Enduro Lehrstunde

Beim Enduro ÖM Lauf in Nagytarcsa hab ich wieder mal einiges gelernt. Damit euch diese schmerzvollen Erfahrungen erspart bleiben hier ein paar Enduro Tipps für euren ersten Einsatz bei einem Enduro ÖM Rennen.
Die Staatsmeisterschaft Läufe haben gegenüber Hobbyveranstaltungen nämlich einen sehr großen Vorteil. Es gibt meistens eine sehr große Runde zwischen 40 und 70 km und durch den Enduro-Modus (vorgegebene Zeiten) gibt es fast keine Staus über die gesamte Strecke. Doch kein Vorteil ohne Nachteil. Im Gegensatz zu Hobbyveranstaltungen ist der administrative Aufwand bei einem richtigen ÖM Lauf besonders für Neulinge etwas mühselig. Nehmen wir das Rennen von diesem Wochenende in Nagytarcsa als Beispiel zur Erläuterung.
 
Anreise und Anmeldung

Um möglichst wenig Zeit in der ungarischen Pampa zu verbringen reiste ich erst am Samstag in der Früh an. Die meisten anderen Enduroracer kommen schon am Freitag Nachmittag zum Ort des Geschehens und werfen sofort den Griller an. Am Samstag Morgen begann dann die Anmeldeprozedur. Ich versuchte mich bei dem ungarischen Veranstalter anzumelden, doch dort erklärte man mir ich brauche eine Lizenz. Also machte ich mich auf die Suche nach dem OSK-Vertreter vor Ort und der erklärte mir ich brauche einen Stempel vom Sportarzt. Also suchte ich den Sportarzt, dann wieder den OSK-Vertreter für die Tageslizenz und dann wurde ich wieder beim Veranstalter vorstellig.

Nilsis Tipp für Rookies:

Am besten schon am Freitag anreisen damit man den offiziellen Spießrutenlauf am Samstag schon möglichst früh beginnen kann. Hier eine kleine Checkliste:

  1. Zulassungsschein und Führerschein mitnehmen
  2. Tageslizenzformular von OSK Vertreter holen (Kostet ca. 30 Euro. Ab dem 3. Rennen zahlt sich eine Jahreslizenz aus, welche man zb. beim ÖAMTC Gelände in Teesdorf bekommt. Damit erspart man sich mal schon einiges an Arbeit vor Ort)
  3. Mit dem Tageslizenzformular zum Sportarzt vor Ort laufen. Inhaber einer Jahreslizenz ersparen sich diesen Schritt.
  4. Mit der Lizenz kann man sich dann direkt beim Veranstalter anmelden. Neulingen empfehle ich eine Teilnahme in der Hobbyklasse. Dort fährt man eine Runde weniger und die Richtzeiten (siehe Unten) sind ein wenig großzügiger bemessen. Bei dem ganzen Anmeldeprozedere immer Zulassungsschein und Führerschein mitnehmen. Die Nenngebühr fürs Rennen selbst beträgt für 2 Tage 70 Euro.
 
Die technische Abnahme

Bei der Anmeldung bekam ich meine Startnummer zugewiesen. Fahrer welche innerhalb eines Jahres an mehreren ÖM Läufen mitfahren, bekommen immer die gleiche Startnummer. Klarerweise habe ich die Startnummer von damals nicht mehr auf meinem Mopperl picken und muss mir beim OSK Vertreter Startnummern kaufen. Der erste Anlauf bei der technischen Abnahme wird ein Reinfall. Die Startnummern sind nicht auf weißem Hintergrund geklebt, sondern direkt auf die orangen Plastics meiner Kanten. Also fuhr ich wieder zurück ins Fahrerlager und hab nach weißen Folien geschnorrt. Doch auch der nächste Anlauf bei der technischen Kontrolle wird ein Reinfall. Diesmal hab ich keinen Lenkerpolster montiert. Doch auch dieser Fehler wird durch eine großzügige Lenkerpolster Spende des OSK-Vertreters korrigiert. Bei der technischen Abnahme wird mein Motorrad dann ins Parc Ferme gerollt und ich bekam als Auslösegutschein einen kleinen Wisch mit dem ich mein oranges Baby vor dem Start wieder abholen kann.

Nilsis Tipp für Rookies:

Die technische Abnahme kann für Neulinge schon mal zu einem unüberwindbaren Hindernis werden. Hier eine kleine Checkliste.

  1. Das Motorrad muss klarerweise in einem technisch guten Zustand sein. Bremsen, Radlager usw. dürfen nicht beschädigt sein. Aber wer startet schon mit einer kaputten Krücke bei einem Rennen?
  2. Am Motorrad muss Licht und Kennzeichen montiert sein. Entweder das originale Taferl oder besser einen eigenen Nachbau. Am besten einen Taferl-Fake ausdrucken, in Plastikfolie einschweißen oder einkleben und hinten aufs Mopperl schnallen. Denn das originale Blech überlebt selten das erste Rennen ohne Riss.
  3. Bei der technischen Abnahme den Zulassungsschein nicht vergessen.
  4. Lenkerpolster (bei Alu Lenker ohne Querstrebe) oder Lenkerrolle (bei Lenker mit Querstrebe) sind Pflicht.
  5. Abgesägte oder abgebrochene Brems- bzw. Kupplungshebel werden meistens nicht geduldet. Wenn, dann müssen die Enden der Hebelei mit einem Tape ein wenig "sicherer" gemacht werden.
  6. Den weißen (für die Profiklasse roter) Hintergrund auf den Startnummernflächen vorne und auf den Seiten am besten schon daheim aufkleben. Die weiße Folie hat so ziemlich jeder MX- und Enduro Händler lagend.
 
Die Zeiten

Enduro Profis werden nun vermutlich milde lächeln, aber für Enduro Neulinge ist das "Vorgabezeiten"-System mit Sonderprüfungen eine echte Herausforderung. Hier eine kurze Erläuterung: Jeder Starter startet gemeinsam mit einem anderen Racer zu einer definierten Startzeit. Die Startzeiten werden vom Veranstalter vor Ort ausgehängt. So ein Zeitenaushang schaut dann z.B so aus.:

  • Start: 11:45 Uhr
  • ZK1: 12:30 Uhr
  • ZK2: 13:03 Uhr
  • ZK3: 13:43 Uhr (= Start zur 2. Runde)

10 Minuten vor dem Start holte ich mir mein Eisen aus dem Parc Ferme (den Wisch von der technischen Abnahme hatte ich diesmal nicht vergessen) und rolle das Eisen zum Start. Das Motorrad darf vor dem Startschuss NICHT angestartet werden. Beim Start bekam ich vom Veranstalter meine Zeitkarte ausgehändigt welche ich natürlich wieder einmal nirgends einstecken kann. Ich muss es nun schaffen die Zeitkontrolle 1 um 12:30 Uhr zu erreichen. Bin ich zu langsam bekomme ich pro Minute eine Strafminute, bin ich zu schnell muss ich vor der Zeitkontrolle warten bis meine Kontrollzeit auf der offiziellen Uhr der Zeitkontrolle aufleuchtet. Die Zeit wird dann auf meine Zeitkarte eingetragen.

Nilsis Tipp für Rookies:
  1. Beim Endurorennen benötigt man irgendein kleines Tascherl wo man sich die Zeitkarte einstecken kann. Also entweder mit einer klassen Endurobekleidung mit Taschen antreten oder am Motorrad ein kleine Tasche montieren.
  2. Die Vorgeabezeiten des Veranstalters mit einem wasserfesten Stift auf Racetape schreiben und am Lenker oder am Tank picken. Einige Enduropiloten haben auch noch einen 2. Schummelzettel eingesteckt. Sicher ist sicher.
 
Das Rennen

Wie immer bei meinen Enduroeinsätzen war das Schicksal auch diesmal wieder grausam zu mir. Beim ersten richtigen Steilhang hängen ein paar ungarische Hobbyenduristen ohne Startnummern im Gebüsch und kommen nicht weiter. Ich hab dort unendlich viel Zeit verbraten bis ich endlich den Steilhang raufgekommen bin. Klarerweise habe ich versucht nun wieder etwas Zeit gut zu machen und hab auf dem langen Feldweg gnadenlos angedrückt. Hinter einem kleinen Hügel tauchte plötzlich eine Furche auf dem Weg auf, welche Erinnerungen an den Marianengraben aufkommen ließen. Der Abgang war mörderisch und ich kam erst nach einigen Saltos und Rollen zum Stillstand. Doch außer Schürfungen und Prellungen ist mir zum Glück nix passiert. Als besonders empfehlenswert kann ich an dieser Stelle meine Hebo-Strike Knieprotektoren erwähnen.

Nilsis Tipp für Rookies:
  1. Versuch erst gar nicht auf den schnellen langen Geraden die vermurkste Zeit wieder gut zu machen. Ein zügiges Tempo ist angebracht, aber unkontrollierbarer Speed auf Feldwegen kann mit großzügig bemessenen Krankenstandszeiten enden. Du musst im schlimmsten Fall damit rechnen dass hinter der nächsten Ecke ein Baumstamm, ein Schlagloch oder ein in Kopfhöhe montierter Ast Deinen Weg kreuzt.
  2. Spare nicht bei der Kleidung! Knie- und Schienbeinschützer, Brustpanzer und Ellbogenschutz sind unumgänglich. Ich verwende ein praktisches Protektorenhemd.
 
Klarerweise hab ich nach dem grimmigen Sturz bei der Zeitkontrolle 1 gleich 5 Minuten Überzeit aufgerissen.
Nilsis Erklärung für Enduro Rookies:

"Überzeit aufreissen" bedeutet du kommst zu spät zur Zeitkontrolle. Diese Überzeit kannst Du auch nicht mehr los werden. Wenn Du also bei der ersten Zeitkontrolle um 5 Minuten zu spät dran bist, dann nimmst Du diese 5 Minuten das restliche Rennen mit. Ab sofort wird das Rennen eine kleine Rechenaufgabe. Zu dem Schummelzettel auf der Lenkerrolle musst Du nun jeweils die 5 Minuten dazu rechnen. Enduristen welche schon in der Volksschule in Mathe durchgefallen sind, sollten also zu hause bleiben.

 
Die Sonderprüfungen

Innerhalb der weitläufigen Endurorunde gibt es dann gezeitete Sonderprüfungen. Eine Sonderprüfung hat MX Charakter und eine Sonderprüfung Enduro-Wiesenslalom Charakter. Dort gibt man dann Feuer ohne Ende und muss dann ernüchternd feststellen dass Dir der Müller Werner auf einer 2 Minuten Runde ganz normal 25 Sekunden aufbrennt. Die Sondeprüfungszeiten sind auch die maßgeblichen Zeiten für die besseren Enduropiloten. Denn die haben meist keine Überzeit und dann ergibt die Summe der Sonderprüfungszeiten die Gesamtzeit.

 
Unüberwindbare Hindernisse

Mit meiner extrem niedrigen Schmerzgrenze hätte ich nach dem Sturz eigentlich sofort das Feld räumen sollen - tat ich aber nicht. Ich fuhr geradewegs in das "Highlight" dieses Rennens. Die Schlammgrube war so eine Art Hohlweg mit 10cm - 1m tiefen Schlamm. An dieser Stelle trennte sich die Spreu vom Weizen. Ich fuhr munter drauf los und hab das Keuchen und Wehklagen der anderen Enduristen ignoriert. Weit bin ich nicht gekommen und das Bike steckte weit über die Achsen im Schlamm. Insgesamt hab ich 2-3 Stunderln in der Schlammgrube verbracht und habe mir geschworen nie mehr wieder ein Enduro-Rennen zu fahren. Zwischendurch begann ich auch zu weinen, hab aber schnell aufgehört als Werner Müller, Pauli Schrank und Co. ganz normal an mir vorbei fuhren.

 
Pauli Schrank Tipp für Enduristen:

Beim kurzen Interview im Fahrerlager gab mir Pauli Schrank einen wesentlichen Tipp fürs Enduro Fahren.

NastyNils:" Hallo Pauli! Wie schaffst Du es die unmenschliche Schlammgrube ganz normal zu durchfahren"
Pauli Schrank:" Ganz einfach. Du musst dort fahren wo die anderen NICHT fahren bzw. stecken. Hinfahren zum Hindernis - Augen Auf - Hirn einschalten und einen Weg suchen wo die Leute nicht einen halben Meter tief im Schlamm stecken."
NastyNils:" Alles klar! Ich hab ja auch ein wenig geschaut, aber dort war ja überall Gestrüpp und Baumstämme usw."
Pauli Schrank:" Des geht schon"

Kurze Zusammenfassung:" 10 Sekunden schauen und denken kann 10 Minuten zerren und leiden ersparen"

 

Der Pauli Schrank hat die beste Boxencrew (siehe links im Bild) bei den Rennen die man sich nur wünschen kann. Ganz klar das er dann bei den Rennen immer so kräftig andrücken kann - bei der Boxencrew. 

In der Jahreswertung muss sich Pauli Schrank zur Zeit nur Werner Müller geschlagen geben und liegt auf Platz 2. Auch bei diesem Rennen in Nagytarcsa holt sich Pauli 2x den 2. Platz in der 4 Takt Klasse hinter dem Werner Müller.

 
 
Der Ausfall

Auch am 2. Tag war ich nicht von Erfolg verwöhnt. Nach einer halben Stunde war bei meinem Hinterreifen Feierabend. Jetzt musste ich mit dem platten Hinterreifen den Rest der ersten Etappe fahren.

Nilsis Tipp für Rookies:

Erfahrene Enduristen wissen es längst. Um sich einen Platten zu ersparen montiert man am besten die extradicken Schläuche von Bridgestone. Die Dinger sind zwar fast doppelt so schwer wie "normale" Schläuche, halten aber wesentlich mehr aus. Fast jeder MX- und Endurohändler hat die Schläuche im Geschäft.

 
Fazit

Endurofreaks sollten sich nicht vom der im Gegensatz zu Hobbyveranstaltungen mühseligeren Anmeldung abschrecken lassen. Hobbyraces sind was ganz was geiles und ich bin bei einigen Läufen mitgefahren. Aber am schönsten sind immer noch Endurorunden von bis zu 70km bei einem ÖM Lauf. Da geht nix drüber. Also! Bei der nächsten Saison auf alle Fälle ein paar ÖM Läufe in den persönlichen Enduro Kalender einplanen. Die Enduro Kollegen im Fahrerlager sind immer extrem hilfsbereit und einem feinen Wochenende steht wenn dann nur das Wetter im Wege.

 
 

Der beste Enduropilot Östereichs! Werner Müller (links im Bild) war letztes Jahr auch Europameister mit seiner 525er KTM und ist auch heuer super unterwegs. Leider hat er verletzungsbedingt wichtige Rennen und Punkte versäumt. Bei der ÖM wird es so wie es aussieht für den Titel reichen. Beim Saisonfinale in Bruck sollte er den Titel klar machen - wenn ihm kein Missgeschick passiert.

 

  
 
 

Links im Bild ein schnelles Talent auf der Endurostrecke. Halsmayer Andreas wurde am Samstag 3. in der Hobbyklasse und am Sonntag nach einem Fehler im Endurotest 7. Ich fordere einen Antritt im kommenden Jahr in der Profiklasse. Dann wird meine Platzierung automatisch um einen Rang besser - sollte ich jemals das Ziel erreichen.

Bericht vom 08.09.2004 | 5.062 Aufrufe

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