4Takt Enduro Vergleich

Husaberg 390, KTM EXC-F 350, Husqvarna TE 310 und Sherco SE 300i im Vergleich.

Husaberg 390 - KTM 350  - Husqvarna 310- Sherco 300 (v.l.)

 

Viertakt Enduro Vergleich 2012

4 Gewinnt! Der 1000PS Vergleichstest der neuen Enduro Mittelklasse.
 
In den letzten Jahren gibt es in der Enduro Szene 2 Trends: Das Revival der 2 Takter und die neue Mittelkasse der 4 Takter. Und genau diese Mittelklasse, welche so gar nicht in das strenge Regelwerk der FIM und sonstiger Institutionen passt ist es, mit denen wir für euch ins neue Jahr rutschten. Dass Leistung und Hubraum nicht immer der Schlüssel zum Erfolg sind, leuchtet ein, spätestens nachdem in der MX Weltmeisterschaft KTM zwei Titel in Folge mit der 350er geholt hat und 2011 Husqvarna den Enduro Weltmeistertitel in der Klasse E2 einheimste. Geringes Gewicht, fahrbare Leistung und agiles Handling sind die Attribute mit denen nicht nur im Prospekt gepunktet wird.

Keine technischen Gebrechen während der Testphase.


Leider konnte keine Beta 350 rechtzeitig zum Test herbeigebracht werden. Eines gleich vorweg, wer glaubt, die vier Kandidaten wären sich ähnlich, der irrt! Alle Motorräder untereinander könnten vom Charakter her kaum unterschiedlicher sein. Um die Eigenheiten der einzelnen Motorräder heraus zu filtern, fuhren Fahrer verschiedenster Leistungsniveaus mit den Motorrädern. Ebenso wechselten die Strecken von Hardcore-Bachbetten über sandige MX Tracks und reinrassiges Enduroterrain bis hin zu verschneiten Winterlandschaften. Und noch etwas sehr Positives ist anzumerken: Keines der Motorräder zeigte während der 4 Testtage Ausfälle oder technische Gebrechen, abgesehen von zwei Patschen.

Husaberg FE 390


Vom Konzept her folgte die skandinavische Österreicherin der klassischen EXC 400. Schon zur Jahrtausendwende erkannte man, dass der gemeine Endurist mit etwas weniger Leistung gut bedient ist. Dies war auch sicher schon eine Art Vorläufer zur jetzigen Mittelklasse. Mit der Weiterentwicklung der Motorleistung und Charakteristik erfolgt auch in der Enduroentwicklung das Downsizing. Daher ist die Husaberg in unserem Vergleichstest der grosse, starke Bruder. Dies merkt man aber nicht nur an der Motorleistung. Schon beim Ausladen wirkt die Husaberg richtig ausgewachsen, so wie man sich eine grosse Wettbewerbsenduro vorstellt. Sie ist eben eine abgespeckte 450/500er mit all den Vor- und Nachteilen.

Endurotest Bildergalerie 1


Endurotest Bildergalerie 2 Endurotest Bildergalerie 3

Mit 114 kg fahrbereit ohne Sprit ist sie im Test das Schwergewicht. Zwar zählt sie in der nächst grösseren Klasse mit dem Wert locker zu den Besten, doch liegt die Messlatte der neuen kleineren Bikes um einiges tiefer. Dass dies auf der Strecke nicht immer ein Nachteil ist, bewies uns die Husaberg eindrucksvoll. Keine andere liegt dermassen ruhig und satt. Sie giert nach langen Anliegern und bringt die Leistung unauffällig und satt auf den Boden. Auf keinem anderen Bike fühlt man sich schon beim ersten Aufsitzen so wohl und geborgen wie auf der Berg. Die Sitzposition, die Härte der Sitzbank und die perfekte Einspritzung gefallen schon nach wenigen Metern.

Der grosse, starke Bruder. Unauffällig, aber schnell.


Erstmal auf der Strecke fällt das ungewöhnliche Ansauggeräusch unter dem Tank auf, ganz gewöhnt habe ich mich nie daran. Doch erstmal losgelassen zieht man mit der Berg unauffällig und effektiv seine Runden, wenig spektakulär. Der Motor zieht die Gänge lang und gleichmässig durch, die kleineren Kubaturen sind da um Welten spritziger, doch genau diese unauffällige Art und Weise ist es, welche die Berg schnell macht. So spritzig der KTM Motor ist, so langatmig bringt die Berg die Leistung auf den Boden und so knapp die Kubatur der beiden Schwestern beisammen liegt, so weit liegt die Charakteristik auseinander. Auf rutschigem Untergrund spielt sie ihren langhubigen Hubraum Vorteil voll aus. Kombiniert mit der sehr feinfühligen Einspritzung kann man die Berg so richtig die Steilhänge hinaufnudeln.
 
Die Einspritzung ist es auch, welche die Husaberg in engen Bachbetten trotz dem Gewicht und dem Handling- nachteil glänzen lässt. Durch das Motorenkonzept (gedrehter Motor) wanderte der Schwerpunkt in Richtung Motorradmitte. Dies wirkt sich positiv auf das Handling aus. Andererseits wandert der Schwerpunkt nach oben und weniger Druck lastet am Vorderrad. Kopflastigkeit kann man der Husaberg nicht nachsagen. Je schneller man mit der Berg unterwegs ist, desto mehr hat auch das Fahrwerk mit dem Gewicht zu kämpfen. Dennoch sind die Dämpfer ausgewogen abgestimmt und die Gabel bleibt über dem ganzen Federweg berechenbar und spricht sauber an. Kupplung und Bremsen sind wie immer bei KTM und Husaberg absolut top. Da gibt es nichts zu meckern, einfach State of the Art.

Fazit:
In der Ruhe liegt die Kraft. Aufsitzen und wohlfühlen. Tolle Einspritzung, markantes Design, ausgewogenes Fahrwerk, so präsentiert sich die Husaberg von ihrer besten Seite. Obwohl nur 50ccm mehr als die KTM, ist sie eine Nummer grösser (und 6 kg schwerer) als die anderen Motorräder, mit all den Vor- und Nachteilen. Dennoch fühlte sich jeder ab dem ersten Meter mit der Berg wohl, als ob man schon ewig damit unterwegs wäre.

 

Husqvarna TE 310


Antoine Meo holte heuer mit der 310er Husqvarna den WM Titel in der Klasse E2. Ebenfalls schafft es Enduro-Neueinsteiger Dennis Schröter in seiner ersten vollen Enduro Saison den Deutschen Meistertitel ebenfalls in der Klasse E2 zu gewinnen. Also die Basis stimmt! Mittlerweile hat die 310er schon ein paar Jahre Entwicklungsarbeit hinter sich und demnach werden nun die Lorbeeren eingeheimst. Für uns überraschend war das Gewicht der Husky. Warum auch immer, fühlt sie sich beim Rangieren und Anheben schwerer an als sie ist. Doch die Waage spricht eine eindeutige Sprache: 109,5 kg.

Die Husqvarna ist die Einzige im Test mit einem richtigen Cockpit. Das heisst, zum Starten Zündschlüssel rumdrehen und starten. Auch die ganze Lichtbedieneinheit erinnert noch immer an eine Strassenenduro und weniger an eine Hard Enduro. Erstmal den Startknopf gedrückt, springt die Husqvarna immer und überall sehr schnell an. Wenn es darum geht, wer den Motor am schnellsten zum Laufen bringt, egal ob heiss oder kalt, liegt die Husky ganz vorne. Die Italienerin offenbart schon beim Aufsitzen wo sie zu Hause ist, nämlich auf der Sonderprüfung. Die Sitzbank ist die härteste von allen 4 und trotz der kurzen Übersetzung fordert die Husqvarna die meiste schleifende Kupplung beim Wegfahren. Je höher die Drehzahl, desto mehr geht die Post ab. Die Husky dreht potent hoch und hat die spitzeste Leistungskurve mit den grössten Lastwechseln von allen.


Spitze Leistungskurve, starke Lastwechsel.


Fahrer, die normalerweise auf 2 Takter unterwegs sind, hatten mit der Auslegung keine Probleme. Die Charakteristik ist bei flottem Fahrstil in Ordnung, doch fordert dies bei langsamen, trailmässigen Passagen viel Gefühl in der Kupplungshand. Denn ist die Drehzahl erst einmal im Keller, ist die Gefahr, dass der Motor ausploppt, sehr gross. Dies könnte mit einer Umprogrammierung der Einspritzung evt. auch geändert werden, je nachdem welche Auslegung man bevorzugt. Der Sound der Husky ist sehr kernig und die Vibrationen sind deutlich zu spüren, leider war die Husky auch die Lauteste. Obwohl sich die Husqvarna sehr wendig und agil beim Fahren anfühlt, hat sie ein sehr stabiles Fahrverhalten je schneller die Gangart wird.
 
Nur die Gewichtsverteilung ist etwas kopflastig ausgelegt. Dies könnte aber auch damit zusammenhängen, dass der Längsabstand von den Fussrasten zum Lenkkopfmittelpunkt am geringsten, und daher die Gewichtsverteilung anders ist. Diese Auslegung kommt eher kleineren Fahrern zu Gute. Dennoch lässt sie sich auf schnellen Passagen nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Ihr bevorzugtes Jagdgebiet sind die schnellen Tracks und Sonderprüfungen, in der kommt der Racer in der Husky ganz klar hervor. Bei der Vorderbremse ist Gefühl gefragt. Der Bremsdruck wird langsam aufgebaut bevor er dann relativ aggressiv wird. Hier könnten evt. andere Bremsbeläge Abhilfe schaffen.

Fazit:
Fast so spurstabil wie die Husaberg und fast so agil wie die KTM findet in diesen Belangen Husqvarna hier den besten Kompromiss. Der Motor verlangt nach hohen Drehzahlen um seine Stärken auszuspielen. Ein Renngerät, das sich in den int. Ergebnislisten widerspiegelt. Dennoch erfordert die Auslegung und die leichte Kopflastigkeit etwas Umgewöhnung gegenüber den anderen. Grosses Plus: Husqvarna bietet als einziger Hersteller nach wie vor 2 Jahre Garantie.


KTM 350 EXC-F


Mit ihren 350 ccm steht sie von der Kubatur her genau in der Mitte unseres Tests. Und genau diesen Erwartungen wird sie auch gerecht. Die KTM bietet das Gewicht (mit 108,5 kg) der kleinen 4 Takt Klasse gepaart mit einem Motor, der sich vor 400 ccm nicht zu verstecken braucht. In Sachen Motorleistung spielt sie auf alle Fälle mehr in der Liga der 400er als bei den 300ern. Der Motor ist richtig spritzig und hängt sehr spontan am Gas, ohne aggressiv zu sein. Man hat das Gefühl, dass jeder mm, den man am Gasgriff dreht, ohne Zeitverzögerung direkt in Motordrehzahl umgewandelt wird. Die Einspritzung ist wie schon beschrieben direkt, aber nicht aggressiv. Bleibt man in einem Steilhang hängen, zieht sie auch ohne grosse Kunstgriffe auf der Kupplung sauber mit viel Traktion weg.

Das Handling ist dermassen radikal für einen Viertakter, dass man meinen könnte, es handle sich um einen Zweitakter. Diese Agilität geht aber etwas auf Kosten der Stabilität. Da kann es schon mal passieren, dass in langen Spurrillen Nervosität aufkommt oder der eine oder andere Lenkerpendler auftaucht. Doch überwiegt die Freude beim Fahren an der Agilität. Das Fahrwerk der KTM glänzt mit den grössten Reserven, tollem Ansprechverhalten und einer sehr linearen Dämpfung. Kupplung und Bremsen schon wie bei der Husaberg erwähnt auf höchstem Niveau. Die KTM ist überall zuhause. Egal ob man mit ihr trailwandert oder bei der ACC vorne mitfahren möchte, an der KTM wird es nicht liegen, sie ist überall top.


Alleskönner KTM. Beste Bremsen und spritzigster Motor.


Fazit:
Die KTM bietet eine Top Ausstattung mit neuestem Bodywork und den besten Bremsen, dem spritzigsten Motor der gut zu kontrollieren ist, eine tolle Fahrwerksabstimmung mit dem Handling eines 2-Takters und das ausgewogenste Gesamtpaket mit den schnellsten Rundenzeiten. Beim Thema Wiederverkauf hat die KTM ebenfalls klar die Nase vorn.

Sherco SE300i


Die Sherco ist die Exotin unter den vier Bikes. Unglaublich, aber Sherco wurde erst 1998 gegründet. Konzentrierte man sich anfangs auf Trialbikes, wurden vor rund 10 Jahren die ersten Enduros gebaut. Nach wie vor sitzt die Entwicklung und Produktion in Frankreich. Sherco brachte schon vor Jahren die erste Enduro mit Einspritzung auf den Markt, anfänglich mit kleinen Kinderkrankheiten, hat sich die Produktpalette gemausert und stetig verbessert. Zukünftig sollen auch 2-Takt Enduros vom Band laufen. Doch zurück zur 300er. Schon alleine beim Ansehen fällt auf, dass die Sherco sehr kompakt und leicht gebaut ist. Die Entwickler bei Sherco haben für das Modelljahr 2012 das Motorrad fast völlig neu aufgebaut.

Neue Dämpfung von WP, Rahmen Plastik, alles neu. Serienmässig mit Alumotorschutz, Handschützer und Lüfter ausgestattet, steht das Motorrad fertig in der Auslage. Im Prospekt sticht die Gewichtsangabe mit 102 kg ins Auge. Nicht ganz, unsere Wage bleibt bei 106 kg stehen. Damit ist sie die leichteste am Papier. Aber schon nach wenigen Metern im Fahrbetrieb fällt auf, dass die Sherco auch beim Fahren ein echtes Leichtgewicht ist. Die kleine Französin fühlt sich beim Fahren eigentlich um 10 kg leichter an als alle anderen. Die Stärke der Sherco liegt beim Fahren auf der technischen Seite. Man merkt, dass die Marke ihre Wurzeln in der Trialszene hat. Die Sitzbank ist leider genau das Gegenteil der Husqvarna, viel zu weich.


102 kg am Papier, 106 Kilo auf der Waage.


Keines der Motorräder im Test liess sich so spielerisch fahren wie die Sherco. Bergab hat man das Gefühl auf einer 125er zu sitzen, so wenig Motorbremswirkung wird produziert. Die topabgestimmte Einspritzung unterstützt den seidenweichen Motor, der lässt sich bis in den Drehzahlkeller herunternudeln ohne auszuploppen. Die Leistungsentfaltung ist unauffällig und linear ohne Spitzen, zieht gleichmässig hoch, wird nie unberechenbar. Gegenüber der Husqvarna, welche ja die selbe Kubatur besitzt, kann sie leistungsmässig jedoch nicht mithalten. Gerade Hobbyfahrer lobten dennoch die Leistungsabgabe, da sie immer beherrschbar bleibt und in schwierigen Situationen leicht zu handeln war.
 
Je schneller man damit um den MX Track bügelt, desto mehr kommt das auf der weichen Seite ausgelegte Fahrwerk an ihre Grenzen. An der Vorderbremse fällt ein etwas schwammiges Gefühl auf, die Kupplung hingegen ist sehr leichtgängig. An der Sherco ist als einziges Motorrad im Test kein zusätzlicher Kickstarter verbaut. Dies ist nicht so prickelnd, wenn man mal, so wie ich, vergisst, den Zündschalter abzustellen. Denn dann kann man am nächsten Tag der Französin gut zureden wie man will, aber der Starter bleibt ruhig. Sehr positiv fiel der leise Auspuff auf, der optisch sehr hochwertig aussieht.

Fazit:
Die neu aufgebaute Sherco hat uns alle am meisten überrascht. Ein spielerisch zu fahrendes Bike mit einem hohen Spassfaktor. Zwar etwas schwach auf der Brust, aber ihren Vorteil spielt sie im technisch schweren Gelände aus. Lediglich die weiche Sitzbank und ein fehlender Kickstarter sind zu bemängeln, die restliche Ausstattung mit Lüfter und Alu Motorschutz ist sehr gut.

 
 
Interessant waren die Fahreindrücke und tatsächlichen Zeiten die mit Transponder erzielt wurden. Vom Eindruck her glaubte man mit der Husqvarna und Husaberg am schnellsten unterwegs zu sein. Die Husaberg, weil man sich sehr sicher fühlt und der Motor vom Drehzahlkeller weg anzieht wie ein Gummiband und die Berg sehr satt liegt, und bei der Husqvarna weil diese die Lauteste ist mit den meisten Vibrationen am Lenker und von der Motorcharakteristik spitz ausgelegt ist. Die KTM war hierbei eher zurückhaltend und unauffällig aber sehr effektiv. Mit ihr gelangen eindeutig die schnellsten Rundenzeiten. Die Sherco liegt irgendwo in der Mitte.

Schnellste Rundenzeit an Mattighofen.


Wer hätte das zu Beginn des Tests gedacht, dass alle Motorräder, die sich doch von der Kubatur und Leistung her relativ ähnlich sind, so unterschiedlich ausgelegt sind? Ich nicht. Und das fällt immer erst dann auf, wenn man die Motorräder wirklich Kopf an Kopf miteinander vergleicht. Einen klaren Sieger gibt es nicht, da die Auslegungen der Bikes zu unterschiedlich sind. Die KTM 350 EXC bietet zwar in Summe klar das beste Gesamtpaket, doch haben die anderen Bikes in den jeweiligen Einsatzgebieten ihre Stärken und Emotionen, die eben nicht immer mit der Stoppuhr messbar sind.
 

Technische Daten Viertakt Endurovergleich 2012

  Husaberg FE 390 KTM EXC-F 350 Husqvarna TE 310 Sherco SE 300i
Hubraum 393,3 ccm 349,7 ccm 302 ccm 290 ccm
Gewicht 114 kg (ohne TS) 108,5 kg (ohne TS) 108 kg (trocken) 106 kg (ohne TS)
Sitzhöhe 985 mm 970 mm 950 mm 870 mm
Radstand 1475 mm 1482 mm 1470 mm 1480 mm
Tankinhalt 8,5 l 9 l 9,5 l 8,5 l

 

Text & Bilder: Edi E.

Autor

Bericht vom 27.01.2012 | 29.796 Aufrufe

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