Kawasaki ZX-10R SE 2018

Der Ehrgeiz des Siegers!

Kawasaki hat mit der Ninja ZX-10R in der Superbike WM mächtig abgeräumt. Trotzdem war man nicht zufrieden. Nun kommt das nächste Update in Form einer neuen Modellvariante. Sinnvoll? JA! Denn davon profitieren auch die Straßenfahrer.

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Und wieder Almeria! Während andere Journalisten hier genervt die Augen verdrehen, jauchze ich innerlich ganz schwer auf. Ich liebe diese Strecke. Die Anlage im Süden Spaniens liegt mitten in einem Wüstengebiet und die Chance auf trockenes Wetter ist groß. Sie bietet wenig Schnickschnack und Komfort. Sehr zum Leidwesen des Hochadels unter den Journalisten. Doch die Strecke hier ist famos! Das hier ist purer Fahrspaß und Adrenalin angesagt. Ich liebe es!

Kawasaki Ninja ZX-10R 2018 SE - Nicht im Fokus?

Warum auch immer! Die Kawasaki ZX-10R ist auch 2018 nicht wirklich im Fokus der Motorradszene. Warum bloß? In der Superbike WM räumt sie Siege ohne Ende ab und auch in diversen Hobbyserien dient sie als Basis für schnelle Rennmotorräder. Doch das grundsätzliche Layout der Maschine ist schon in die Jahre gekommen und damit ist sie etwas weg vom Fenster. Rein pragmatisch betrachtet tut man der ZX-10R da aber Unrecht. Werfen wir einen Blick auf den aktuellen Stand der Dinge in Sachen Technik und Leistung:

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Kawasaki Ninja ZX-10R 2018 SE - Ausstattung und technische Daten

  • 4-Zylinder Reihe, 200 PS, 2 Einspritzdüsen pro Zylinder, Verdichtung 13:1, max. Drehmoment 113,5 Nm, Leergewicht 208 kg
  • Geschmiedete Marchesini Räder - Neu im 2018er SE Modell, bisher nur in der RR Version
  • Zentrale IMU mit 6 Achsen
  • Volles Elektronikpaket mit Kurven ABS, Powermodi, moderner Traktionskontrolle, elektronischer Motorbremskontrolle und Launchcontrol
  • Quickshifter mit Blipper - Raufschalten und Runterschalten ohne Kupplung! Bei der Standard ZX-10R ist nur Hochschalten ohne Kupplung möglich.
  • 1440 mm Radstand
  • Anti-Hopping-Kupplung
  • Geometrie durch Kit-Teile anpassbar (Lenkkopfwinkel und Schwingendrehpunkt)
  • Hochwertige Brembo Bremsanlage mit 330 mm Scheiben und Stahlflexleitungen
  • Elektronischer Lenkungsdämpfer von Öhlins

Die Ausstattung der Maschine ist schwer in Ordnung. Doch Kawasaki wirft für 2018 ein neues Feature in die Schlacht. Damit könnten die Kräfteverhältnisse verändert werden. Denn 2018 setzen sowohl Ducati als auch Yamaha und Honda bei den elektronischen Fahrwerken auf Öhlins ERS 2.0 Systeme, BMW setzt auf Sachs. Diese funktionieren auch und man gibt sich als Fahrer ja immer wieder mal mit dem aktuellen Stand der Technik zufrieden. Schnellere Piloten ersetzen diese Systeme jedoch durch konventionelle Fahrwerkskomponenten und verzichten auf die semiaktiven Funktionionen. Einerseits vermutlich aus Gewohnheit. Erfahrene Racer welche das Fahrwerkssetup immer gut im Griff hatten, empfinden das Regelverhalten als ungewohnt und unnatürlich. Andererseits aber auch aus technologischen Gründen. Den bisher eingesetzten System fehlt es noch etwas an Perfektion und Geschwindigkeit.

Neues elektronisches Fahrwerk von Kawasaki und Showa: KECS

Kawasaki und Showa gehen hier einen komplett neuen Weg. Die Steuerung erfolgt über ein direkt betätigtes, einstufiges Magnetventil. Dieses ist technologisch herausfordernder als bisher am Markt befindliche Systeme. Beim Showa System ist ein Elektromagnet direkt mit dem Ventilkolben verbunden. Das erfordert natürlich höchste Steuerungspräzision. Hat man die Sache jedoch im Griff, ist man viel schneller und präziser als mit einem Schrittmotor oder einem indirekt angesteuerten Magnetventil.

Neues Fahrwerk bitte - Wartezeit 1 Millisekunde!

Das Ergebnis ist eine extrem schnelle Reaktionszeit: 1 Millisekunde, und damit viel schneller als Systeme mit Schrittmotoren oder solche mit zweistufigen Pilotventilen, die das Ansprechverhalten beeinträchtigen können. Ein weiterer Vorteil der direkten Ansteuerung durch ein sogenanntes Solenoid ist die größere Präzision der Regelung. Damit scheint die Showa / Kawasaki Lösung ideal für Supersport-Anwendungen zu sein.

Elektronisches Fahrwerk von Showa in der ZX-10R 2018: Mit eingebauten Federwegsensoren

Ein weiterer technischer Schritt nach vorne ist die Verwendung von Hubsensoren direkt in den Stoßdämpferelementen. Bei den bisherigen Öhlins Systemen sind diese nicht im Einsatz, bei Sachs und WP nur am Federbein. Bei Showa erfassen die Hubsenoren sowohl in der Gabel als auch im Federbein in Echtzeit Hubgeschwindigkeit und Druckinformationen. Die Sensorspulen versorgen die KECS-ECU im Millisekundentakt mit Informationen. Hinzu kommen die von der IMU ermittelten Werte zu Beschleunigungs- und Abbremsvorgängen sowie die Daten der ECU zur Fahrzeuggeschwindigkeit (alle 10 ms). Die ECU der KECS (Kawasaki Electronic Control Suspension) veranlasst dann die Betätigung der Ventile und damit die Anpassung der Dämpfung entsprechend den aktuellen Anforderungen. Die Federvorspannung muss übrigens per Hand angepasst werden. Die Elektronik greift nur in die Zug- und Druckstufendämpfung ein.

Bei der grundsätzlichen Hardware setzt man auf hochwertige und bewährte Komponenten von Showa. Vorne kommt die Balance Free Front Fork und hinten der BFRC-Lite-Stoßdämpfer zum Einsatz.

Kawasaki Ninja ZX-10R SE 2018: Setup Änderung mit einem Click

Im Sattel kann man beim elektronischen Fahrwerk zwischen drei Betriebsarten wählen: Strasse, Rennen und Manuell. Sowohl beim Straßen- als auch beim Rennmodus gibt es keine weiteren Einstellungsmöglichkeiten. Das Setup wird mit einem Click angewählt und man fährt los. Im manuellen Modus kann der Fahrer die Einstellungen für Druck- und Zugstufendämpfung frei wählen und ganz an seine Bedürfnisse bzw. seinen Fahrstil anpassen. Die Einstellungen für den manuellen Modus (jeweils 15 Stufen) werden elektronisch über das Armaturenbrett ausgewählt. In allen drei Modi, also auch im manuellen Modus wird die nötige Dämpfung mittels KECS an Fahrzeuggeschwindigkeit, Hubgeschwindigkeit und Verzögerung angepasst. Wirklich deaktivieren kann man das elektronische Fahrwerk also nicht.

Kawasaki Ninja ZX-10R SE 2018 - Was passiert beim Stromausfall vom Fahrwerk?

Interessierte Techniker werden natürlich sofort die Sicherheit dieses Systems hinterfragen. Was passiert bei einem Stromausfall im System? Bricht das Dämpfungsverhalten dann komplet zusammen? Nein! Die Show Techniker haben natürlich einen Failsafe-Mode eingebaut. Das System fällt dann in eine mittlere Dämpfungscharakteristik zurück und kann sicher weitergefahren werden. Ebenfalls wichtig: Das neue System erfordert wie bisher regelmäßige Ölwechsel in den Dämpferelementen. Die Elektronik passt die Regelkurven nicht auf die nachlassende Viskosität vom Öl im Laufe der Zeit an. Das tut ein mechanisches Fahrwerk natürlich auch nicht. Doch bei allzu viel Elektronik neigen Anwender gerne dazu diesem Ding zu viel Vertrauen zu schenken und legen sämtliche Eigenverantwortung ab. Das Kawasaki System ist gut - ersetzt aber keine Servicearbeiten durch die Fachwerkstätte.

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Endlich wieder ein Genuss - Supersport auf der Landstraße

Ich kenne die Strecken hier um die Rennstrecke und bin sie schon oft gefahren. Die Straßen sind meist menschenleer und die Kurven hören niemals auf. Teilweise sind sie aber auch mit üblen Bodenwellen durchsetzt. Besonders auf Supersportlern waren die Strecken nur teilweise ein Genuss. Im Sattel der Kawasaki ist dies anders. Im Road Modus fühlt sich das Fahrwerk erstmal ungewohnt weich an. Die Bodenwellen sind kaum noch spürbar. Bei der ersten Fahrt über die betreffende Passage dachte ich bereits, hier sei neu asphaltiert worden. Doch für eine zweite Testrunde stellte ich das Fahrwerk durch die Wahl des Track Modus härter und spürte sofort - die Bodenwellen waren immer noch da.

Zurück im Road-Modus war das Fahrwerk sowohl beim Anbremsen als auch in schwungvollen Wechselkurven wunderbar straff und präzise. Das Setup wirkte überhaupt nicht als Kompromiss, sondern war einfach gut. Wie ist das möglich?

Schon beim simplen Bremsvorgang arbeitet die CPU auf Hochtouren

Durch die umfangreicheren Sensordaten und die schnellere Regelung ist nicht nur die Einstellung der jeweils passenden Zug- und Druckstufe die eigentliche Regelmaßnahme. Auch die Geschwindigkeit mit der diese Anpassungen vorgenommen werden, beeinflussen das Verhalten der Gabel und des Federbeins. Nehmen wir als Beispiel einen einfachen Bremsvorgang. Das Fahrwerk ist weich und man bremst hart an. Oberflächlich betrachtet, und so machen es einfache Systeme, wird hier einfach die Druckstufe geschlossen. Beim modernen Showa System jedoch wird das System während des gesamten Vorganges zig mal neu angepasst. Somit entsteht ein unglaublich geschmeidiges und durch die vielen kleinen Veränderungen sehr natürlich wirkendes System. Das Fahrzeug liegt einfach satt und trotzdem komfortabel auf der Strasse.

Der heilige Gral auf der Rennstrecke?

Auch den Kurs hier in Almeria kenne ich wie meine Westentasche. Ich weiß um die Problemzonen. Hinten in der 3fach Rechts zum Beispiel. Dort zögert man immer wieder gerne am Gasgriff und bringt so in starker Schräglage Unruhe ins Fahrwerk. Oder die starken Schaukelbewegungen bei den Wechselkurven, wenn man zu heftig am Lenker zieht oder das Fahrwerk zu schlapp ist. Schon im Road Modus präsentierte sich die ZX-10R SE 2018 wirklich in Ordnung. Ein wenig weich, aber schon überraschend direkt und präzise. Möglicherweise eine gute Wahl für Piloten die gerne nicht zu viel spüren und einfach nur just for fun um die Strecke fahren.

Möchte man den Speed steigern, wählt man den Track-Modus. Hier wird das ganze sofort straffer. Die Linien werden noch besser getroffen und man spürt die Ecken und Kanten des Belages. Schon nach wenigen Runden macht man sich keine Gedanken mehr über die Elektronik. Es fühlt sich normal, durchschaubar und einfach gut an. Eigentlich wäre ich schon zufrieden gewesen. Doch dann kam Yannick der Kawasaki Testfahrer. Er wählte den Manuel-Modus aus und verschob die Basislinien der Regelkurven nochmal straffer. Jetzt fühlte sich die Maschine schon so an als wäre ein Racingfahrwerk in der Maschine. Immer noch war das Fahrzeug einfach zu beherrschen. Wenn man zum Beispiel in der 3-fach Rechts am Gasgriff etwas Unruhe in die Fuhre brachte. Sie wurde keine wilde Racingbestie. Wenn nötig glättete das Fahrwerk immer noch Fehler im Fahrbahnbelag oder auch auch vom Fahrer im Sattel aus.

Weniger ist mehr - Rennstrecke fordert weniger elektronische Eingriffe

Warum nur fühlt sich dieses Elektro-Fahrwerk auch hier auf der Rennstrecke so vertraut und bekannt an? Erstaunlicherweise liegt die Ursache darin, dass Showa im Track Modus mit weniger intensiven Regeleingriffen auskommt. Die Basisabstimmung des Fahrzeuges ist ja insgesamt härter und so muss Show die Dämpfungskurve nicht ganz so intensiv quasi elektronisch progressiv nachjustieren. So bleiben die Eingriffe sanft aber immer noch präzise und punktgenau.

Einsatz im Rennsport: Nein!

Wird das neue Wunderding in den Rennserien Erfolg haben? Erstmal Nein! Denn einerseits ist es in den meisten Rennserien verboten. Mit gutem Grund: Der Aufwand in der Abstimmung wäre viel zu groß und die Kosten würden noch weiter explodieren. Normale Hobbyracer sind mit einer 95% perfekten Lösung zufrieden. Für ernste Rennserien sind jedoch 100% Perfektion in der Abstimmung erforderlich. Und diese Abstimmungsarbeit ist mit einem solch komplexen Ding einfach langwieriger und teurer als mit einem herkömmlichen Fahrwerk. Und während eines Rennwochenendes hat man selten den Bedarf das Fahrwerk in einer solch großen Bandbreite abzustimmen wie es das Elektro-Fahrwerk ermöglicht. Man arbeitet in sehr feinen Schritten und dies haben erfahrene Teams mit konventionellen Lösungen einfach besser im Griff. Die ZX-10R 2018 SE bietet jedoch im Moment jenes Elektronik-Paket beim Fahrwerk mit dem die größte Bandbreite in der Anwendung möglich ist. Touring auf der Straße und richtig flott auf der Strecke!

Preis Kawasaki Ninja ZX-10R SE 2018 im Vergleich zum Rest der Ninja Palette

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Fazit: Kawasaki Ninja ZX-10R SE 2018

Kawasaki hat mit der ZX-10R ein bewährtes und im Rennsport erfolgreiches Paket im Programm. Das Motorrad wurde immer wieder aufgefrischt und ist einerseits technologisch am letzten Stand, andererseits aber auch bewährt und durchschaubar. Mit dem Modell „SE“ bietet Kawasaki nun eine faszinierend neue Fahrwerkstechnologie an. Man darf davon ausgehen, dass diese in den nächsten Jahren in vielen japanischen Motorrädern zu finden sein wird. Den Auftakt macht jedoch Kawasaki und damit wird sowohl die Zielgruppe als auch das Einsatzgebiet für die Ninja deutlich verbreitet.


  • Tolles Elektronikpaket
  • Großartiges Fahrwerk auf der Straße und auch auf der Rennstrecke
  • Angenehmer Fahrkomfort auf der Landstraße
  • Tolle Bremsen
  • Bewährtes und gutes Gesamtpaket
  • Quickshifter arbeitet hervorragend
  • Präzises Ansprechverhalten vom Motor
  • Basis insgesamt noch in die Jahre gekommen - technisch alles Top, Image wirkt aber schon angestaubt
  • Pragmatisch betrachtet ist das Display in Ordnung, doch beim Blick auf das Preisschild würde man einen TFT-Screen erwarten
  • Noch keine LED Scheinwerfer
  • Sehr lang übersetzter erster Gang

Bericht vom 24.03.2018 | 36.318 Aufrufe

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