Suzuki Bandit 650 ABS

Voll in die Eisen zu greifen - das traut sich am Motorrad nicht jeder. Suzuki lädt zum ABS Test am Wachauring und zeigt anhand der neuen Bandit 650 die Vor- und Nachteile des Antiblockiersystems.

Besonders begeistert war ich vorerst mal nicht von meiner Aufgabe. Ich dachte an stundenlange Bremsübungen und so interessante technische Vorträge wie ein Symposium über das Paarungsverhalten von Waldameisen. Doch Suzuki zeigt Erbarmen mit den geladenen Händlern und Pressevertretern und gestaltete einen äußerst kurzweiligen ABS Testtag. Vor allem der Beginn der Veranstaltung war mit 10:00 sehr human angesetzt, mir als gnadenloser Langschläfer der am Montag nicht vor 10:30 im Büro erscheint kam dies natürlich sehr gelegen. Also ging es um 09:30 mit dem 1000ps-Racing Scudo und der Dauertest DR-Z 400 SM auf nach Melk zum Wachauring.


Ein Teil der Testeisen, es gesellten sich als Gaststars noch eine DR-Z 400 SM und eine V-Strom 1000 dazu

Der Wachauring ist ja nicht nur eine sehr leiwande Rennstrecke, es bieten sich auch unzählige Möglichkeiten für Fahrertrainings mit Auto und Motorrad. Gleich zu Beginn wurde uns erst mal klargemacht welchen Sinn das in manchen Kreisen leider noch verpönte ABS eigentlich hat. Eine kurze Vorführung der ÖAMTC Instruktoren mit Unterstützung von Superbike ÖM Fahrer Robert Auer überzeugte vollends. Die Unterschiede bei den Bremswegen sind wirklich eklatant wie man an den folgenden Beispielen erkennen kann:

Test 1: Trockene Fahrbahn: Unentschieden.


Auf trockener Fahrbahn gab es fast keine Unterschiede. Natürlich kommt es bei solchen Bremstests auch stark auf die Fahrer an. Ganz vorne im Bild die Bandit 650 ohne ABS, die silberne daneben mit ABS und der rote Flitzer im Hintergrund ist der neue Suzuki Swift. Besonders verwundert waren viele das der Vierbeiner in etwa denselben Bremsweg wie die Bikes hatte. Erklären lässt sich dies natürlich durch den enormen Gewichtsunterschied, da helfen auch 4 Räder nichts...

Test 2: Nasse Fahrbahn: 1:0 für Bandit mit ABS


Ganz anders sieht das ganze auf nasser Fahrbahn aus. Die Bandit ohne ABS hat bei allen 3 Durchgängen in etwa einen um 10m längeren Bremsweg, noch dazu bleibt die ABS Bandit bei einer Vollbremsung um einiges leichter beherrschbar während einem ohne ABS in einer Notsituation sehr leicht der Bock unterm Hintern wegrutschen kann. Auto und ABS Motorrad liegen in etwa gleich auf.

Test 3: Nasse Fahrbahn: 2:0 für Bandit mit ABS


Der Belag und die Nässe simulieren in etwa Schneefahrbahn . Es soll ja auch Biker geben die sich selbst bei Schneefall nicht zurückhalten können. Fairerweise sollte gesagt werden das der Suzuki Swift mit Sommerreifen bestückt war. Laut den Instruktoren hätte das Auto mit Winterreifen einen etwas kürzeren Bremsweg als die ABS Bandit gehabt.

 

Sehr zu denken gaben auch einige Erklärungen der erfahrenen ÖAMTC Jungs. Der riesengroße Vorteil von ABS ist die allererste Sekunde bei einer Notbremsung in Extremsituationen. Die allermeisten ziehen in solch einer Situation viel zu abrupt die Notbremse und mit blockierenden Rädern passiert nur allzu oft das Unvermeidliche - die Räder rutschen einem weg. Mit ABS bleibt das Motorrad beherrschbar, egal welcher Henker an den Bremsen zieht. Somit können einige Unfälle schon in der allerersten Sekunde vermieden werden.
Nach den kurzen Vorführungen gings für die Journalisten- und Händlermeute auf die Rennstrecke.

Die ersten paar Runden wurden noch vom Instruktor vorgezeigt, danach hieß es "Feuer frei". Ich wollte mich vor dem Mittagessen mal nicht zu sehr verausgaben und legte ein Fotoshooting ein. Der Aufforderung der Instruktoren mal ordentlich fest in die Eisen zu greifen kamen auch einige nach. Ich muss sagen das ganze war zu Beginn noch sehr ungewohnt aber nach einigen Vollbremsungen war klar: Du bringst das ABS Mopperl bei einer Vollbremsung nie in Unruhe, aber selbstverständlich hat auch das ABS seine Grenzen. Physik bleibt eben Physik.

Nach dem Mittagessen witterte ich meine Chance die vollgefressene Meute ordentlich zu verblasen. Weit gefehlt.

Die Jungs und Mädels drückten an als ginge es um ein mörderisches Preisgeld. Fehlendes Training, die letzten Monate war ich nur auf Enduro und Supermoto unterwegs, und der mitgebrachte Enduro Helm auf der Naked Bandit taten ihr übriges. Ich kam mir vor wie ärgstes Kanonenfutter und verlies mit einem Sammelsurium an Ausreden das Schlachtfeld äh die Rennstrecke. Ob mir die Geschichte mit der Sonnenallergie jemand abgekauft hat, wage ich aber zu bezweifeln.

Natürlich lasse ich mich von sowas nicht beeindrucken und schwinge mich als nächstes auf den Windschildbehangenen Banditen. Vor allem mit dem Enduro Helm eine echte Wohltat fürs Gnack und bei höheren Geschwindigkeiten wird es sowieso viel gemütlicher. Der Wachauring ist eine wirklich schöne Rennstrecke, vor allem die Tester der Suzuki DR-Z 400 SM waren begeistert von der Agilität des Bikes auf der mit engen Kurven übersäten Strecke. Die 1000ps-Dauertest DR-Z SM wurde mörderisch durchgereicht, aber nicht auf der Rennstrecke sondern zwischen den Testern. 


Willi Ertl Cheftechniker bei Suzuki Austria und Superbike ÖM Fahrer Robert Auer


Helmut Helten von der Fa. Auracher und Helmut Riß von RS Schalko

Der neue Geschäftsführer vom Zweiradcenter Gloggnitz . Auch er war von der Performance von DR-Z und Bandit angetan.

Wie immer mit von der Partie - die flotte Karin Mairitsch rechts im Bild

Technische Daten und Preise - Suzuki Bandit 650

Motor: 4 Zylinder Reihenmotor, 4-Takt, 16V, DOHC, SACS Luft-/Ölkühlung
Bandit 650: 6.999,- Euro
Bandit 650 ABS: 7.599,- Euro


Bandit 650S: 7.299,- Euro
Bandit 650S ABS: 7.899,- Euro

Erhältlich bei deinem Suzuki Händler !

Hubraum: 656 ccm
Bohrung x Hub: 65,5 mm x 48,7 mm
Leistung: 57 kW (78 PS) bei 10.200 U/Min
Drehmoment: 59 Nm bei 7.800 U/Min
Verdichtung: 10,5:1
Gemischaufb.: Vergaser
Antrieb: 6-Gang, Kette
Rahmen: Doppelschleife, Stahl
Gabel: 41 mm, Vorspannung einstellbar
Federbein: Zugstufe sowie Vorspannung einstellbar
Reifen vo.: 120/60ZR17
Reifen hi.: 160/60ZR17

Bremsen vo.: 2 Scheibenbremsen 290 mm, 4-Kolben-Bremssattel

Bremsen hi.: 1 Scheibenbremse 240 mm, 2-Kolben-Bremssattel
Länge: 2.110 mm
Breite: 770 mm
Höhe: 1.090 mm
Radstand: 1.440 mm
Bodenfreiheit: 135 mm
Sitzhöhe: 770/790 mm einstellbar
Trockengewicht: 201 kg (S Version: 204kg)
Tankinhalt: ca. 20 Liter
 

Wie funktioniert das Antiblockiersystem eigentlich?
Der Suzuki Österreich Techniker Willi Ertl hat mir versucht die Funktionsweise des ABS technisch zu erklären. Das ist ungefähr so als wollte man einem Schimpansen sprechen lernen, denn technisch bin ich so unbegabt wie Otto Wanz beim Synchronschwimmen.
Im Grunde ist es aber gar nicht so kompliziert. Sensoren erfassen ständig die Drehzahlen von Vorder- und Hinterrad, wandeln diese in Impulse um und senden diese an einen zentralen Rechner. Der Prozessor erkennt so wenn das Rad zu blockieren beginnt und aktiviert sofort einen Druckmodulator. Dieser unterbricht die Bremsleitung zwischen dem Hauptbremszylinder und den Bremszangen. Egal wie fest der Fahrer nun am Bremshebel zieht, bzw. auf die Fußbremse tritt, die Bremswirkung wird nicht größer. Blockiert das Rad, wird Bremsflüssigkeit von den Bremszangen in den Hauptbremszylinder zurück gepumpt also Druck abgebaut. Wenn die Bremswirkung zu wenig ist, wird die Bremsleitung wieder freigegeben und der Bremsdruck steigt. Dieser Vorgang, also das zurücknehmen und wiederaufbauen des Bremsdrucks, passiert ca. 10 mal pro Sekunde. Aus diesem Grund liegt die Verzögerung andauernd an der Haftgrenze des Reifens.


Warum ist das ABS bei Notbremsungen so wichtig?
Die Bremserei beim Motorrad erfordert neben Erfahrung natürlich einiges an Fingerspitzengefühl. In der Blechdose funktioniert das ganze sehr einfach, doch beim Bike müssen zwei voneinander unabhängige Bremsen richtig dosiert werden. Ein kurzer Bremsweg wird hier nur erreicht wenn die Bremskraft optimal zwischen Vorder- und Hinterrad verteilt wird und dazu schnell und kräftig gebremst wird. Aber genau da liegt das Problem: hoher Bremsdruck und Blockiergrenze liegen nah beieinander.

Gerade bei Notbremsungen tritt eine Vorderradblockade viel leichter ein als im Normalfall. Wenn der Bremsdruck nicht sofort wieder reduziert wird führt das Blockieren des Vorderrades mit großer Wahrscheinlichkeit zum Sturz. Leider ist bei vielen Fahrern die Angst vor einem blockierenden Vorderrad so groß, dass viel zu schwach gebremst wird. ABS schafft hier Abhilfe und verhindert die für schlimme Stürze verantwortliche Vorderradblockade wirksam.

Studie: Unfälle mit und ohne ABS

In detaillierten Auswertungen und Analysen befassen sich die Unfallforscher des Verkehrstechnischen Instituts der Deutschen Versicherer (VTIV) im GDV mit Motorradunfällen. So zeigte eine Studie von rund 500 Motorradunfällen: In 65 Prozent der Unfälle konnten die Motorradfahrer vor der Kollision reagieren: 15 Prozent wichen dem Hindernis bzw. Unfallgegner aus, 50 Prozent bremsten. Mit einer modernen Bremsanlage können bereits hier der Bremsweg verkürzt und der Sturz vermieden werden.

In ca. 20 Prozent der Fälle kam es vor der Kollision zum Sturz durch ein überbremstes Vorderrad. Fast alle (93 Prozent) dieser Stürze wären mit ABS nicht passiert. Auch wenn der Bremsweg nicht ganz ausreicht, die Kollision zu verhindern, hilft eine kontrollierte und stabile Bremsung, (ohne Sturz) Geschwindigkeit abzubauen und so die Aufprallgeschwindigkeit zu reduzieren, wodurch die Unfallschwere gemindert wird.

Nach Angaben der Experten lassen sich durch ABS etwa 85 Prozent der Stürze, die zu schweren Verletzungen führen, beim Bremsen verhindern.

Quelle: www.vtiv.de

 
Fazit:

Für routinierte Piloten kommt ABS in der Stammtischrunde zur Zeit immer noch sehr schwer in Frage. Der Könner hat sein Bike klarerweise in jeder Situation fest im Griff - auch bei Regen, schlechter Sicht und kurz vorm Aufprall. Für alle anderen Motorradfahrer wurde ABS fürs Bike entwickelt. Lange Zeit gab es ABS nur auf teureren Motorrädern in der großen Reisetourer Klasse. Doch gerade für Einsteiger, Wiedereinsteiger und Sonntagsfahrer (bitte nicht negativ auffassen) ist ABS auf einem günstigen Motorrad wie der Bandit 650 eine tolle Bereicherung. Wer sich beim Bremsen in Notsituationen nicht nur auf sich selbst, sondern auch auf ein technisches Helferlein verlassen möchte, sollte sich vor dem nächsten Motorradkauf das Thema ABS einmal durch den Kopf gehen lassen.

Autor

Bericht vom 03.05.2005 | 24.448 Aufrufe

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