Indian Scout Sixty Test

Neue Scout mit 999 Kubik

Indian schiebt nach der sehr erfolgreichen Scout jetzt die Scout Sixty in den Markt. Wir testeten die Sixty in den Bergen hinter Marbella. Wunderbar!

Bildschön! Für mich ist bei einem Cruiser oder Chopper in erster Linie die Optik entscheidend. Das Eisen muss mir volle Kanne ins Herz fahren. Und das macht die Indian Scout Sixty. Sie ist mit der großen Scout nahezu identisch. Einzige Unterschiede: 6 mm weniger Bohrung also 999 ccm, kein 6. Gang. Sonst ist alles gleich: Rahmen, Fahrwerk, Bremse, Gewicht. Da ich die Scout noch nicht gefahren bin, sondern nur die Sixty jetzt, kann ich keine Vergleiche ziehen, sondern lediglich über das Fahrverhalten der Sixty berichten.

Sehr breites Drehzahlband.

Der Motor mit 4-Ventil-Kopf hat ein sehr breites Drehzahlband. Insofern ist es vollkommen egal, dass in der klassischen, schönen Rundarmatur ein Drehzahlmesser fehlt. Der 999 ccm 60° V2 dreht von unten bis ganz oben mit nahezu linearer Leistungsentfaltung. Wer den V2 voll auswindet, wird wohlwollend zur Kenntnis nehmen, dass er sich erst bei 170 km/h im dritten Gang in den Begrenzer stürzt. Alle Achtung. Ich habe den Topspeed nicht ausprobiert, vermute aber, dass der fünfte Gang bis 200 km/h reichen dürfte. Wobei klar sein muss, dass man diese hohen Geschwindigkeiten nicht länger fahren wird, da der Winddruck aufgrund der Sitzposition enorm ist. Stichwort: Segel im Wind. Und es wird ja auch nur ganz wenige Menschen geben, die sich die Indian Scout Sixty kaufen, um im Knocking-on-heavens-door-Modus durch die Welt zu rabauken. Diese Indian ist ein Cruiser, ein Genuss-Eisen, eine Flanier-Queen. Aber halt eine, die sich sehr gut bewegen lässt.

Spielerisches Handling und das Wunder des Gewichts.

Überraschend war, wie leicht sich die Scout Sixty anfühlte. Von einer Maschine, die vollgetankt rund 270 kg auf die Waage bringt, erwartet man sich, dass sie zumindest im Stand ein echter Klotz ist, aber selbst beim Rangieren wirkt die Indian leicht und flink. Das muss einerseits an der sehr geringen Sitzhöhe liegen, und andererseits an einem besonders tiefen Schwerpunkt. Jedenfalls ist es wunderbar - im wahrsten Sinne des Wortes. Auch in voller Fahrt ist das Handling der imposanten Maschine immer einfach. Lenkt relativ leicht ein, ist trotzdem ausreichend stabil (also kein Schaukeln oder Pendeln) und verwöhnt den Piloten mit echten Federwegen hinten. Selbst auf harten Wellen schlagen die Stereobeine, die in der Vorspannung verstellbar sind, nicht durch. Super! Da geht die kleine Indian bei den Freiheitseisen in Führung.

Echte Bremse mit ABS.

A priori hätte ich der Einzelscheibe vorne keine ordentliche Bremswirkung zugetraut, de facto aber war der Anker absolut ausreichend. Vielleicht war der erste Biss sogar eine Nuance zu scharf. Das ABS hat das eine oder andere Mal ausgelöst - kommt nicht superspät und hat keine ultrakurzen Supersport-Intervalle, funktioniert aber tadellos. Wie die Verzögerung im Allgemeinen. Im Reich der Cruiser ist die Bremsanlage der Scout Sixty vorbildlich. Eine Eigenheit, der man sich bewusst sein sollte, wird durch den 130er Vorderreifen bedingt. Optisch finde ich den fetten Reifen großartig, und in Bezug auf das Handling hat er mich in keiner Weise gestört (liegt vielleicht daran, dass hinten ein 150er und kein 200er verbaut ist), aber beim harten Anbremsen bis in den Kurvenscheitel gibt es natürlich ein erhebliches Aufstellmoment. Wer zum Schreckbremsen neigt, wird also möglicherweise das Aug aufreißen, wie man so sagt. Ideal bremst man die Kurve wie folgt an: Solange man aufrecht ist, volle Verzögerung mit der Vorderbremse, beim Einlenken Vorderbremse lösen und nur mehr hinten sanft mitbremsen, bis man die ideale Kurvengeschwindigkeit hat. Funktioniert einfach großartig. So ist man auf einem Cruiser-Eisen perfekt unterwegs. Ist auch sehr hilfreich für den Ernstfall, wenn die Schräglagengrenze erreicht ist und man noch immer Geschwindigkeit abbauen muss.

Schräglage geht in Ordnung.

Die Scout Sixty kann man natürlich nicht umlegen, bis man mit dem Helm am Asphalt schleift, aber für mich war die Schräglagenfreiheit durchaus ausreichend. Wenn die Rasten kratzen, lässt man es gut sein, Spaß hat man aber auch vorher schon viel. Nicht leicht zu bedienen ist die Kupplung. Zarte Wesen werden das nach einer langen Tour durchaus im linken Unterarm merken. Andererseits ist der Motor so elastisch, dass man mit dem fünften Gang in den meisten Situationen das Auslangen findet. Nur wenn man sportlicher unterwegs sein will und im Gefecht mehr Punch braucht, wird man öfters schalten und den V2 in höheren Drehzahlbereichen halten. Für mich ist die Indian Scout Sixty eine echte Bereicherung im Markt der Freiheitseisen. Spitzen Optik, tolles Charisma, spielerisches Handling, sehr gutes Cruiser-Fahrwerk und ein potenter Motor. Willkommen, Scout Sixty! Und danke für den großartigen Tag im Hinterland Marbellas. Wir werden uns in Wien wiedersehen. Da bin ich ganz sicher!

Technische Eck-Daten

V2, 60°, 4V, 999 ccm (93 x 73,6 mm)

78 PS bei 7.300 min

89 Nm bei 5.600 min

5-Gang, Zahnriemen

1.562 mm Radstand

29° Lenkkopfwinkel

41 mm Teleskop Gabel

Stereo-Federbein (verstellbar)

Bremse v/h.: 298 mm Scheibe ABS

Reifen v/h.: 130/90-16, 150/80-16

643 mm Sitzhöhe

246 kg Trockengewicht

12,5 Liter Tank

Fazit: Indian Scout Sixty 2016

Sehr charismatischer, fescher Cruiser mit elastischem Motor und guter Hinterrad-Dämpfung.


  • Urfesche Optik
  • Fahrwerk mit ausreichend Federweg
  • gute Chopper-Bremse
  • Motor mit sehr breitem, nutzbarem Drehzahlband
  • Aufstellmoment beim Bremsen in Schräglage

Bericht vom 31.01.2016 | 45.201 Aufrufe

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