Test Buell 1125R

Starkes Stück Österreich inmitten ur-amerikanischer Ingenieurskunst. Be strong.

Buell 1125R

 

 
Buell war immer bekannt für kompromisslose, einzigartige Naked-Bikes mit innovativen technischen Lösungen, aber alten Motoren. Jetzt wird alles anders. Das neueste fliegende Pferd aus Wisconsin kommt mit einer einzigartigen Verkleidung und einem topmodernen liquid cooled Motor aus Österreich. Die Zusammenarbeit mit BRP-Rotax hebt Buell auf ein neues Level.
 

Incomparable. Anderer geht's nimmer.

 

Bumm-Zack-Prack. Zwei Schwergewichter teilen aus. Ein Fehler des einen bedeutet eine Watsche vom anderen. Jedes Ab- oder Nachlassen wird hart bestraft und endet im schlimmsten Fall durch Knock-Out auf der Matte. Dann gibt es bestimmt einen Verlierer. Mein Schwergewichtsgegner heißt Buell 1125R und ich muß kämpfen, dass er mich nicht hart ausknockt. Ich muß die Kontrolle behalten und ihm zeigen, dass ich seiner Kraft, seinen 146 Zweizylinder PS gewachsen bin und die unablässig zerrenden 111 Nm Drehmoment beherrsche. Kein Leichtes. Der erst kürzlich mit dem Wechselgeld eines weiteren Motorsport verrückten Milliardärs gebaute Kurs wartet mit einigen tückischen Passagen auf. 1. Gang Kurven, Fleckerlteppich aus verschiedenen Straßenbelägen, Sand auf der Strecke. Intensiv erlebbar gemacht auf einem charakterstarken, ruhelosen Motorrad. Easy to ride soll es sein. Für eine Buell ja.

 

Den Fotografen im Visier. Die Buell kennt den Weg.

Am Ende der Start-Ziel wird hart angebremst, dann quält man sich mit 60 um die erste Haarnadelkurve. Wer zu forsch am Bremshebel zieht, kommt schnell am Vorderrad daher. Schreckhaft sein ist am Ring genauso wenig empfehlenswert wie im Ring. Die 375 mm große (richtig gelesen), direkt mit der Felge verschraubte Edelstahlscheibe, in die Zange genommen von einem Achtkolben-Festsattel (wieder richtig gelesen) mit vier Bremsbelägen, braucht etwas Kraft, aber besonders bei harten Bremsmanövern einiges an Gefühl. Das Brems- system mag zwar überdimensional erscheinen, spart aber im Vergleich zu einer konventionellen Doppel- scheibenbremse deutlich an Gewicht, ohne an Bremsleistung einbüßen zu müssen, ganz im Gegenteil. Hinten kommt eine gewöhnlichen Maßstäben entsprechende 240 mm Scheibe und ein Doppelkolben-Festsattel zum Einsatz, der unsichtbar, weil innen an der Schwinge montiert ist.

Auf der typischen Teststrecke muß man immer wieder voll in die Eisen gehen, umlegen und wieder aus der Kurve raushämmern. Mit Zweizylindern oft eine haarige Angelegenheit. Doch die neue Buell hat zwei Vorteile. Eine hydraulische Slipper Kupplung und ein hervorragendes Getriebe. Die so genannte HVA (Hydraulic Vacuum Assist) Kupplung wird per Unterdruck aus dem Ansaugtrakt unterstützt. Das gewährleistet nicht nur eine leichtere Bedienung, sondern ermöglicht es der Kupplung zudem, die Motorbremswirkung beim Herunterschalten aus hohen Geschwindigkeiten zu kontrollieren, womit wir bei der Funktion einer Anti-Hopping Kupplung wären.

Der Reifen hält und hält....

...und hält. Pirelli Diablo Corsa III.

 

Buell 1125R Video


Stuntrider Craig Jones konnte seine Show leider nicht mehr abziehen, weil die Polizei schon wieder ein paar Schweizer in einem Safe verstecken wollte, was den Tagesplan zunichte machte. Er erklärte uns aber, wie ein 220 Meter Stoppie funktioniert und das nächste Mal können wir das selber.
 

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Schnitt: KarolettaLambretta
Videodreh: kot
 

 
Springendes Hinterrad Fehlanzeige. Die Buell bewahrte am Kurveneingang durchwegs die Ruhe. Als echten Genuß empfand ich das Sechsgang-Getriebe, kein einziges Mal erwischte ich den falschen Gang, den Leerlauf oder konnte einen Gang gar nicht einlegen, trotz oft schlampiger Bedienung des Schalthebels. Die Wellen des Getriebes wurden schräg übereinander angeordnet und die Gänge nutzungsoptimiert übersetzt. So kann der Motor in häufig gefahrenen Geschwindigkeitsbereichen seine volle Leistung ausspielen. Schließlich tut noch der nur 480 Gramm leichte Zahnriemen sein Übriges, um das häufige, starke Beschleunigen so angenehm wie möglich zu machen.

Apropos angenehm. Die schönsten Phasen im Kampf sind immer die, wo plötzlich alles um einen herum still wird und die Zeit einzufrieren scheint. Nein, ich meine nicht, wenn man K.O. geht. Einfach ein kurzer Moment, wo der Druck von einem abfällt. Dieser Zeitpunkt kommt, wenn man sich auf der 1125R auf den Tank legt, das Kinnteil des Helmes in die ungewöhnlich großzügige Ausnehmung um den Tankdeckel legt und gänzlich im Schutz des großen Windschildes verschwindet. Man taucht ein in die Quiet Zone. Und dann wird es still. So still, wie es noch auf keinem anderen Sportmotorrad dieser Welt gewesen sein kann, außer es war nicht in Betrieb. Als ob die Buell vollkommen überdacht wäre, liegt man im totalen Windschatten. Ein wahrlich faszinierendes Erlebnis.

Wohl fühlt man sich auf diesem Sportler auch aus anderen Gründen. Die Bedienelemente wie Kupplungs- und Handbremshebel, sowie Schalt- und Fußbremshebel sind serienmäßig individuell einstellbar. Der Sitz ist untypisch ausladend und bequem, scheint jedoch etwas zu breit geraten, weil er beim Stehen in die Oberschenkelinnenseiten drückt. Gut ablesbar ist die Instrumenteneinheit. Der analoge Drehzahlmesser verfügt über ein Schaltlicht, der digitale Tacho kann noch aus sehr schrägen Winkeln abgelesen werden. Überhaupt findet man hier einen hochmodernen Bordcomputer mit Laptimer, Lufttemperaturanzeige, zwei Tageskilometerzählern, Momentan- und Durchschnittsverbrauch und vieles mehr, das im Rennbetrieb abgelesen garantiert in einem Crash endet.

 

Der Wheelie kommt plötzlich wie die Linke von Wladimir.

Alles schön und gut, wären da nicht die Schläge, die man am Kurvenausgang kassiert. Wenn man die 146 Pferde beim Aufstellen auf die Gerade losläßt, kann das Vorderrad schnell mal kurz den Bodenkontakt verlieren und dann beginnt der Hengst nicht unsanft mit dem Kopf zu wackeln. Kann schon mal für einen kurzen Stop im Kreislauf sorgen. Unruhe im Lenker spürte ich auch bei Tempo 200 über eine Bodenwelle. Ein Lenkungsdämpfer wäre das erste, was ich montieren würde, wenn ich die Buell auf der Rennstrecke bewegen wollte.

Zentralisierung der Massen, Maximierung der Rahmensteifigkeit und Minimierung der ungefederten Massen - heute Pflicht bei Sportmotorrädern - waren die drei Dogmen bei der Entwicklung der 1125R. Kompakter, weit vorne angeordneter Motor, Auspuffanlage darunter, Kraftstoff im torsionssteifsten Alurahmen, den Buell je gebaut hat, sehr leichte Räder und Bremsen. Alles nur zu einem Zweck: Handling und Fahreigenschaften zu optimieren.  Wie die bullige Erscheinung nicht vermuten ließe - nach 170 kg trocken sieht sie wirklich nicht aus - macht die Buell alle Spielchen mit, ohne zu bocken. Selbst in schnellen Wechselkurven brauchte man keinen Gedanken daran zu verschwenden, daß sie vielleicht etwas anderes vorhat, als man selber. Enge und weite Radien werden präzise gezirkelt und mussten selten korrigiert werden.

 

Beim Kurvenverhalten besonders hervorzuheben ist die schier unendliche Schräglagenfreiheit. Bis zu 50° sollen möglich sein, das glaubte ich nicht nur wegen der montierten, hervorragenden Pirelli Diablo Corsa III, sondern weil die Fußrasten nur dann kurz aufsetzten, wenn Bodenwellen das Fahrwerk des Motorrades in voller Schräglage kurz einfedern ließen.

Obwohl die 1125R für die Rennstrecke konstruiert wurde, funktionierte sie in der (un)freien Welt umso besser und zeigte sich von ihrer gemütlichen Seite. Erst hier wußte man das satte, bis zu 111 Nm starke Drehmoment zu schätzen, von dem der größte Teil schon ab 3500 Touren zur Verfügung steht, ohne dazwischen einmal nachzulassen. Obwohl der Helicon Motor gerne bis 10500 Umdrehungen schafft, kann man die Landstraße im unteren und mittleren Drehzahlbereich genießen, ohne zu verhungern. Unangenehme Vibrationen werden von drei Ausgleichswellen abgefangen. Zusammen mit dem Windschutz ergab sich so ein unheimlich entspanntes Fahren mit der ständigen Bereitschaft für irgendwelche Blödheiten.

 

 

Frei von patriotischer Voreingenommenheit: Das echte Highlight an diesem Motorrad ist der Motor. Kraft ohne Ende und dann noch ein bisschen, auf der kleinen Teststrecke kaum richtig auszunutzen. Der volle Schub wirkt schon sehr früh und läßt nicht mehr nach, setzt oben sogar noch einen drauf. Die Vibrationen sind selbst bei hohen Drehzahlen noch erträglich. Vorsicht ist beim Umgang mit dem Gashebel geboten, der auf jede Bewegung reagiert und nicht nachfragt. Die Kraft kommt plötzlich und ist nichts für Anfänger.

Im Großen und Ganzen sollte man auf diesem Motorrad wissen, was man tut und wie man es tut. Kurz vergessen hatten das ein Deutscher und eine Schweizerin. Der Schweizerin flog nach 2 Versuchen auf dem Parktplatz die Buell endlich auf den Fuß (nicht fragen), der deutsche Kollege fand allerdings keinen Grund für seinen Sturz, der ihm das Schlüsselbein entzweite. Uns haben seine Endurostiefel Antwort darauf gegeben.

Weil man dieses Motorrad mit keinem anderen vergleichen kann, muß man sich erst daran gewöhnen, doch dann macht es irrsinnig viel Spaß, Watsch'n hab ich jedenfalls keine kassiert. Wie sie im Ernstfall auf der Rennstrecke gegen japanische, italienische und jetzt sogar österreichische Konkurrenz bestehen kann, wird sich zeigen. Echte Individualisten dürfte der Wettkampf sowieso nicht interessieren. Wer das Selbstvertrauen für dieses Design hat, dem macht es nichts aus, wenn ihn eine Reisschüssel überholt.

 

Nothing compares to me. Arg, mutig, brutal.

 

 

Text: kot
Foto: Buell, Ratering

 

Fazit: Buell 1125 CR 2008

Weil man dieses Motorrad mit keinem anderen vergleichen kann, muss man sich erst daran gewöhnen, doch dann macht es irrsinnig viel Spaß. Für die Neulinge unter uns: Wer das Selbstvertrauen für dieses Design hat, dem macht es nichts aus, wenn ihn eine Reisschüssel überholt.


  • Hydraulische Slipper Kupplung
  • hervorragendes Getriebe
  • leistungsfähiger Motor
  • Komfort
  • angenehmes Fahrgefühl
  • Bedienelemente einstellbar
  • Instrumenteneinheit
  • Bremsanlage.
  • Bremse erfordert teilweise Handkraft und viel Gefühl
  • Lenker in hohen Geschwindigkeiten unruhig.

Bericht vom 18.03.2008 | 25.797 Aufrufe

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