Suzuki GSX-R 1300
Hayabusa
|
|
Liebeserklärung an die viel zu schnelle Zeit, in der wir
leben.
|
|
Das Gesetz hat zu Schneckengang verdorben, dort wo Adlerflug geworden
wäre. […] Nur die Freiheit bildet Extremitäten und Kolosse aus.
Schiller, Die Räuber
|
|
|
Wir haben täglich Rot vor Augen und schaffen es dennoch
irgendwie, nicht ständig rot zu sehen.
Wir werden grundlos angehalten, gebremst, stillgelegt und
brechen nicht aus, aus dieser künstlich erzeugten Langsamkeit. Wir werden
umgeleitet, zurückgewiesen, weggeschickt und folgen dem Zeigefinger des
Gesetzes in die verkehrte Richtung, ohne zum amoklaufenden Geisterfahrer zu
werden. Wir sind eigentlich sehr beherrscht - vom Drang nach
Geschwindigkeit.
Die Hayabusa.
Monument der sinnlosen Raserei.
Sinnbild für alles, was gefährlich und
schlecht am Motorradfahren ist. Das Hackebeil im Schilderwald. Ein Motorrad,
bei dem allein schon der Kauf ein Statement gegen Regeln, Verbote und
Beschränkungen bedeutet. Ein Kamikazeflieger, der nur den Sturm nach
vorne kennt, nach ganz vorne. Als erstes Serienmotorrad hat die Hayabusa vor 8 Jahren die 300kmh/h
Grenze erreicht und überschritten. 300km/h. Das sind nicht bloß 3 mal 100
km/h, oder 100 mehr als 200. Das ist eine andere Dimension, weshalb diese
Marke für
Landfahrzeuge auch eine Art Schallmauer darstellt. Die Macht haben 300
fahren zu können und es nicht ständig zu tun, oder zumindest zu versuchen,
verlangt ein hohes Maß an Reife und Selbstkontrolle. Beides fehlt mir sogar
mit 30 noch allzu oft, wenn nicht immer.
|
|
|
Der Millenium Falke, das schnellste Schiff des
Universums.
|
Hayabusa Fahrer haben alle einen Vogel, soviel steht fest.
(Schließlich heißt Hayabusa - zum tausendsten Mal - Wanderfalke, was so
ziemlich der schnellste Vogel der uns bekannten Welt ist.) Wie kann man sich
sonst den Kauf eines 197 PS starken Motorrads erklären? Vielleicht ist es
die Gewissheit, daß man schneller fahren kann, als auf allen 30er Taferln im
Dorf zusammengenommen steht. Vielleicht auch die Tatsache, daß der Reifen
beim Beschleunigen noch bei 270 Schlupf zeigt. Oder einfach der menschliche,
wenn auch seltsame Wunsch nach Überfluß. Den hatte die Hayabusa an Leistung
schon 1999, damals mit 'gerade mal' 175 PS ausgestattet. Heute stecken über
20 Pferde mehr im 1340 Kubik Aggregat. Einen Vogel, sag' ich doch.
Damals schwor man sich in Japan leider auch, nie wieder ein Motorrad
zu bauen, das schneller als 300 läuft.
Nach japanischer Logik also: 200
PS einfüllen ja, 300 km/h fahren nein. Hä?
Wir wollten sehen, ob der neue Falke zumindest am analogen Tacho bis 300
steigt. Und weil auch wir über eine große Portion Selbst-verantwortung
verfügen, sind wir nach Deutschland gefahren, um das auszuprobieren. Genau,
nach Deutschland. Also 3 Stunden Anfahrt für einen 15 Sekunden dauernden
Hochgeschwindigkeitstest. Als hätten wir nichts Besseres zu tun.
Selbstverantwortung, sag' ich doch.
Die Beschleunigung ist auf der Hayabusa in ihrer Weise etwas
Einzigartiges, als ob 300 Spartiaten hinten anschieben.
Brutal aber nicht abrupt, vehement aber nicht ungestüm.
Soll noch einer sagen, daß das nicht kontrollierbar wäre. Wie eine irrsinnig starke, große Luxuslimousine. Hier wird viel Masse in
Bewegung versetzt, vollgetankt 260 Kilogramm. Der Hinterreifen meldet
aufgerieben und unter starken Schmerzen zuviel Kraft aus dem Motor. (Ein
Wunder, daß die Bridgestone BT-015 das überhaupt derzahn.) Als ob
man das nicht schon wüsste. Hilfeschreie des Pneus sind noch bei 270
zu vernehmen. Da schreit man dann selbst und beginnt zu zweifeln, ob das
nicht wirklich zu viel Leistung ist. Nur viel Zeit bleibt nicht zum
Zweifeln, es geht weiter und weiter, die Lüft wird dünner und weniger. Bis 280, 290….dann ist Schluß,
denn die Zahl der Zahlen sucht man vergeblich auf dem Tachoblatt. Das Ganze
passiert in nur wenigen Sekunden. Muß ein ganz großer Vogel sein.
Ob es dann noch weitergeht, das wagte ich nicht herauszufinden,
weil die Landschaft ausschliesslich nur mehr aus Strichen bestand und einige
Autos offensichtlich auf der Autobahn parkten. Es ist zu vermuten: 'You
ain't seen nothing yet!' Ich beschloss, lieber
komplett herunterzubremsen, also auf
130. Schön, dass man sich in solchen Situationen auf die Bremsen verlassen
kann. Was aber auch diese nicht vergessen, sind die 260 Kilo Lebendgewicht
der Speedqueen, die schwer anschieben. Man sollte ordentlich zupacken
können. Wie sich allerdings in den letzten Jahren gezeigt hat, sind die
Besitzer meist von stattlicher Figur und in der Lage, so ein Monster zu
beruhigen. Als ich endlich wieder im legalen Bereich unterwegs war, bemerkte
ich, daß die Autos nicht parkten, sondern ebenfalls 130 fuhren.
Nach der Hochgeschwindigkeitsorgie, die sämtliche Endorphinschleusen
geöffnet hat, machte sich anarchistisches Gedankengut in meinem Großhirn
breit.
'Ich habe das schnellste Motorrad, ergo bin ich der Schnellste
und ihr könnt mich alle.' Schön, nur leider fern jeder Realität. Als die
Glücksgefühle abgeklungen waren, fühlte ich mich plötzlich ständig wie ein
Verbrecher, auch wenn ich mich an die Geschwindigkeitsbeschränkungen hielt.
Dann schwirrten eher Gedanken durch meinen Kopf wie 'Können die mich
einsperren, weil sie wissen, daß ich theoretisch 300 fahren könnte und ein
dringender Verdachtsmoment vorliegt?". Was hat das Gesetz nur mit uns
gemacht? Wir fühlen uns schuldig, ohne schuldig zu sein. In Deutschland
habe ich kein Gesetz übertreten.
|
Understatement pur. Keine 300 am Tacho.
|
|
|
Großes Motorrad braucht große Scheiben.
|
|
|
Ein langes, schwarzes Rohr auf jeder Seite.
|
Wenn die Luft holen, bleibt dir die Luft weg.
|
Suzuki GSX-R 1300 Hayabusa Video
|
|
Man sieht die Freiheit vor lauter
Schilderwald nicht mehr. Sie ist irgendwo dahinter.
Uns fehlt nur der Mut,
den Wald zu durchdringen - oder abzuholzen. KarolettaLambretta versuchte, diese
philosophischen Gedanken in Bild und Ton darzustellen. Heraus kam ein Video,
das irrsinnig geil auf's Motorradfahren macht.
Besonders
wichtig!
Video unbedingt mit Ton anschauen.
Schnitt: KarolettaLambretta
Videodreh: kot, KarolettaLambretta, 2bfound
|
|
Zur Entspannung und Beruhigung nahm ich die Hayabusa mit auf die
Hausstrecke, um mit ihr etwas zu schunkeln.
Überraschend leicht ließ
sie sich in die Kurven gleiten, mit der selben Ruhe und Sicherheit, mit
der sie zuvor jede nur erdenkliche Geschwindigkeit erreicht hatte. Mit
etwas Nachdruck gab sie sich selbst in Wechselkurven ungewöhnlich
handlich für einen Sporttourer dieser Größe. Auf ganzer Linie eine sehr
harmonische Fahrdynamik, die großes Vertrauen schenkt. In dieser mehr
oder weniger friedlichen Atmosphäre (ein Kampf mit einer Tuono und einer
1098 war unvermeidlich) wurden mir auch die weiteren Vorzüge des Falken
bewußt.
Der außerordentlich bequeme, ausladende Sitz, der noch den
dicksten Hintern auf der langen Reise schonend zu behandeln vermag.
Gleiches gilt für den Sozius, obwohl Beifahrerinnen optimalerweise eher
schlank sein sollten. Was den Komfort betrifft, hat die 'busa den Titel
Sporttourer jedenfalls verdient. Weiters ist die niedrige Sitzhöhe von
805 mm positiv zu bewerten, die nicht nur das am-Knie-fahren deutlich
vereinfacht, sie sorgt zudem in jeder Stehphase für einen sicheren
Stand. Niemand muß Angst haben, sich mit dem Ungetüm durch zähen Verkehr
zu bewegen. Kein alltägliches Motorrad, doch durchaus als
Alltagsmotorrad zu gebrauchen. Die Hayabusa hat viel mehr Vorzüge, als
man das hinter den großen 300 vermuten würde und deshalb wird sie zu
Unrecht zum reinen Raserbock abgestempelt. Ich habe meinen kleinen Vogel
gewiss lieb gewonnen und fühlte mich mit ihm so wohl - und sicher(!) -
wie auf kaum einen anderen Motorrad zuvor. Vorige Woche dann leider eine
böse Überraschung. Anonymverfügung. 20 km/h zu schnell. Innerorts. Mit
einem Yamaha X-City 125 Roller. Soviel dazu.
Geschwindigkeit ist Freiheit der Seele, ist in einem Gästebuch zu lesen. Und
tatsächlich hat Geschwindigkeit etwas, das weit über das schnelle
Vorankommen, das kurzweilige Reisen von A nach B, hinausgeht. Natürlich wäre
Wien-München in 2 Stunden im Jahr 2008 logisch und möglich, ist nur
bedauerlicherweise nicht durchführbar. Vielleicht liegt die Freiheit
nicht darin, tatsächlich 300 km/h zu fahren, sondern einfach fahren zu
können. Diese Entscheidungfreiheit muß uns bleiben. Und jeder trifft sie
für sich selbst.
|
|
|
Der Falke ist ein Habicht. Na und? Hatten auch so größten
Respekt und Angst.
|
|
|
Buckel statt Sozius.
|
Unentschuldbares Heck.
|
|
|
Alles, was die Kraft kontrolliert. Außer dir
selbst.
|
Zur Sicherheit mit deutscher Nummer unterwegs.
|
|
|
|
Bei den Aufnahmen kam nur eine Taube zu
Schaden,
die der Habicht komplett vernichtet hat.
|
Sämtliche Blutspuren wurden vom Sitz entfernt
und der Bezug antibakteriell behandelt.
|
|
Karl Zierhofer hat einen Vogel. Er ist der
Einzige, der so einen haben darf.
|
|
Was ist hässlich? Wenn man nicht hinschauen kann, oder wenn man hinschauen
muß?
Übersehen hat die Hayabusa jedenfalls noch keiner. Auch ein Grund,
sie zu kaufen.
|
Technische Daten Suzuki GSX-R
1300 Hayabusa
|
Motor |
4-Zylinder
Reihenmotor, 4-Takt, 16V, DOHC, wassergekühlt.
|
Hubraum |
1.340 ccm |
Bohrung x
Hub
|
81 mm x 65mm |
Leistung |
145 kW (197 PS) bei
9.500 U/Min
|
Drehmoment |
155 NM bei 7.200 U/Min |
Verdichtung
|
12,5:1 |
Gemischaufb.
|
Elektron. Einspritzung |
Antrieb |
6-Gang, Kette |
Rahmen |
Twin-Spar, Aluminium |
Gabel |
USD Teleskopgabel,
voll einstellbar
|
Federbein |
Gas/Öl-gedämpft und
voll einstellbar
|
Reifen vo. |
120/70ZR17 |
Reifen hi. |
190/50ZR17 |
Bremsen vo. |
2 Scheibenbremsen 310
mm, 4-Kolben-Bremssattel
|
Bremsen hi. |
1 Scheibenbremse 260
mm, 2-Kolben-Bremssattel
|
Länge |
2.195 mm |
Breite |
740 mm |
Höhe |
1.170 mm |
Radstand |
1.485 mm |
Bodenfreiheit
|
120 mm |
Sitzhöhe |
805 mm |
Trockengewicht
|
220 kg |
Topspeed
ca.
|
295km/h |
Tankinhalt |
21 Liter |
|
|
|
Interessante Links:
|
Text: kot
Fotos & Video: Karoletta Lambretta
|