KTM 1290 Super Adventure 2015 - das neue Flaggschiff im Test

Mit der 1290 Super Adventure hat KTM ein neues Topmodell

Was bei anderen Herstellern oft wahllos und sogar irreführend angegeben wird, hat bei KTM durchaus Sinn und Logik - die Namensgebung. So auch bei der brandneuen KTM 1290 Super Adventure: Die Zahl am Beginn steht für die Kubatur, das Adventure am Ende bezeichnet die Zugehörigkeit zu den praktischen Reiseenduros und wenn sich dazwischen auch noch ein Super einschleicht, kann man getrost davon ausgehen, dass dieses Modell neue Maßstäbe setzen will.

Dieses ausgeprägte Streben nach Superlativen zeigt sich bereits beim Herzstück der neuen 1290 Super Adventure, keine andere Reiseenduro hat einen größeren Motor. Dabei ist sogar der Name 1290 ein weing tiefgestapelt - gewaltige 1301 Kubik Hubraum stehen zur Verfügung! Und das nicht etwa aus kräftigen vier Zylindern sondern aus noch beeindruckenderen zwei Töpfen. Ebenfalls rekordverdächtig sind die daraus gewonnenen 160 PS bei 8750 Umdrehungen und das enorme Drehmoment von 140 Newtonmeter bei 6750 Touren.

Außerdem stehen bereits bei nur 2500 Umdrehungen 108 Newtonmeter Drehmoment zur Verfügung - andere Motorräder können nur davon träumen, alleine dieses Drehmoment zu erreichen, geschweige denn bei so niedriger Drehzahl. Nun könnte man anhand dieser Daten einerseits viel, sehr viel Dampf von weit unten erwarten, andererseits einen kaum beherrschbar losstampfenden Kraftprotz. Doch glücklicherweise besitzt die 1290 Super Adventure nicht nur sehr viel Drehmoment sondern auch sehr viel Elektronik, mit der die Super Adventure im Zaum gehlaten wird - um einfach nur unglaublich viel Spaß zu machen.

Elektronik-Features in Hülle und Fülle

Die Anzahl der kryptischen Buchstabenkürzel nimmt beim neuen Flaggschiff daher Formen an, die es bis dato bei KTM nicht gegeben hat: MSC, MSR, MTC, EMS, HHC, SCU, C-ABS, TPMS und RbW sind dabei die wichtigsten Elektronik-Features, die das Fahren mit der 1290 Super Adventure nachhaltig beeinflußen. Für eine ausgezeichnete Kontrollierbarkeit des riesigen Zweienders sorgt zuallererst RbW (Ride by Wire), das zwischen Gasgriffkommandos und Antriebskette eine leistungsfähige Rechnereinheit hängt.

Bärenstark und trotzdem leicht zu handeln

Somit wird die kleinste Änderung der Gasgriffstellung registriert und in effektiven Vortrieb umgewandelt. Ein besonders netter Nebeneffekt ist, dass dadurch die gewaltigen 160 PS nicht mit roher Gewalt zuschlagen sondern gut kontrollierbar antreten und das KTM-Topmodell herrlich leicht fahrbar machen. Egal ob beim gemütlichen Flanieren, wo die Super Adventure ihr herrliches Drehmoment ausspielt oder beim beherzten Kurvenwetzen in engem Winkelwerk - das neue KTM-Topmodell läßt sich so spielerisch durchzirkeln, dass man 500 Kubik weniger vermutet. Dass es sich bei der 1290 Super Adventure aber eigentlich um ein astreines Sportgerät handelt, das ziemlich viel mit der 180 PS starken 1290 Super Duke R gemeinsam hat, merkt man, wenn auf den Zwischengeraden bei Bedarf selbst im dritten Gang noch kurz das Vorderrad den Boden verläßt.

Die Elektronik-Features stimmen sich untereinander ab

Allerdings sorgt eine Armada an Wächtern dafür, dass die 249 Kilo schwere (oder besser leichte) Großenduro nicht aus der Bahn gerät. Ein besonderes Erfolgsrezept des umfangreichen Stabilitätsprogramms MSC (Motorcycle Stability Control) in der 1290 Super Adventure ist, dass die verschiedenen Systeme aufeinander abgestimmt werden und somit auch permanent interagieren - nicht spürbar weil blitzartig in Sekundenbruchteilen. So kann mit jedem der vier Triebwerk-Modi auch die Traktionskontrolle und das Fahrwerk beeinflusst werden. In den Leistungsmodi Rain und Offroad wird die Kraft auf 100 sanfte PS begrenzt, im Modus Road stehen die vollen 160 PS zur Verfügung, agieren aber immer noch unaufgeregt, während sie im Sport-Modus sehr scharf (meiner Meinung nach sogar schon unnötig scharf) ans Werk gehen.

Die Traktionskontrolle erlaubt Slides - typisch KTM!

Die Traktionskontrolle MTC (Motorcycle Traction Control) kann ebenfalls in vier Stufen eingestellt werden, Sport, Road, Rain und Offroad erhöhen oder vermindern jeweils das Ansprechen der Traktionskontrolle und bieten für jede Anfordernung die passende Sensibilität. Während die Elektronik im Rain-Modus beim kleinsten Zucker des HInterrades eingreift, bietet sie im Modus Road die passende Kontrolle auf trockenen Straßen und läßt in den Modi Offrioad und Sport sogar leichte Slides zu - ungeahnter Spaß also inklusive! Abhängig vom jeweiligen MTC-Modus stellt das EMS (Engine Management System) auch die passende Leistung bereit.

Das Kurven-ABS nimmt das letzte Quäntchen Angst

Sogar das C-ABS (Combined ABS), das dank der vielen Sensoren auch als "Kurven-ABS" bezeichnet wird, kann an verschiedene Anforderungen angepasst werden: Während es im Straßenbetrieb noch mehr Sicherheit bietet und ungeahnt spätes Bremsen vor bzw. sogar in Kurven ermöglicht, erlaubt es im Offroad-Modus ein blockierendes Hinterrad und somit gezielt gesetzte Slides. Dabei gerät ganz ins Hintertreffen, dass die Bremse an sich, also auch ohne alle Elektronik-Features eine Top-Anlage ist, die eigentlich auch in einem Superbike ihren Dienst verrichten könnte. Mit den beiden 320er-Scheiben samt radial verschraubten Brembo-Vierkolbensätteln und Radial-Hauptbremszylinder arbeitet sie dermaßen präzise und extrem gut dosierbar, dass auch hier bei aller Ernsthaftigkeit der Top-Performance der Spaß im Vordergrund stehen darf.

Künstliche Intelligenz beim Fahrwerk

Schließlich kommt auch noch ein semiaktives Fahrwerk SCU (Suspension Control Unit) von WP zum Einsatz - spezielle Dämpfungs-, Hub- und Beschleunigungssensoren an Gabel und Federbein sorgen für blitzschnelle Anpassung des Fahrwerks an den Untergrund. Auch hier kann zwischen vier Dämpfungsmodi gewählt werden: Sport macht die Dämpfung (fast schon unnötig) hart, Street ist der beste, sinnvolle Kompromiss für nahezu alle Straßen und Comfort eignet sich für überaus bequemes Reisen - für mich persönlich etwas zu weich, da ich die 1290 Super Adventure eher als Spaßgerät denn als Reise-Enduro missbrauche. Der Offroad-Modus optimiert letztlich die Dämpfung für den Geländeeinsatz - der im Übrigen beherzter vonstatten gehen darf als bei den meisten anderen großen Reise-Enduros.

Um ein blockierendes Hinterrads zu verhindern, wird automatisch Gas gegeben!

Ein interessantes, weil technisch sehr ausgeklügeltes System ist die optional erhältliche schräglagenabhängige Motorschlupfregelung MSR (Motor Slip Regulation). Falls durch Herunterschalten oder abruptes Schließen des Gasgriffs das vom Motor erzeugte Drehmoment zu hoch sein sollte, gibt die Elektronik wieder genau so viel Gas, dass ein Blockieren des Hinterrads und so ein mögliches Schleudern der Maschine verhindert wird. Da wundert es fast schon, dass die Techniker nicht auch gleich einen Schaltaufomaten mit Herunterschaltfunktion samt Zwischengas eingeplant haben - bei anderen Herstellern eine absolute Bereicherung in Bezug auf Fahrspaß und -dynamik. Allerdings fehlt dieses Gimmick wegen des unwahrscheinlich leicht schalt- und kuppelbaren Getriebes auf der KTM 1290 Super Adventure nicht unbedingt. Als weiteres optionales Gimmick bietet sich die Berganfahrhilfe HHC (Hill Hold Control) für all jene an, die ihre 1290 Super Adventure mit Gepäck und eventuell Sozius schwer beladen möchten. Dann ist es nämlich nicht mehr so spielerisch, die "dicke" KTM ohne Hoppala wieder in Bewegung zu bringen. Als praktische Hilfe blockiert HHC für höchstens fünf Sekunden elektronisch die Bremse, bis sich die Fuhre in Bewegung gesetzt hat.

Sogar ein LED-Kurvenlicht ist serienmäßig an Bord

Ansonsten ist die KTM 1290 Super Adventure bereits in der Serienversion fast überkomplett ausgestattet - kaum ein wünschenswertes Gimmick, das nicht bereits an Bord wäre. Motorschutzbügel, Heizgriffe, beheizter Sattel, beheizter Beifahrersattel (auch vom Sozius selbst regulierbar), langstreckentauglicher 30-Liter-Tank, (deppensicherer) Tempomat, Multifunktions-Cockpit, Handprotektoren, Hauptständer, Reifendruckmesser TPMS (Tire Pressure Measurement System) und ein, per Handrad sehr einfach höhenverstellbares Windschild. Einziger Kritikpunkt betrifft dessen Entriegelung auf der rechten Seite - mit der Gashand nicht so einfach zu bewerkstelligen wie mit der Kupplungshand. Selbst ein schräglagenabhängiges Kurvenlicht ist mit an Bord, bei dem je nach Schräglage bis zu drei LED-Leuchten die Kurve ausleuchten. Bei hellem Tageslicht noch ein witziger Schmäh um aufzufallen, bringt das System bei Dunkelheit tatsächlich Vorteile - wie ich mich höchstpersönlich auf Gran Canaria überzeugen durfte. Die Kurven-LEDs leuchten die Innenseite der Kurve gerade so gut aus, dass man sich am inneren Radius orientieren kann, ohne die richtige Linie zu verlieren. Und auch da zeigte sich wieder, dass die KTM 1290 Super Adventure bei all ihren Luxus- und Komfort-Features vor allem eines ist: Ein spaßorientiertes, sehr einfach zu beherrschendes Motorrad.

Interessierte Leser können das aktuelle Modell unkompliziert beim nächsten KTM Händler probefahren. Eine Übersicht darüber, welcher Händler welche Modelle verfügbar hat, sowie eine Online-Probefahrt Buchungsmöglichkeit findet man hier. https://www.ktm.com/dealer-service/book-a-test-ride.htm

Fazit: KTM 1290 Super Adventure 2015

Die 1290 Super Adventure wird von KTM völlig zu Recht als neues Flaggschiff der Marke präsentiert. Vollgestopft mit ausgeklügelter Elektronik und nahezu allem, was man in einer großen Reiseenduro brauchen kann, empfiehlt sie sich erwartungsgemäß für die weite Reise. Was man anhand der wuchtigen Erscheinung allerdings nicht sofort sieht, ist, dass die Super Adventure so wie ihre 1190er-Schwestern eine unglaubliche Spaßmaschine ist. Vor allem im engen Winkelwerk macht sie unglaublichen Spaß. Die Elektronik regelt dabei so unauffällig Traktion, Fahrwerk und Motormanagement, dass man sich voll und ganz und vor allem mit Sicherheit auf´s Gas geben konzentrieren kann. Auf den Zwischengeraden sorgen dann die 160 PS Leistung dafür, dass die 1290 Super Adventure auch sportliche Anforderungen erfüllen kann und somit an Universalität kaum übertroffen wird.


  • sehr starker und souveräner Motor
  • sportlich agiles Fahrverhalten
  • umfangreiches Elektronik-Paket
  • Interaktion vieler Elektronik-Features
  • semi-aktives Fahrwerk
  • Kurven-ABS
  • einstellbare Traktionskontrolle
  • Tempomat
  • großer 30 Liter Tank
  • Sitzheizung
  • Hauptständer
  • LED-Kurvenlicht
  • Windschilld sehr zerklüftet
  • Verriegelungshelbel des Windschilds auf der rechten Seite
  • Kraftentfaltung unter 2000 Touren etwas ruckelig

Bericht vom 06.02.2015 | 28.454 Aufrufe

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