Harley Streetglide

Das Gelbe vom Hai. Die neue Harley Streetglide mit leisen Fanfaren und lauter Farbe.

Harley Davidson Street Glide
 

Harley Streetglide 2013

Toys of Summer. Asphalt-Surfen mit dem gelben Hammerhai.

 
Vielleicht war die Streetglide die erste Harley, die ich je gefahren bin, ich kann mich nicht mehr genau erinnern, aber sie hat dennoch einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Der ob seiner ausladenden wie extravaganten Frontverkleidung von uns Hammerhai getaufte Tourer (die Verkleidung heißt eigentlich "Bat Wing") beeindruckte neben seiner schieren Masse mit einer inhaltlosen Auspuffanlage von Screaming Eagle, deren gehaltvolle Akustik Passanten plötzlich aufhorchen und schrecken ließ, als sie sich ungewollt in einem kurzen wie heftigen Heavy-Metal Konzert wiederfanden. Ich habe mich dafür geschämt, es genossen zu haben. Da sich unser aktuelles Testmodell im jungfräulichen Serienzustand befand, waren die zwei Abgasrohre zugestopft wie Elvis in seinen letzten 2 Wochen. Da dringt praktisch nichts nach außen. Nur die grell-gelbe Farbe namens Chrome Yellow Pearl schreit stumm ins Auge des Betrachters. Auch so kann man provozieren. Und das Fahrzeug bietet rundum viel Fläche für Farbe, angefangen beim Frontfender in Übergröße bis zum von Seitenkoffern flankierten Heck.

Bat Wing, Koffer, XL-Fender: Viel Fläche für Farbe.

Die Frontverkleidung ist fahrerseitig dermaßen üppig mit einer Kommandozentrale ausgestattet, dass man das Gefühl hat, der Blick auf die Straße würde überbewertet. Gleich sechs Rundinstrumente mit weißen Zifferblättern informieren über den Fahrzustand und das Wohlbefinden des dynamischen Eisenkörpers. In der Mitte steckt ein Radio, dessen kühl-funktionaler Charme an die tricOtronics der 80er erinnert. Lautstärke und Sendersuche lassen sich bequem mit dem linken Daumen steuern, der rechte ist für die Aktivierung des Tempomaten zuständig. Während Musik an jeder Ampel, Baustelle oder im Stau ein willkommener Begleiter ist, beschränkt sich der Einsatz der elektronischen Geschwindigkeitsregelanlage (Tempomat ist tatsächlich ein geschützter Name der Daimler AG) auf exzessive Kilometerfressereien via Autobahn.

Harley Streetglide
Schwer ist eine Harley immer, sogar eine Sportster. Sind eben ehrliche Motorräder aus Eisen. Dafür ist sie gar nicht so groß, wie man vermuten würde. Im Vergleich ist die Streetglide nämlich eher moderat dimensioniert. Streetglide (>375 kg, L: 2.430 mm, Radstand: 1.625 mm), Honda F6B Interstate (385 kg, L: 2605 mm, Radstand 1.690 mm), Kawasaki VN1700 Voyager Custom (382 kg, L: 2.510 mm, Radstand 1.665 mm)

Galerie Harley Streetglide 2013

Harley Streetglide Harley Streetglide
'57er Chevy? Sechs Rundinstrumente und ein Radio wie aus den Achtzigern in einer großen schwarzen Plastikschale. Der luftgekühlte Twin Cam 103 Motor mit 1.690 Kubik sorgt im Sommer nicht unbedingt für coole Schenkel. Immer in Bewegung bleiben!
Harley Streetglide Harley Streetglide
Daran scheiden sich Wind und Geister. Die Hammerhead-Maske mit einer schmalen Windschild-Lippe obendrauf. Sehr breit und ziemlich niedrig, hohe Geschwindigkeiten sind aber ohnehin verpönt. Dem Fahrer ein Thron, dem dem Sozius ein Hohn. Die Streetglide ist trotz ihrer Ausmaße und Annehmlichkeiten eher ein Motorrad für den einsamen Wolf. Aber ein echtes Motorrad hat sowieso nur einen Sitz, sag' ich.

Sicher, nach wie vor braucht niemand ein Radio auf einem Motorrad und auch wir vermissen es erst, seit wir unsere ersten Erfahrungen damit gemacht haben, aber auf einem Tourer kann einem ein bisschen akustischen Luxus doch niemand übel nehmen. Man muss sich nur entscheiden - entweder, oder: Supertramp oder Supertrapp. Reggae oder Remus. Verdi und Haydn oder Vance & Hines. Denn ein offener Auspuff und open-air Radiomusik vertragen sich wirklich nicht.

Reggae oder Remus?

Eine Harley muss nun mal so mächtig klingen wie die St. Petersglocke, was folglich den Genuss beim Musikhören mindert. Also fällt unsere Wahl letztendlich zugunsten eines satten V2 Sounds und gegen das Radio aus, während wir bei einem 4- oder 6-Zylinder womöglich anders entscheiden würden. Der wahre Genuss aber wird sowieso nicht nur über die Ohren, sondern über den ganzen Körper aufgenommen. Während das Fahrwerk des Gelbviehs entweder bequemer oder sportlicher sein sollte, war die lederne Sitzwanne nicht uncharmant zum Hintern des Fahrers. Soviel Halt und Komfort würde man auch seiner Begleitung wünschen, doch muss diese darauf verzichten. Der Sitzpolster mit Fangriemen erfüllt auf der klassischen Kurzstrecke "zu dir oder zu mir" sicher seinen Zweck, wer allerdings etwas weiter ins Grüne düsen will, der wird seine Holde nicht sehr glücklich machen. Die Streetglide ist sowieso mehr Richtung one-man-show ausgelegt, so finden in den schmal gebauten, versperrbaren Seitenkoffern gerademal ein paar Stöckler und das Schminkköfferchen Platz.

Sie ist eben nicht so groß wie sie auf den ersten Blick zu sein scheint, nur leicht ist sie deshalb nicht. Trotz geringerer Abmessungen als Konkurrenzmodelle spielt das Schwergewicht Streetglide in der 375+ Liga mit. Das merkt man beim Fahren weniger als beim Manövrieren und Bremsen. Immer kräftig hinten mitbremsen und sich nicht blind auf das ABS verlassen lautet daher mein Tipp.

 

http://www.motorrad-bilder.at/slideshows/291/009819/harley_davidson_street_glide_2013_26.jpg
Aus dem Lehrbuch für klassisch-zeitlose Produktgestaltung. Nur die Maske ist und bleibt ein Streitpunkt.
Harley Davidson Street Glide


Der richtige Weg, egal wohin die Straße führt.

Wenn wir schon bei ihren Schwächen sind, können wir auch kurz über die Spiegel reden, die nicht zuviel verraten von dem, was hinter einem passiert. Oder von den klapprigen Kofferdeckeln, die nach aussen hin aufgeklappt werden und dann irgendwie lose herunterhängen. Aber wer diese Kleinigkeiten gegen Standfestigkeit und Werterhalt dieses Harley-Modells aufwiegt, wird schnell zu der Erkenntnis kommen, dass die Pluspunkte klar im Vorteil sind. Kaum zu glauben ist etwa, dass hinter der Honda CBR600F die Streetglide auf Platz 2 der ewigen Bestenliste im MOTORRAD Dauertest steht. Und die Kollegen aus Deutschland sind bei ihrer 50.000 Kilometer-Prüfung erbarmungslos, genau und streng.

Damit wäre auch die Vernunft befriedigt, aber darum geht's auch nicht bei einem Eisen um über 25.000 Euro. Hier ist der Weg zum Genuß das Ziel. Die Füße rasten flach auf den Trittbrettern, per Schaltwippe werden die Gänge entspannt gewechselt. Nicht oft zwar, nur manchmal. Man ist auf dem richtigen Weg, egal, wohin die Straße führt. Mensch und Maschine sind sich genug, weshalb man lieber alleine unterwegs ist. Nur für ein bisschen Natur ist noch Platz, weil man tatsächlich die Umgebung wahrnimmt, durch die man sich bewegt. Die Sinne sind "all in", Stress, Frust und berufliche Bedrückung "all out".

 

Harley Streetglide
Schräglagenfreiheit? (Was ist Schräglage?) Objektiv betrachtet natürlich nicht viel, aber dem Motorrad entsprechend. Man passt sich schnell an, niemand will eine Harley quälen.
Harley Streetglide
Ein aktueller Werbespruch von Harley lautet Auf diesen Rädern erlebst du mehr als im größten Fernseher. Es wäre dem noch eine lange Liste mit Vergleichen hinzuzufügen. …als im größten Kino,…im größten Auto,…im größten Hotel… Denn wer eine Harley unter sich spürt, der spürt sich selbst.
 
Harley Davidson Street Glide

 

Text: kot
Fotos:
Kukla

Fazit: Harley-Davidson CVO Street Glide FLHXSE 2013

Ein aktueller Werbespruch von Harley lautet „Auf diesen Rädern erlebst du mehr als im größten Fernseher“. Es wäre dem noch eine lange Liste mit Vergleichen hinzuzufügen. „…als im größten Kino,…im größten Auto,…im größten Hotel…“ Denn wer eine Harley unter sich spürt, der spürt sich selbst.


  • üppige, aufmerksamkeiterregende Fronverkleidung
  • harter Klang
  • bequemer, lederner Sitz
  • Standfestigkeit
  • Werterhalt
  • angenehme Fußposition
  • Technik in Ordnung.
  • Großes Gewicht
  • Fahrwerk etwas suboptimal
  • Bremsen nicht stark genug
  • unpassend positionierte Spiegel
  • klappriger Kofferdeckel.

Bericht vom 29.08.2013 | 18.321 Aufrufe

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