Triumph Rocket III

Bei 200 Newtonmeter und 320 Kilo trocken kann man leicht unter die Räder kommen. Deshalb wird Versuchskaninchen kot vorausgeschickt. Ergebnis: Muskelkater vom Beschleunigen.

Auf manche Erlebnisse kann man sich mental nicht vorbereiten. Das heißt, es ist nicht möglich, sich irgendwie vorzustellen, wie sich dieses Erlebnis anfühlen würde. So auch bei einer Testfahrt der Triumph Rocket III. Wie soll das gehen? Kann das überhaupt gehen und wenn ja, geht es auch mit mir? Ich sollte es bald erfahren.

Wenn es um gefährliche Aufträge im 1000PS Büro geht, wo vielleicht was passieren könnte, werde immer ich voraus geschickt. So nach dem Motto "Wenn's schon wen aufhaut, dann den kot". Zur Strafe sah dann kein anderer 1000PS-Arsch (das kann man jetzt verstehen, wie man will) den Sitz der Rocket. Als Andreas Juhas anrief und uns höflich fragte, ob er uns die Rocket borgen könnte, hatten wir Erbarmen. Na gut, wenn's sein muss. Der Job ist halt nicht immer einfach. Aus oben genanntem Grund wurde der Ball gleich mir zugespielt - Ein Affe wird in den Weltraum geschossen.

Liebling, jetzt haben wir ein Riesenbaby! 

Die Rocket ist ein Cruiser, der eine Harley Fat Boy wie eine Aprilia Red Rose wirken läßt. Ein fahrender Reaktor, des Pudels Kernkraftwerk. Beim Gedanke an das Bewegen dieses Monuments machte mir weniger die Leistung, als das Gewicht Sorgen. (Vielleicht aber auch die Leistung in Verbindung mit dem Gewicht?)
320 Kilo trocken - was wiegt das erst, wenn es sich naß gemacht hat? Jedenfalls weiß jeder, der schon mal einen 170 PS Bock gefahren hat, daß das eigentlich kein Problem ist. Solange man nicht alle 170 Pferdchen auf einmal auf die Straße läßt, treten keine Komplikationen auf. 

Bei 320 Kilo leblos Gewicht sieht die Sache anders aus. Das Gewicht ist nunmal da, da kann man nichts zu Hause lassen. Ich wurde dann auch dementsprechend nachdenklich, als Herr Juhas von Ilmoto den Bomber aus der Garage schob. Das sah sehr, sehr schwerfällig aus. Mein Gesichtsausdruck verlangte nach beruhigenden Worten. Herr Juhas reagierte: "Mußt keine Angst haben....sehr leicht zu fahren...überraschend wendig....irrer Punch..." Nur eine Schwäche mußte er mir gestehen: Den serienmäßigen Sound. Aus den 3 Orgelpfeifen kommt leider nicht viel, weil sie alle zweifach zugestopft sind. 
Juhas: "Da sind zwei Stoppeln drin. Einen müßte man jeweils raus." 
kot:
"Und was is', wenn man alle rausnimmt?"
Sein Blick war wie eingefroren, die Augen weit aufgerissen. Er mußte nicht antworten, ich konnte mir die Folgen einer völligen Entstoppelung bei einem 2,3 Liter Aggregat schon ausmalen. Ich wollte ihn jetzt nicht länger stören und rollte vom Firmengelände. Im Rückspiegel sah ich noch, wie er zu weinen begann.

Rätseln beim Blick in den Rückspiegel: Ein umgebauter LKW, V8, Straßenwalze...?
Unscharfer Blick, doppelte Sicht, Druckfehler?? 
Nein, wirklich 2300 Kubik!
Viel Cruiser braucht viel Chrom

In den ersten Kurven wurde sofort klar: Hier müssen Befehle erteilt werden, allerdings werden diese dann auch befolgt. Hinten dreht sich eine 240er Walze, vorne ein 150er Gummi. Erschreckend. Im Winkelwerk ein Horror, zeigt sich der wahre Zweck des überdimensionalen Schuhwerks beim Zünden des Triebwerks. 

Als sich die erste Gelegenheit zum Austesten der proklamierten 1,1 g Beschleunigung ergibt, atme ich nochmal kurz durch, vergewissere mich, daß die nächsten 1000 Meter möglichst frei sind und zünde die Rakete. Nach ein paar Sekunden gehe ich vom Gas, lasse wieder Blut in den vorderen Bereich meines Gehirns strömen um dann erneut die Schleusen zu öffnen. Es ist ja schon ein realitätsfremdes Erlebnis, wenn man mit einem Supersportler voll beschleunigt, aber mit einem 7 Zentner Monster ist das viel brutaler. Das übersäuert augenblicklich den Gehirnmuskel. Vor allem die Sitzposition macht anfangs Probleme, weil die Beine vor dem Körper platziert sind. Jetzt kannst du dich entweder voll auf die Arme hängen, oder, und das ist weitaus empfehlenswerter, du gehst mit dem Oberkörper nach vorne und stützt sich mit dem Popisten am Sitz ab. 
Ich fuhr am ersten Tag eigentlich nur die erstere Variante, weil man da wirklich merkt, was abgeht. Als würde man sich nur mit den Händen an einen Express-Fahrstuhl hängen. Das Ergebnis war dann auch ein Muskelkater am Rücken und an den Schultern. Arg. Und noch etwas zum besseren Verständnis: Auf einer weiteren Geraden rutschte mir der Fuß vom Pedal und ich hatte große Mühe, ihn bei der Beschleunigung wieder auf die Raste zurückzubiegen. 

Um den Riesen auch wieder unbeschadet aus dem Geschwindigkeitsrausch zu holen wurden der Rocket vorne zwei 320er Scheiben mit 4-Kolben Festsattel und hinten eine 316er Scheibe mit Doppelkolben-Schwimmsattel eingepflanzt. Das drückt dann die Organe wieder in die richtige Position.

Die Rocket ist gewaltbereit und so muss auch der Fahrer sein. Sonst verlierst du. Wie heißt es so schön? Ist sie zu stark, bist du zu schwach. Wenn man ihr nicht zeigt, wo's lang geht, wird das früher oder später in der Verformung von ungewöhnlich viel Metall enden. Man ist das einfach nicht gewohnt, weil man es nicht kennt und weil es etwas in dieser Größenordnung im Serienbau noch nicht gegeben hat. Es ist ungefähr so, als würde plötzlich ein Supersportler mit 300 PS gebaut werden. Einfach so, von heute auf morgen. Da wär man doch auch verwirrt, verängstigt und überfordert. Die Rocket sprengt einfach alle bekannten Dimensionen.
Auch bei Gesprächen mit Schaulustigen zeigte sich, welche Normgrößen in den Köpfen der Menschen existieren. 
Ein Familienvater vorm Einkaufszentrum: "So a großes Motorradl hob i no nie gsehn. Hot sicher 1700 Kubik, oder?" 
Ein Tankwart: "Wos isn des für a Motor? A 1500er?" 
Zwei Jugendliche: "Schau da des on, Bertl, des muaß a 1800er sein." 

Allen mußte ich mit der schonungslosen Wahrheit ins Gesicht fahren "2,3 Liter". Und alle taumelten danach wie Roboter, denen alle Sicherungen durchgebrannt sind, von dannen. Sie konnten es einfach nicht begreifen.

Auch bei Passanten werden die Augen ganz groß

Längs eingebauter 3er, jedes Häferl 765 ccm
Und ein Kühlergrill wie ein Peterbuilt

Ebenso unmöglich wie die Vorbereitung auf eine Fahrt mit der Rocket  ist die Nachbereitung. Nach jeder Fahrt mit der Rocket fragte ich mich: Was ist da eigentlich passiert?  Und um die Frage kurzzeitig zu beantworten, mußte ich sofort wieder aufsteigen. Man versteht eben nur, wenn man draufsitzt und das Gas voll aufmacht. Ich glaube, die Rocket ist ein Motorrad, mit dem man auch auf einer völlig geraden Strecke Spaß haben kann. Ein Leben lang. 
Es gibt nur eine Sache, bei der man mit der Rocket höllisch aufpassen muss: Beim Abstellen. Beim Parken muss mit Bedacht gehandelt werden, sonst kannst du später einen Fußgänger bitten, dir beim Rausschieben zu helfen. Ein kleiner Abhang, Unebenheiten oder ein leicht versenkter Kanaldeckel. Sobald man nicht nach vorne wegfahren kann sondern reversieren muss, ist man geliefert.


Das Zurückbringen solcher Juwelen ist immer eine persönliche Niederlage. Bin ich genug gefahren...hätte ich nicht noch ein paar Eisdielen besuchen sollen...wieso fuhr ich den Domplatz nicht noch 100-mal runter? 
Egal wie lange man sie fahren kann, es ist nicht lange genug. 

Fazit: Die Rocket hat von allem zuviel. Zuviel Masse, zuviel Leistung, zuviel Verbrauch. (na gut, über die Leistung läßt sich streiten) Aber gerade das macht sie so interessant. Weniger ein Cruiser als ein Muscle Bike im amerikanischen Sinn, oder ein Drag-Bike, aber bitte nichts für Tunten. Für dieses Gerät müssen du und dein Bankkonto stark sein. Aber keine Sorge. Hilfe aus Asien naht. Gerüchten zufolge bauen die Chinesen schon eine Billigversion der Rocket mit dem Namen "Woket".


Motor
Typ Flüssigkeitsgekühlter, längs eingebauter DOHC-Reihen Dreizylinder, 12 Ventile
Hubraum 2.294 cm³
Bohrung/Hub 101.6 x 94.3mm
Leistung 103 kw (140PS) bei 5.750 U/min.
Drehmoment 200 Nm bei 2.500 U/min.
Verdichtung 8.7:1
Abmessungen 
Länge 2500 mm
Radstand 1695 mm
Sitzhöhe 740 mm
Trockengewicht 320 kg
Fahrwerk
Rahmen Schleifenrahmen aus Stahl
Reifen vorn 150/80 R 17
Reifen hinten 240/50 R 16
Gabel 43 mm Upside Down Gabel
Bremsen vorn 2 x 320mm schwimmene Scheiben, 4-Kolben-Festsattel
Bremsen hinten 316mm Scheibe, Doppelkolben-Schwimmsattel


Für mehr Infos: www.ilmoto.at

 

Fazit: Triumph Rocket III 2005

Die Rocket hat von allem zu viel. Zuviel Masse, zu viel Leistung, zu viel Verbrauch. Aber gerade das macht sie so interessant. Weniger ein Cruiser als ein Muscle Bike im amerikanischen Sinn, oder ein Drag-Bike, aber bitte nichts für Tunten.


  • Ganz schön viel Leistung
  • gewaltbereites Fahrverhalten
  • anspruchsvolles Äußeres.
  • Extrem hohes Trockengewicht
  • anfangs problematische Sitzposition
  • Aufmerksamkeit beim Abstellen erforderlich
  • hoher Verbrauch
  • teuer.

Bericht vom 01.09.2005 | 44.667 Aufrufe

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