Oldtimer Tour

RBO Tour 2006. Irre Runde mit alten Puchs, Münchs, NSUs, BMWs und vielen mehr. Mann und Maschine hielten sich wacker
Am 10 Juni traf sich am Wiener Westbahnhof eine Gruppe unternehmungslustiger Herren fortgeschrittenen Alters zur 3. RBO Tour. Die betagten Herrschaften mit teilweise schütterem Haar und eisgrauen Bärten wollten ins Zillertal, um von dort mit ihren ebenfalls betagten Motorrädern in 7 Etappen nach Ostösterreich zurück zu fahren. Am Bahnsteig stand ein endlos langer Zug, dessen hintere Waggons alle besetzt waren. Kaiser Franz war der Unmut deutlich anzumerken und er knurrte mehrmals:" Wann I kann Sitzplotz kriag, fohr I glei wieder haaaam." Doch wir bekamen glücklicherweise unsere Sitzplätze, er fuhr nicht "haam" und ab ging's nach Jenbach in Tirol. Von dort erreichten wir nach kurzer Fahrt mit der Zillertalbahn unser Ziel : Strass im Zillertal.

Manfred hatte unsere alten Ladys mit dem Anhänger sicher ins Zillertal gebracht und wartete schon im Hotel auf uns. Die erlebnishungrigen Herren konnten das Abladen der Maschinen kaum erwarten und drängten auf eine sofortige kurze Ausfahrt. Sofort ist vielleicht etwas übertrieben, denn die Startprozedur dauert für gewöhnlich quälend lange und ist gekrönt von einer riesigen blauen Rauchwolke und infernalischem Motorenlärm. Die "Eingeborenen" die zuerst interessiert stehen bleiben, halten sich bald das Taschentuch vor die Nase und verlassen fluchtartig den Tatort. Bis der Letzte seine Maschine angeworfen hat, nimmt der Erste aufgrund eines Defektes schon wieder den Schraubenzieher heraus. Auch das Anfahren und Stehenbleiben der ganzen Gruppe, ist durchaus einem Güterzug vergleichbar.

Das Hotel war ein überaus bikerfreundliches, mit Werkstätte samt Hebebühne und unsere Motorräder standen selbstverständlich in der Garage neben der Gold Wing des Hoteliers. Abends lud er uns nach dem Essen ein die Motorradsammlung seines Nachbarn zu besichtigen. Dieser hatte ca. 40 alte Puch in wunderbarem Zustand in seiner Garage stehen und uns Oldtimerfreunden blieb vor Staunen der Mund offen, denn jeder von uns weiß was da an Arbeit und Geld drinnen steckt. Am nächsten Morgen blickte ich von meinem Balkon hinunter und glaubte ich schaue in eine Boxenstraße beim Grand Prix. Die meisten Böcke standen bereits heraußen und deren Besitzer zangelten daran herum. Alle gestikulierten und redeten Benzin.

Horstl's TF stand in der Werkstätte auf der Hebebühne umringt von "Puchologen". Von einem Scheinwerfer beleuchtet saß "Professor" Kaiser mit besorgter Miene vor dem Operationstisch und ringsherum standen die "Assistenzärzte". Aber alles geballte Wissen half letztlich nichts, denn erst ein ÖAMTC Pannenfahrer hat den Patienten mittels eines Bypasses wieder zum Laufen gebracht. Kurz darauf kam ein drahtiger alter Mann ein sogenannter "Altspatz" auf einer Puch 500 Bj. 36. Er begleitete uns auf der Tagestour nach Bayern und am Ende der Tagestour lud er uns noch in seine Garage nach Schwarz ein. Hier standen 38 bestens restaurierte Motorräder der Marken NSU und BMW und als Krönung eine legendäre MÜNCH. Dieses Riesengerät kennt man normalerweise nur aus Motorradzeitschriften. Es wiegt soviel wie ein "Smart for two" und dient nicht nur musealen Zwecken, denn der "Altspatz " und Rangler-Europameister, reitet dieses Ding auch noch.



Wie man uns berichtete, haben skeptische junge Motorradfahrer einmal Bedenken an seiner Fahrtüchtigkeit geäußert und seine Regentauglichkeit in Frage gestellt. Seine Freunde jedoch meinten:" Jetscht fohrts erscht amol und dann schaun ma obs eam nochkommts".

Am nächsten Tag gings über den Gerlos ins Pinzgau, den Pass Thurn nach Kitzbühel, St Johann in Tirol und dann ins Hotel nach Zell am See. Hier begleitete uns bis zum Pass Thurn der 74 jährige Vater des Hoteliers auf einer wunderschönen gelben TF, welche im Gegensatz zu Horst's Sorgenkind, tadellos lief. Auch der Fahrer beherrschte sein Gerät souverän und zeigte keinerlei Altersschwäche. Am Gerlos wurde mir das erste Mal das Wettbewebs -Syndrom bewusst, denn mit Beginn der Steigung heulten die 250er auf, die Burgess-Töpfe röhrten, die bis dahin mühsam gehaltene Formation löste sich augenblicklich auf und das Feld fiel auseinander. Die Spreu sonderte sich vom Weizen.

Auf der Passhöhe wartete bereits Werner die steirische Eiche und klagte, dass sein Motor schon eiskalt wäre, da er so lange auf die anderen warten musste. Sofort begann ein reger Erfahrungsaustausch über die Bergfahrt, die diversen Überholmanöver und die Leistungen einzelner Fahrer und Motorräder. Angesichts der Leistungsdaten und des Alters der Maschinen, ist das geradeso, wie wenn zwei Buben streiten, wer weiter pinkeln kann. Leider erwischte es auch Karl den Eisenbahner und größten Umleger nördlich der Donau. Seine 125er bekam vor der Abreise ein kleines Service samt neuen Reifen und das dürfte sie dem Herrchen übel genommen haben - Streik. So gab es für ihn nur eine Alternative: das "heiße Eisen" auf den Anhänger von Manfred zu stellen und die Heimfahrt mit den Kollegen der ÖBB anzutreten. Tags darauf, war er wieder da und zwar mit seiner wunderschönen Suzuki-Intruder. Einem Riesengerät voll glänzender Custom-Parts, einem Hinterreifen so breit wie das Kreuz des Fahrers und einem Motorgeräusch, wie das eines russischen Kampfpanzers aber alles wie er betont, völlig legal.




Nun konnten wir zur Königsetappe auf den Glockner aufbrechen. Da meine SGS noch nicht richtig eingefahren war, hat mich mein Bordingenieur Kaiser angewiesen sie nicht zu überfordern und zeitgerecht herunter zu schalten. Das ist leichter gesagt als getan, denn am Glockner gibt es für die SGS fast nur einen Gang, nämlich den zweiten und ohne Gasgeben geht gar nichts. Das Dach Österreichs verwöhnte uns mit strahlendem Sonnenschein, herrlichem Fernblick und erträglichen Temperaturen.

Bei der Talfahrt war ich sehr vorsichtig, da ich nicht viel Vertrauen zu den Trommelbremsen hatte. Ganz anders die beiden Glühstifte Hermann und Werner, die die fehlenden PS ihrer Geräte, durch einen gehörigen Adrenalinstoß kompensierten. Sie haben sich's auf der Talfahrt vom Glockner ordentlich besorgt und Werner kam mit abgeschliffenen Fußrasten und durchgeschliffenen Stiefeln herunter. Hermann konnte auf Grund höher gelegter Rasten diesem Schicksal entgehen."Olle Japaner hamma herbrennt" verkündetet Werner stolz. Die Hergebrannten kamen kurze Zeit später bei der Mautstelle an und grüßten ehrfürchtig und mit ungläubigem Staunen herüber. Der Rest der Etappe bis Bischofshofen verlief ohne Zwischenfälle und wir waren alle vollzählig.

Die Motorräder standen diesmal im Freien. Franz schlug deshalb Zausinger als Nachtwache vor und meinte: " Wenn er seine Sache gut macht bekommt er ein Kuvert." Dazu muss man wissen, dass der Zausinger ehemaliger Gemeindebediensteter war und der "Mann mit dem Kuvert" genannt wird. Vermutlich hatte er in seiner Berufslaufbahn viele Kuverts entgegen nehmen müssen aber selbstverständlich gilt für ihn die Unschuldsvermutung.

Die nächste Etappe führte nach Traunkirchen am Traunsee. Obwohl der Tag ziemlich heiß war lief anfangs alles gut nur die 125er von Hans machte Probleme und Hermann musste sie immer wieder anrennen. Er hat daher kurzerhand mit Hans das Motorrad getauscht und ist auf dessen Maschine weiter geritten. Bisher war Hermann immer der Schnellste gewesen, da er ja auch die beste und jüngste Maschine hat, aber als er dann mit der angeschlagenen 125er die 250er Fraktion deklassierte, blieb den schneidigen Kollegen der Mund offen. Somit hat uns Hermann unmissverständlich gezeigt, wo der Hammer hängt. Auch körperlich hat er einiges zu bieten, denn als "Mutter der Kompanie" musste er mehrmals am Tag störrische Maschinen anrennen, (so auch meine) und dies in voller Lederwäsche, bei hochsommerlichen Temperaturen. Ich glaube er hat auf dieser Tour mehrere Kilo verloren und eine Beinmuskulatur wie der legendäre Vogel Strauß entwickelt.

Unterwegs gab's dann das berühmte Picknick von Sylvia und Manfred, welches uns allen große Freude bereitete. 

Besonders der Mann mit dem Kuvert, der ganz gegen seine sonstigen Essgewohnheiten (3 Äpfel pro Tag), fünfmal am Buffet zuschlug. Er gilt allgemein als Geizkragen, tankt nur 91 Oktan, und isst am Buffet wie ein Heuschreckenschwarm.

Da es noch zu früh war ins Hotel zu fahren, entschlossen wir uns zu einer Fahrt rund um den Attersee. Nach beträchtlichen Startschwierigkeiten ereilte mich auf der Strecke zwischen Atter- und Traunsee das Schicksal und meine SGS hatte einen Reiber. Werner der hinter mir fuhr brachte sie sofort wieder zum Laufen und fuhr damit bis zum Hotel. Ich folgte mit seinem Motorrad. Beim Hotel stellte Kaiser Franz fest, dass keine Kompression mehr vorhanden war und ich entschloss mich daher nach dem Abendessen, es Karl gleichzutun, mit der Bahn nach Hause zu fahren und am nächsten Tag mit dem Roller wieder zu kommen. Da es noch früh am Nachmittag war machte ich eine Runde zu allen Salzkammergut -Seen und das Erste was ich neben der Straße nach Ischl sah, war eine gelbe TF. Kurz darauf kam Horst aus dem Buschwerk und berichtete mir, dass er wieder einmal auf den ÖAMTC warte (auf wen auch sonst?).

Abends, ich hatte schon das zweite Bier, kehrte die Truppe von der Tagesetappe zurück, Zausinger sehr sportlich ohne vorderen Kotschützer. Wie man mir berichtete, hatte er, trotzdem er am Berg für gewöhnlich aufs Gasgeben vergisst, in der Kurve einen Ausritt auf die linke Seite, eine leichte Kollision mit einem PKW und dabei seine SG beschädigt. Gott sei Dank ist niemand etwas passiert, nur der geizige Hans wird sich überwinden, den Sparstrumpf öffnen und einen neuen Kotschützer kaufen müssen.

Einer der Truppe verlor unterwegs seinen Scheinwerfer und alle miteinander sind auf einer Forststraße von einem aufgebrachten Naturfreund mit einer Anzeige bedroht worden. Also insgesamt, ein sehr ereignisreicher Tag. Die nächste Etappe führte uns über Gmunden, Vorderstoder, Widischgarsten, Wildalpen und Gusswerk nach Mariazell. Ich weiß es ist ein Sakrileg, aber ich konnte endlich wieder unaufgeregt fahren, denn ich brauchte zum Starten nur aufs Knöpfchen zu drücken und unter meinem Hintern schnurrte unauffällig ein 4-Takt Honda-Motor.

Wie schon vor 2 Jahren begrüßte uns Mariazell mit dunklen Wolken, samt Unwetterwarnung und wir waren glücklich als wir unserer Motorräder in einem von Werner organisierten ehemaligen Heustadel abstellen konnten. Das Hotel Magnus- Klause war ein stinkfeiner Laden aber offensichtlich als Buße für die Pilger ohne Lift. Die Kellnerinnen waren aus der Slowakei und der alte Pfau Kaiser hat sie als ehemaliger Baggerfahrer auch sofort angebaggert. Aufgrund der unbeständigen Wetterlage, entschlossen Franz und ich uns, auf das Programm des letzten Tages zu verzichten und uns unverzüglich auf den Heimweg zu machen.

Nach einer Woche Zweitakt-Geknatters, dichten Rauchwolken und Pannen, verabschiedeten wir uns schweren Herzens von den Kollegen. Doch Hermann hat uns schon das Maul wässerig gemacht und sein Projekt für nächstes Jahr angekündigt. Ich bin überzeugt, nach der Winterpause werden die betagten Herren mit ihren weißen Bärten wieder unruhig werden, ihre alten Schätzchen aus der Garage holen, auf Hochglanz polieren und von fernen Ländern und blauem Rauch träumen.

Bis dahin verabschiedet sich mit den besten Wünschen Euer Korrespondent Günther.


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Autor
motorradreisen

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Bericht vom 07.09.2006 | 5.993 Aufrufe

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