Yamaha Tricity (Härte-)Test auf der Landstraße

Mit dem Dreiradler um 's Eck, dass die Funken fliegen.

Der Chef, NastyNils, kam letzte Woche ins Büro und meinte, er braucht die Meinung von jemand Unvoreingenommenen, der über die schärfste Waffe im Testbike Fuhrpark schreibt - jemanden wie mich. Widersprechen konnte ich nicht, also schlüpfte ich, ahnungslos und vorbereitet auf das Schlimmste, sicherheitshalber gleich in die wasserdichte Unterhose und meine sturzerprobte Racing-Kombi. Schließlich kann man ja nie wissen wie scharf das Teil wirklich ist...?!

Er meint wohl die ZX-10R, oder doch die 701 Supermoto, welche ich unlängst bei uns stehen gesehen hatte? Nein. Weit gefehlt. Es war, wie ein Blick in unseren Hinterhof offenbarte ... ein Dreirad. Konkret - die Yamaha Tricity, eine mir bisher nur von Bildern bekannte Schöpfung.

Die letzten Dreirad Erfahrungen beschränken sich bei mir auf den Kindergarten. Dort war übrigens auch zum letzten Mal die wasserdichte Unterhose im Einsatz.

Gerät für urbane Cowboys

Eine untypische Erscheinung die Tricity - vorne 2 hinten 1. Kurz widerstand ich dem Gedanken verkehrt herum aufzusteigen. Der Einfall dann beim ersten Rundgang um das Gefährt: Das richtige Gerät für urbane Cowboys. Da ich aber generell nicht so der Stadtmensch bin und auch schon mein Rennleder anhatte, entführte ich die Tricity kurzerhand aus ihrem eigentlichen Revier und preschte raus aufs Land. Der vermeintlich flotte Ritt entpuppte sich nach den ersten Metern dann aber doch eher als gemächlicher Galopp. Umdenken war gefragt, in der Achtelliter-Klasse erfreut man sich mehr der Komfortfeatures denn an purer Motorleistung.

Erste Eindrücke

Kurzer Stopp an der Ampel. Gute Gelegenheit die ersten Eindrücken Revue passieren zu lassen. Was haben wir? 3 Räder, 125ccm, 11 PS, etwas über 150 kg, ein kolossales Windschild (aus dem Zubehör) und jede Menge Stauraum. Wind- und Wetterschutz sind als sehr gut zu bezeichnen. Die wuchtige Frontscheibe bietet selbst großen Leuten wie mir mit 1,90m noch wunderbaren Komfort. Die Verkleidung ist so gestaltet, dass auch Hände und Füße relativ wenig vom Fahrtwind abbekommen. Selbst bei einem kleinen Regenschauer hat man gute Chance einigermaßen trocken davon zu kommen - solange man sich in Fahrt befindet, versteht sich. Von widrigen Witterungsverhältnissen lässt sich die Tricity überhaupt wenig beeindrucken. Das toll funktionierende Kombibremssystem, welches automatisch für eine optimale Bremskraftverteilung zwischen den beiden Vorderrädern und dem Antriebsrad im Heck sorgt, bringt samt ABS jederzeit die Fuhre sicher zum Stehen.

Jetzt wird´s ernst.

Die letzte Ampel hinter mir gelassen, freue ich mich endlich auf das erste Stück Landstraße und reiße das Gas auf. Die entfesselten 11 Pferde schieben, im bereits erwähnten gemächlichen Galopp, bis auf 80 Km/h. Mit etwas Rückenwind und Heimweh schaffe ich es sogar kurzzeitig 90 auf die hübsche digitale Instrumenteneinheit zu bekommen. Diese informiert mich dafür sogar darüber, dass wir gerade 17° Celsius Außentemperatur haben - praktisch!

Die ersten Kurven kommen in Sicht. Mal sehen was geht mit dem mittlerweile liebgewonnenen Dreirad?! Eigentlich überraschend viel. Das Neigesystem MLW sorgt für grandiose Stabilität und sehr gute Spurtreue. Das Umlegen gelingt, selbst in flotten Wechselkurven, wie von selbst. Gefühlt biege ich ums Eck wie ein TGV auf Rekordfahrt. Erst als der Hauptständer über den Asphalt scharrt mahne ich mich selbst zur Vorsicht. In der Praxis ist die Schräglagenfreiheit aber als absolut ausreichend zu bezeichnen. Nur bei wirklich beherzter Kurvenfahrt begrenzt die stählerne Parkvorrichtung das wilde Treiben.

Auch zu zweit ausreichend Platz

Zu Hause angelangt kommt mir der zusätzlich vorhandene Seitenständer zu Gute. So kann die Tricity unkompliziert und schnell abgestellt werden. Von alleine stehen tut sie übrigens trotz der drei Räder nicht, es gibt keinen "Parkmodus" für das MLW System. Das Fahrwerk an sich kann als angenehm straff bezeichnet werden. Kleine Unebenheiten werden toll geschluckt. Erst bei größeren Temposchwellen oder schlecht gesetzten Kanaldeckeln würde ich mir eine etwas softere Abstimmung wünschen. Ebenfalls getestet habe ich den Betrieb mit Sozia. Selbst zu zweit hat man auf der großen und komfortablen Sitzbank ausreichend Platz. Durch die, im Allgemeinen, sehr gute Fahrstabilität hat die zweite Person kaum Einfluss auf das Handling und die Tricity kann auch hier überzeugen.

Das Revier der Yamaha Tricity ist und bleibt die Stadt.

Dennoch - das Revier der Yamaha Tricity ist und bleibt die Stadt. Sie ist unkompliziert, wendig und sicher. Ob alleine in die Arbeit oder am Nachmittag zu zweit zum Shopping - alles kein Problem für den sympathischen Dreiradler. In der Praxis hat man eigentlich dem gewöhnlichen Roller gegenüber nur Vorteile. Selbst das Vorbeischlängeln an der Ampel ist dank schmaler Bauweise und knappem Lenker genauso gut möglich. Die mehrspurige Front samt ABS sowie der sehr gute Witterungsschutz machen aus der Tricity auch das ideale Ganzjahres Fahrzeug. Obendrein ist sie vielleicht durch den zusätzlichen Sicherheitsaspekt, gepaart mit den gutmütigen Fahrleistungen, ein ideales Fahrzeug für Leute, die sich bis jetzt nicht über ein Motorrad als Zweitfahrzeug getraut haben.

Fazit: Yamaha Tricity 125 2016

Der perfekte Stadtflitzer.


  • sicher
  • umkompliziert
  • handlich
  • sparsam
  • Fahrwerk vielleicht für mache zu straff

Bericht vom 20.07.2016 | 27.421 Aufrufe

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