Triumph Roadster Test

Die Rocket geht, die Roadster kommt. Mehr PS für weniger EUR. Testgelände: Flughafen.

Triumph Rocket III Roadster

Ofen für alles

Here comes the Big Bopper! Neue Auspuffanlage sorgt für mehr Dampf,
besseren Klang und ein homogenes Bild.

 
Zwischen 2004 und 2009 liegen nicht bloß nur 5 Jahre, sondern ein ganzer wirtschaftlicher Umbruch, Abbruch, Zusammenbruch. Der Beginn des 21. Jahrhundert sieht Aufstieg und Fall der weltweiten Motorradindustrie. Verkaufszahlen stürzen von 1,3 Mio. auf 900.000 Einheiten, Arbeitszeiten werden verkürzt oder beendet, Hubräume schrumpfen wie Schwellkörper nach dem Geschlechtsverkehr und die B-111 Fraktion vermehrt sich wie Kaninchen bei einem Stromausfall. Doch blicken wir zunächst 5 Jahre zurück, dorthin, wo alles noch gut und im Überfluß vorhanden war, blicken wir zurück zur Triumph Rocket III. Denn was noch keiner weiß und ich bis zum Ende dieses Textes für mich behalten will, ist die bedauernswerte Tatsache, daß die Rocket III das Volksschulalter nicht mehr erreichen wird (nur die Rocket Touring wird weiterleben). Für sie ist das doppelt bitter, wird sie letztlich gleich durch zwei neue Modelle ersetzt, die Thunderbird und die Rocket Roadster. Die eine ist klassischer, als sie es ist, die andere sportlicher. Doppelt süß für uns.

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Wenn ich an die bald gewesene Rocket III und die erste Ausfahrt auf ihr denke, kommen nicht nur positive Gefühle in mir auf. Stolz und Vorteil trafen auf Nervosität, Angst und Überforderung. Beim Motorradfahren kommt man mit zwei Dingen zurecht: Kraft und Kilos. Solange sie getrennt voneinander gehalten werden, hat man alles unter Kontrolle, vorausgesetzt, man hat sich selbst unter Kontrolle. Das war bei den 1000PS Roadshows, wo die Rocket von fast jedermann im Besitz eines A-Scheins getestet werden konnte, nicht immer der Fall. Eigentlich nie. Wer die physikalische Konsequenz von 200 Nm auf einen 350 Kilogramm schweren Hartkörper unterschätzte, der war schneller Besitzer einer totalgeschädigten Rocket, als wir die Havarie aus einem Graben in den Scudo heben konnten.


Muskelkater nach Beschleunigungsorgie.


Mein Testmotorrad blieb heil, weil ich nicht versucht habe, es zum flotten Kurvenfahren zu zwingen, vielleicht hatte ich aber einfach nur Glück. Schon das Geradeausfahren verlangte nach Aufmerksamkeit und Kraft, entspanntes Gasgeben gab es nicht. Fertigmachen zum Start, los! Beschleunigung passierte nicht ohne Vorbereitung. Mit den Händen mußte man den Lenker fest im Griff haben, da sie von den Füßen nicht viel Unterstützung zu erwarten hatten. Diese konnten auf den vor der Motorradmitte platzierten Rasten keinen Gegendruck aufbauen. Man hing an der Rocket wie ein Segel bei Windstärke 12, ständig in Gefahr, abzureissen.
Nach dem ersten Tag hatte ich im hinteren Schulterbereich einen Muskelkater, weil ich andauernd nur beschleunigt hatte - dazwischen war ich oft tanken.

Man fühlte sich also auf der Rocket III nicht wirklich als Herr der Lage, wurde aber auf der anderen Seite sofort süchtig nach dieser absurd-brutalen Kraftentfaltung und wollte sportlicher fahren, als irgendetwas an diesem monströsen Motorrad zugelassen hätte. Auf diese ambivalente Haltung hat Triumph reagiert. Nicht nur, um die Gesundheit seiner Kunden zu schonen, sondern um der Welt zu zeigen "Wir stecken nicht zurück!". Die zweckfremden Fußrasten rutschen 123 mm näher zur Fahrzeugmitte und 22 mm näher zum Boden und können endlich einer sinnvollen Aufgabe nachkommen. Man kann mit ihnen jetzt sogar die Dynamik des Fahrzeugs beeinflussen. Der Sitz dagegen trägt den Fahrer 14 mm näher bei Lenker und Vorderrad, was die Kontrolle  verbessert und Korrekturen einfacher macht. Überraschenderweise wirkt sich auch die um 20% weichere Hinterraddämpfung positiv aus, da das Fahrwerk gleichmäßiger anspricht.


Für die Leistungssteigerung gibt es keine logische Erklärung.


Wenn man schon mal dabei ist, die Fahrbarkeit zu optimieren, wieso  nicht auch gleich mehr Leistung einfüllen? Triumph dachte wahrscheinlich, daß die Roadster mit dem 2,3 Liter Atomkraftwerk untermotorisiert sei und erhöhte mit der Montage eines neuen Auspuffsystems und ein paar Tastenkombinationen die Leistung um 8 auf 148 PS und das Drehmoment um 21 auf 221 Newtonmeter. So. Ich bin leider nicht fähig, das im Ansatz verständlich oder schlüssig zu erklären, ich schätze, manche Dinge müssen einfach sein und das ist gut so. Damit die Dinge so bleiben, wie sie sind, nahm uns Triumph auf einem alten Flughafen Gelände beiseite, sozusagen "in professionally controlled, closed course circumstances". Ein 'professional rider' war leider nur einer: Kevin Carmichael. jener unscheinbare, nicht sehr sportliche Scotsman (on a motorcycle, not on a horse), den ich am Tag davor an der Hotelbar noch für einen unscheinbaren, nicht sehr sportlichen Scotsman gehalten hatte. Wenn der den Rock auszieht, wird es ernst.

 

Am Flughafen von Bruntingthorpe werden Supersportwagen getestet, gepfändete Luxuskarossen verwahrt und Flugzeuge endgelagert. Keine einmotorigen Vogelverscheucher, sondern einige der größten Luftgefährte der Welt, vom Jumbo bis zum Superguppy, jener Flugwal, der einst Airbusse zur Welt brachte. Starre Riesen, ausgedient und abgelebt, die eine traurige Stimmung von Nutzlosigkeit auf uns herunter weinen. Wer braucht eigentlich die Rocket? Alle 3 Minuten rauscht ein Testfahrer auf einer Street Triple R unter dem Geschrei des 675 Kubik Dreizylinders an uns vorbei. Voll. Zwischen Rasen und Pylone muß er unter Vollast einen Haken nach links schlagen. Durch diese schmale Gasse muß er kommen. Ich frage mich, wann er wohl das erste Mal abheben wird.

Dann kommt Carmichael. Er cruist dahin, als würde er sich auf einen Wheelie vorbereiten. Er federt nicht ein, reißt nicht am Lenker oder läßt die Kupplung hörbar einfahren. Kein Aufheulen, kein Schnalzer, nichts. Praktisch nicht zu hören, daß sich die Drehzahl des Motors erhöhen würde. Die Rocket bäumt sich plötzlich zu voller Größe auf, stramm wie eine sozialistische Statue, und fährt mit Carmichael im Gepäck die Nebenfahrbahn entlang. So etwas habe ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie gesehen. Ebenso vermeintlich unspektakulär läßt er sie am Ende wieder zu Boden gleiten. Es war, als würde Kevin Ballett mit Tine Wittler tanzen und es auch noch gut aussehen lassen.


Grazil wie Tine Wittler beim Ballett.


Wir haben nicht einmal davon geträumt, das nach zu tanzen. Viel lieber starteten wir zu Beschleunigungsorgien auf der Landebahn. Immer voll einschenken und die Kraft durch den 240er Hinterreifen auf sich wirken lassen. Irgendwie schon gut, doch irgendwie war es damals besser. Die ehemalige Sitzposition, die einen bei Volllast hilflos am Lenker hängen ließ, verstärkte damals den Eindruck vom Andruck. Mit nunmehr 221 Nm drückt die Roadster zwar noch stärker an, als ihre Vorgängerin, man verkraftet das in der aktuellen Haltung allerdings müheloser als im alten Lehnstuhl. Das kann man so oder so auslegen, im alltäglichen Leben ist ein Weg jedenfalls selten eine Gerade und hier ist die neue Position nur von Vorteil. 

Es war nie leicht, eine Rocket zu bewegen. Haben die 367 Kilo erstmal einen Kurs eingeschlagen, ist es nicht so einfach, sie davon zu überzeugen, diesen gegebenenfalls abzuändern, weil es sonst der Gesundheitszustand tut. Ein Ausweichmanöver mit einer Rocket unterscheidet sich von dem eines sportlichen Motorrades wie ein Öltanker von einem Speedboat. Wer schnell mal den Radius verkürzen will, der wird zunächst eins merken: Nicht viel. Nachdem der Lenkende durch die aktivere Sitzposition der rohen Gewalt nicht mehr völlig ausgeliefert ist, hat sich die Lage in Schräglage immens verbessert. Man spürt, daß sich sogar so ein Ungetüm beherrschen und selbst in prekären Situationen noch unter Kontrolle bringen läßt. Das war ein großer Schritt anhand kleiner Veränderungen.

Wer spät bremst, hat ebenfalls nicht mehr. Mit dem fortan serienmäßigen ABS fühlt man sich nicht ganz so allein gelassen mit dem durchgedrehten Hippopotamus. Nein, das ist nicht peinlich, ganz sicher nicht, vor allem, weil das ABS keine Mehrkosten verursacht. Die "Neue" kostet immerhin ganze 2000 Euro weniger als die "Alte". Triumph hat also doch auf die Krise reagiert, spart anstatt bei der Leistung beim Preis. Die Roadster bringt beste Voraussetzungen mit, um die Rocket Fangemeinde weiter zu vergrößern. Bis dato wurden 17.000 Rockets an echte Männer im Durchschnittsalter von 45 Jahren gebracht (nur 2% Frauen trauten sich die Rakete zu). Wenn wir Glück haben, sorgt die spritzigere, agilere und potentere Roadster für eine Verjüngungskur in der reifen Anhängerschaft und wird in 5 Jahren vielleicht von einer Rocket Roadrage abgelöst. Dann mit 160 PS und 250 Nm. Der Abschied von der Rocket III muß niemandem schwerfallen.


Technische Daten Triumph Rocket III Roadster

Motor DOHC Reihen-Dreier, eine Ausgleichswelle
Hubraum 2295 ccm
Bohrung / Hub 101,6 x 94,3 mm
verdichtung 8,7:1
Leistung 148 PS / 5750 U/min.
Drehmoment 221 Nm / 2750 U/min.
Fahrwerk vorne 43 mm Kayaba Upside-Down
Fahrwerk hinten 2 Kayaba Federbeine
Reifen vorne 150/80 R 17
Reifen hinten 240/50 R16
Bremsen vorne 2 x 320 mm Scheiben, Vierkolbenfestsattel (Nissin)
Bremsen hinten 316 mm Scheibe, Zweikolbenschwimmsattel (Brembo)
Länge 2500 mm
Breite 970 mm
Höhe 1165 mm
Radstand 1695 mm
Sitzhöhe 750 mm
Gewicht voll 367 kg
Preis Österreich Mit 19.990 Euro inkl. Nova und NK
 

Interessante Links:

Text: kot
Bilder: Triumph

Fazit: Triumph Rocket III Roadster 2009

Der Name ist Programm. Wenn man schon mal dabei ist, die Fahrbarkeit zu optimieren, wieso  nicht auch gleich mehr Leistung einfüllen? Triumph dachte vielleicht, dass die Roadster mit dem 2,3 Liter Atomkraftwerk untermotorisiert sei und erhöhte mit der Montage eines neuen Auspuffsystems und ein paar Tastenkombinationen die Leistung und das Drehmoment


  • Sportliches Fahrgefühl
  • brutale Kraftentfaltung
  • leiser, angenehmer Motor
  • ABS.
  • Sehr hohes Gesamtgewicht
  • kompliziertes Handling
  • nichts für unerfahrene Motorradfahrer

Bericht vom 14.10.2009 | 17.381 Aufrufe

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