt der große 850er zur V7?

Moto Guzzi, die Traditionsmarke aus Mandello del Lario, kreiert seit inzwischen 100 Jahren italienische Emotion auf zwei Rädern. Bei Guzzi eifert man nicht der maximalen Performance nach, wirft sich nicht in den Technologie-Wettkampf der Hersteller und folgt auch nicht dem Leistungswahn der Motorrad-Branche. Stattdessen besinnt sich Guzzi auf die eigenen Traditionen, bleibt seinem Rezept treu und führt Veränderungen nur langsam und bedächtig ein. Auch der neue Motor hat sich schon angekündigt, schließlich kam er 2019 schon mit der Moto Guzzi V85TT auf den Markt. 2 Jahre später bekommen nun auch die V7-Guzzis das Aggregat verbaut.

Moto Guzzi V7 mit neuem 850er-Motor – Passt das?

Kurz gesagt: Ja, das passt! Die Guzzi-Ingenieure haben es geschafft, den unverwechselbaren Charakter des alten 744 cm³-V2 auch im neuen Motor zu bewahren. Beim Anlassen des V2 mit längs verbauter Kurbelwelle geht wie auch schon früher ein Ruck durch das Fahrzeug, ein angenehmes Schnurren ertönt und die charakteristischen Guzzi-Vibrationen werden spürbar. Der luftgekühlte 90°-V2 mit 853 cm³ hat aber deutlich mehr Schmalz, als sein 52 PS starker Vorgänger. 65 PS bei 6.800 U/min und 73 Nm bei 5.000 U/min leistet er. Das ist ein Leistungsanstieg um immerhin 25 %! 80 % des Drehmoments sind bereits bei nur 3.000 Umdrehungen verfügbar, wodurch die Guzzi schön von unten heraus anschiebt und ihr Gewicht von 223 kg flott in Bewegung setzt. Richtig sportlich wird es auf der Guzzi aber eher nicht.

Erstickt die sportlichen Ambitionen – Ergonomie und Sitzposition der Moto Guzzi V7 Special 850

Eine Säule des einzigartigen Guzzi-Feelings ist der Motor, die andere ist die Sitzposition. Mit einer Sitzhöhe von 780 mm ist die V7 Special schön niedrig. Die Fußrasten liegen recht weit vorne, sodass man mit fast waagrechten Oberschenkeln und einem sehr gelassenen Kniewinkel auf der Guzzi thront. Die Arme müssen nicht weit greifen, der Lenker reckt sich dem Fahrer entgegen. Müsste man die Sitzposition auf der V7 mit einem Wort beschreiben, wäre es wohl lässig. Diese gelassene Sitzposition erstickt auch etwas die sportlichen Ambitionen auf der Guzzi. Sie entschleunigt eher, regt zum Genießen der Umgebung und der Fahrt an. Cool und relaxed sitzt man auf der Guzzi, hat auf der angenehmen Leder-Sitzbank auch viel Bewegungsfreiheit und genießt entspannt das Bollern und Ruckeln des Motors. Das nervös und hyperaktiv um die Kurve heizen können andere, auf der Guzzi hat man Stil und steht da drüber. Die Moto Guzzi V7 Special 850 ist auch recht universal für Groß und Klein geeignet, lediglich sehr große Piloten könnten mit ihrem Knie am herausragenden Zylinderkopf ankommen. Mit meinen 1,85 m bin ich davon aber noch ein gutes Stück entfernt.

Da geht das Herz auf – Moto Guzzi V7 Special 850 Optik

Dritter und letzter Grund für den Ikonen-Status von Guzzis ist mit Sicherheit die Optik. Als vor einigen Jahren der Retro-Boom begann und alle Hersteller Neo-Classic und Modern-Retro Modelle entwickelten, zuckte bei Guzzi niemand auch nur mit der Augenbraue. Guzzi braucht keine eigene Retro-Modellreihe, denn Guzzi hat nie aufgehört Retro-Motorräder zu bauen. Edle Formen, schöne Farben, klassische Rundscheinwerfer und analoge Geschwindigkeits- und Drehzahlanzeige sind nicht das Ergebnis von irgendeinem Trend, sondern original Moto Guzzi. Auch die von Zonko und mir getestete V7 Special 850 ist ein Augenschmaus. Verchromte Spiegel, Auspuff und Lenker, eine gesteppte Ledersitzbank, der edel geformte Tank mit den schicken Zierstreifen Bei solch einem Anblick geht das Herz auf. Optik ist natürlich immer Geschmackssache, aber wer auf klassische Formen steht, der wird an der Guzzi gefallen finden. Einzig der Scheinwerfer der Standard-V7 wäre auch in der Special sehr schön. Während dort der Guzzi-Adler im schicken LED-Hauptscheinwerfer integriert ist, begnügt sich die V7 Special mit einer klassischen Glühbirne. Die zwei analogen Rundinstrumente mit kleinem LCD würde ich nicht ändern wollen, auch wenn sie streng genommen nicht mehr zeitgemäß sind. Aber eine Guzzi mit TFT-Display wäre ein Sakrileg!

Elektronik und Fahrverhalten der Moto Guzzi V7 Special 850

Trotz des klassischen Kleids setzt die Guzzi aber sehr wohl auch auf moderne Technik. Neben dem ABS gibt es auch noch ein abschaltbare und zweifach verstellbare Traktionskontrolle. Allerdings wird sie wahrscheinlich in der Guzzi eher selten zum Einsatz kommen. Zwar hat die V7 jetzt mehr Power, doch der Motor geht weiterhin sehr entspannt und weich ans Gas. Gasgriff zu, mit einem herzhaften Klonk früh im knackigen 6-Gang-Getriebe hochschalten und wieder sanft ans Gas - So fährt es sich sehr rund und entspannt um die Kurve. Natürlich könnte man hier auch andrücken, härter ans Gas gehen und sich schwungvoll in die Kurven werfen, doch solche Manöver gehen gegen die genießerische Natur der Moto Guzzi. Bei sportlicher Gangart wird das komfortable Fahrwerk auch zu weich, die entspannten Bremsen zu schwammig und die Schräglagenfreiheit zu sehr eingeschränkt. Auch die Reifendimensionen von 100/90-18 vorne und 150/70-17 hinten sind nicht gerade supersportliche Maße. Lieber einen Gang zurückschalten und die Entschleunigung genießen. Das ist auch Zonkos Zugang zur Moto Guzzi V7 Special 850:

Bild von Zonko
Zonko

"Moto Guzzi hat alles richtig gemacht. Der 850er Motor mit seinen 65 PS hebt die V7 jetzt in die nächst höhere Liga, ohne die alten Tugenden zu ruinieren. Die V7 ist immer noch ein herrlich lebendiges, polterndes Eisen, das einen perfekten Mix aus Entschleunigung, Genuss und Fahraktivität bietet. Optisch ist das Naked nach wie vor eine Augenweide. Ich denke, Moto Guzzi wird mit der neuen 850er V7-Reihe sehr viele Menschen glücklich machen. Mich jedenfalls."

Fazit: Moto Guzzi V7 Special 2021

Die Moto Guzzi V7 bleibt sich selbst auch 2021 und trotz des neuen Motors treu. Die V7 Special 850 ist mit ihren 65 PS zwar deutlich stärker als ihre Vorgängerin, bleibt aber das gleiche Genussmotorrad mit viel italienischer Emotion und einem mächtigen Batzen Coolness. Wenn man auf klassische Stilelemente und entschleunigte Fahrdynamik steht, ist die Moto Guzzi V7 als wohl eines der authentischsten Retro-Motorräder am Markt genau das richtige Bike.


  • Herrliches Genussmotorrad
  • Neuer 850er-Motor bringt 25 % mehr Power
  • Wunderschönes Design
  • Guzzi-Tugenden unverändert
  • Entspannte Sitzposition
  • Knackiges Getriebe
  • Nicht für sportliche Heizer geeignet
  • LED-Scheinwerfer aus Standard-V7 würde dazupassen

Bericht vom 15.05.2021 | 83.805 Aufrufe

Empfohlene Berichte

Pfeil links Pfeil rechts