15 Minuten mit Marc Marquez exklusiv

Marc Marquez: "Zeit rückt alles an seinen Platz"

Honda Austria machte das Unmögliche möglich und bescherte 1000PS ein fünfzehn-minütiges Exklusiv-Interview mit Marc Marquez am Red Bull Ring. Im Gespräch mit Zonko ließ der Honda-Star tolle Aussagen fallen.

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Richtige Rennmaschinen bewegen sich

1000PS: Marc, ich bewundere deinen irren Fahrstil und packe es eigentlich nicht, dass man dermaßen konsequent im Grenzbereich und oft auch darüber hinaus unterwegs sein kann. Mir fällt da immer ein Satz ein, den mir ein alter Rennfahrer einmal gesagt hat: Kontrolle ist immer langsam. Damals habe ich zunächst gelacht, aber du scheinst diesen Satz verinnerlicht zu haben.

Marquez: Als ich noch ein Kind war, habe ich mich beschwert, wenn die Maschine vorne oder hinten gerutscht ist. Ich wollte das nicht. Da hat man mir gesagt: Richtig bewegte Rennmaschinen fahren nie auf Schienen, die rutschen immer, sie bewegen sich. Es geht ja um das Fahren am Limit.

1000PS: Großartig! Als ich in der Moto2 auf dich aufmerksam geworden bin, war ich hellauf begeistert, weil du die Maschine mit so viel Leidenschaft und Entschlossenheit und richtig spektakulär abgefeuert hast. Motto: Nur quer bist wer. Erstaunt hat mich aber trotzdem, dass du dann auch in der MotoGP feste Slides und arge Moves zeigtest. Denn im Gegensatz zur Moto2 gibt es ja in der MotoGP elektronische Assistenzsysteme.

Marquez: Viele Leute glauben, dass die Elektronik so ausgelegt ist, dass man im Scheitel einfach Vollgas gibt und die Maschine die Kraft dosiert. So ist es aber nicht. Die Elektronik ist nicht zum Fahren da, sondern nur als Absicherung. Ich habe gerade in den letzten Jahren die Elektronik sehr weit zurückgedrängt, also nur sehr spät eingreifen lassen. Ich will möglichst große Freiheiten beim Fahren, ich will die Maschine aus dem Handgelenk steuern. Aber ich bin nicht undankbar, wenn es für den Fall der Fälle ein Sicherheitsfeature gibt. Heuer mit den neuen Reifen und der Einheitselektronik ist es etwas schwieriger.

Vorne bist Du selbst verantwortlich

1000PS: Gut, Honda hat die ausgeklügeltste Elektronik auf diesem Planeten. Da wird die seit heuer verordnete Einheitselektronik ein Rückschritt sein. Wie äußert sich das?

Marquez: Sie arbeitet weit weniger präzise als die Honda-Elektronik. Man weiß nie ganz genau, wann und warum und wie stark sie eingreift. Manchmal gibt es Verzögerungen. Das ist heikel. Natürlich ist es uns schon gelungen, das System besser abzustimmen, aber gegen die Jahre davor ist es eine Verschlechterung.

1000PS: Na, wenigstens gibt es für das Vorderrad noch keine Elektronik. Und vorne ist ja bei dir immer die Hölle los.

Marquez: Das mag ich. Vorne bist du nur selbst verantwortlich. Du hast den Hebel für die Bremse, den Lenker und brauchst ein sehr gutes Gefühl für das Limit. Überschreitest du es, rettet dich kein System, dann folgt einfach der Crash.

1000PS: Wenn ich mir die Rennen anschaue und es geht im Infight in die letzten drei Runden, frage ich mich oft: Was denkt er sich jetzt? Oder denkt man da gar nichts?

Marquez: Wenn ich in den letzten Runden jemandem folge, denke ich nur daran, wo ich ihn am besten überholen kann. Wenn ich führe und von hinten in Bedrängnis bin, dann erhöhe ich die Konzentration bis ans Limit, bremse sehr spät und achte genau darauf, keinen Platz für mögliche Überholmanöver zu lassen.

1000PS: Macht es da einen Unterschied, ob man gegen Rossi oder gegen Lorenzo kämpft?

Marquez: Na sicher! Für jeden Piloten gibt es eine unterschiedliche Strategie. In einer Kurve, in der man Rossi überholen kann, wird man an Lorenzo nicht vorbeikommen, dafür ist es in einer anderen Kurve genau umgekehrt. Jeder Pilot hat seinen eigenen Stil, seine eigene Linie, und seine eigenen Stärken und Schwächen. Darauf muss man sich einstellen.

Wie wird man als Hobbyfahrer schneller?

1000PS: Was ist deine Stärke?

Marquez: Eine meiner Stärken ist sicher der späte Bremspunkt und der Kurveneingang. Eine weitere Stärke von mir ist, dass ich in der Linienwahl sehr flexibel bin. Ich kann die Linie sehr schnell ändern. Ich kann die Kurve weit oder eng fahren ohne viel Zeit zu verlieren.

1000PS: In Österreich fahren viele Leute hobbymäßig auf der Rennstrecke. Durchaus mit Ehrgeiz. Was können sie machen, um besser bzw. schneller zu werden?

Marquez: Das wichtigste ist der Spaß. Am besten denkt man nicht an Resultate oder Rundenzeiten. Die kommen von alleine, wenn man viel fährt und es genießt. Als Kind bin ich jeden Morgen nach dem Aufstehen sofort zum Motorrad gelaufen. Ich wollte immer nur fahren. Und wenn Vater sagte: Heute nicht war ich richtig enttäuscht.

1000PS: MotoGP hat für einen Topstar wie dich sicher Sonnen- und Schattenseiten. Was taugt dir am meisten und was am wenigsten?

Marquez: Das Rennen am Sonntag. Das liebe ich. Auf der Strecke die Maschine fahren. Dafür bin ich letztendlich auch da. Das taugt mir am besten. Die Kehrseite der Medaille ist das Drumherum abseits des Rennfahrens. Da wirst du mit sehr vielen Meinungen konfrontiert, die Leute glauben, vieles besser zu wissen und mitunter verurteilen sie dich auch, obwohl sie dich natürlich überhaupt nicht kennen. Sie deuten etwas von außen, das auf der Rennstrecke passiert.

1000PS: Dazu passt ein Punkt, den ich gerne noch ansprechen möchte: Du bist ein unfassbar guter Motorradfahrer und hast die Herzen der Fans im Sturm erobert. Aber letztes Jahr zum Ende der Saison ist die Stimmung stark gekippt. Das muss wehgetan haben. Wie geht man damit um?

Marquez: Was außerhalb der Rennstrecke passiert, kann man als Fahrer nicht kontrollieren. Das ist etwas anderes als die Maschine. Ich kann also nur mir selber treu bleiben. Und ich glaube den Satz, den mir mein Goßvater immer gesagt hat: Die Zeit rückt alles an den richtigen Platz.

1000PS: Herzlichen Dank für das interessante und angenehme Gespräch und das Allerbeste für die Zukunft!

Bericht vom 12.08.2016 | 13.616 Aufrufe

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