Madagaskar Teil 2

Teil 2 der Madagaskar Reise von Touratech. Mord für 1 Kilo Vanille.
 

Touratech Madagaskar Reise Teil 2

 
No plans is a good plan der Plan ist, keinen zu haben - nach diesem Motto reisten Herbert und ich damals mit dem Motorrad durch Südostasien. Es war eine bewusste Entscheidung, uns einfach treiben und den Zufall geschehen zu lassen. Selbstbestimmt in die Ungewissheit ohne den Zwang einer vorgefertigten Reiseroute oder selbstauferlegter Termine. Den Stress, so viel wie möglich innerhalb kürzester Zeit zu sehen, wollten wir uns schlichtweg nicht antun. Es gab keine Liste mit Sehenswürdigkeiten zum Abhaken. Einen Reiseführer hatten wir nur als Standby dabei. Jeden Tag immer wieder aufs Neue zu entscheiden wohin wir fahren, fühlte sich richtig an. Diese Spontaneität führte zu Abenteuern und neuen Erfahrungen. Wir waren frei.


Im Zentrum der Vanilleproduktion.


Reisterrassen, Kokospalmen, karibische Lebensfreude. Genauso grün hatten wir uns das ganze Land vorgestellt. Aus bunten Hütten mit Palmdach strömt der Duft von Vanille. Wir befinden uns im Zentrum der Vanilleproduktion. 1600 Tonnen Schoten wurden 2012 geerntet. Madagaskar deckt damit einen Großteil des Weltbedarfs. Immer wieder verwüsten tropische Wirbelstürme diesen Teil des Landes. Im Jahr 2000 zerstörte der Zyklon Hudah über 20 Prozent der Anbauflächen. Die Vanillepreise schnellten rasant in die Höhe. 500 USD kostete 1 Kilo Vanille in 2004. Damit stieg auch die Kriminalität, bis hin zu Morden.

Kurz vor Antalaha liegt ein Nagelbrett auf der Straße. Eine Polizeikontrolle. Der Uniformierte hat wohl etwas zu tief in die Rumflasche geschaut. Er möchte unsere Papiere sehen, die er sehr, sehr gründlich studiert. Sein Interesse an unseren Motorrädern ist groß und so stellt er immer wieder die gleichen Fragen, auf die wir immer wieder die gleichen Antworten geben. Eine Geduldsübung! Gleich wird es dunkel und wir müssen uns nach einem Übernachtungsplatz umsehen. Unser Respekt vor der betrunkenen Obrigkeit hat seine Grenzen. Winkend und lachend fahren wir einfach weiter und lassen einen verdutzten Mann zurück. Mit 35.000 Einwohnern zwar eine nennenswerte Stadt fühlt sich Antalaha dennoch wie das Ende der Welt an. Das mag auch daran liegen, dass sie nur schwer auf dem Landweg zu erreichen ist.

Bildergalerie Madagaskar mit R 1200 GS
 
Hier lebt man vom Anbau von Vanille, Nelken, Pfeffer, Zimt, Kaffee, Kakao, Litschis und Reis, fängt Fische oder baut Schiffe. Touristen verirren sich nicht allzu oft hierher. Im Océan Momo, das direkt am Meer liegt, treffen wir den charismatischen Besitzer und seine reizende Tochter Anouschka. Als ich meine Terra abstelle, traue ich meinen Augen kaum. Schotter aus Rosenquarz! Momo klärt uns auf. Bis vor sieben Jahren baute eine große Firma Edelsteine in der Nähe ab. Nach deren Stilllegung holte sich Momo den Produktionsschrott als Füllmaterial und Garten-Deko. Der Gedanke Wenn die Seitenständerauflagenverbreiterung nicht breit genug ist und das Motorrad zu versinken droht, lege ich einfach einen Halbedelstein unter ist amüsant und ein bisschen dekadent. Erinnert mich irgendwie an Paul Simons Diamonds on the soles of her shoes.
 
 
Momo scheint hier eine Autorität zu sein. Er denkt, dass unser Transportproblem lösbar ist. Wenn er das sagt! Unser erster Gang am nächsten Morgen führt zum Hafen. Weit und breit ist kein Schiff zu sehen. Momo telefoniert und findet heraus, dass die gesamte Flotte gerade ausgelaufen ist, um Gewürze zu laden. Jetzt ist Hochsaison.

Mora mora - Eile mit Weile.

Momo lässt seine Kontakte spielen. Am Nachmittag kommt eine junge Dame auf einem Quad angebraust - die Verantwortliche für die Koordination. Die gute Nachricht: Die Jenna 3 ist mit 28 Metern Länge und 5 Metern Breite groß genug, um uns und unsere Motorräder mitzunehmen. Die schlechte Nachricht: Es kann etwas dauern. Wie lange weiß niemand so genau. Der Versuch, einen Madagassen, der nach dem Motto lebt, auf ein genaues Datum festzunageln, kann nur schief gehen. Das merken wir spätestens nach 3 Tagen Warterei, als wir erneut auf morgen vertröstet werden. Inzwischen haben wir keine andere Wahl mehr. Es gibt wahrlich schlimmere Orte, um festzusitzen! Statt Ungeduld und Frust fahren wir nun ein anderes Programm.
Es heißt: Wir machen das Beste draus, sprich ein paar nette Motorrad-Ausflüge. Zu unserem Programm gehören eine Exkursion zum Kap Est, dem östlichsten Punkt Madagaskars und eine Audienz beim Vanillebaron Jackie le Riche.
 
 
8 Tage sind vergangen. Im Bauch der Jenna 3 sind seit gestern 50 Tonnen Vanille und Gewürznelken verstaut. Unsere Motorräder sind unter großen Planen an Deck verzurrt. Hoffentlich halten die Spanngurte! Aber so schlimm kann es ja nicht werden. Denken wir. Für die beschauliche Bootsfahrt haben wir uns einiges vorgenommen: Fotos sichten, O-Töne machen, Artikel schreiben. ENDLICH geht es los.

Übernachten zwischen Schiffsdiesel und Kokosnüssen.

Kaum sind wir zum Hafen hinaus, hänge ich über der Reling und füttere die Fische. Von da an breche ich 26 Stunden leise vor mich hin. So lange dauert die stürmische Überfahrt. Hatte ich verdrängt, wie unsouverän mein Magen auf hohe Wellen reagiert? Das Schlimmste: Von nun an werde ich Übelkeit immer mit dem Geruch von Vanille assoziieren, die ich bis dato liebte. Da die Jenna 3 sonst keine Passagiere mitnimmt, ist sie auch nicht darauf eingestellt. Es gibt ein paar Kojen für die Besatzung. In denen dürften wir schlafen, wären die Matratzen nicht so versifft und würden nicht überall stinkende Kanister mit Schiffsdiesel stehen, die für Seekranke nicht auszuhalten sind. Wir ziehen es vor, draußen auf den Planken in der glühenden Sonne zu liegen. Nicht mal der Rum schmeckt. Ein paar Hühner rennen frei umher. Sie werden irgendwann im Suppentopf landen. Da es keine Toilette gibt, trinke ich die ersten 10 Stunden nichts, doch irgendwann bin ich so ausgetrocknet, dass es mir egal ist. Ich lerne, bei immer stärker werdenden Seegang in eine Flasche zu pinkeln. Die Motorräder schwanken so sehr, dass wir befürchten, sie gehen jeden Moment über Bord. Eine Kleinigkeit aus dem Alukoffer zu holen, dauert fast eine Stunde. Zur Belustigung der Besatzung krieche ich auf allen Vieren zum Motorrad und wieder zurück.
 

Jan-Peter übernachtet auf einem Haufen Kokosnüsse. Ein Sack Reis dient ihm als Kopfkissen. Wolfgang schläft auf Säcken voller Kohlen. Herbert und ich legen unsere Matratzen in den Gang und rollen uns in unsere Schlafsäcke ein. In schöner Regelmäßigkeit schlägt eine hohe Welle über uns zusammen. Nachts schaukelt der Wind die kleine Schaluppe so sehr hin und her, dass ich anfange, zu fantasieren. Was, wenn jemand ins Wasser fällt? Es ist stockdunkel. Ohne Scheinwerfer bliebe die Suche definitiv erfolglos.

Die Erleichterung ist groß als wir am nächsten Morgen im wichtigsten Hafen des Landes einlaufen. Doch warum legen wir in zweiter Reihe an? Warum macht die Crew keine Anstalten zum Entladen? Es ist Samstag. Der Zoll in Tamatave hat geschlossen. Vor Montag geht hier nichts. Mit etwas Überredungskunst drückt uns die Verantwortliche die nötigen Stempel in die Papiere. Doch wieder muss ein Plan geändert werden. Ich muss meinen Traum begraben, die Avenue du Baobabs im Licht der untergehenden Sonne zu fotografieren. Die Zeit reicht einfach nicht mehr! Nach Tana sind es 325, von dort nach Morondava und wieder zurück locker 1500 Kilometer. Kombiniert mit Film- und Foto-Sessions ist dies in den drei Tagen, die uns bis zum Rückflug bleiben nicht zu schaffen. Eine der Antworten auf die Frage, warum man reist, könnte lauten: Damit man einen Ort im Herzen trägt zu dem man irgendwann zurückkehren möchte.

 
Der Film
Wer noch mehr über die Reise mit dem neuen Wasserboxer erfahren möchte, kann sich die DVD Madagaskar-Tagebuch für 20 € bei www.touratech.de holen. Im aktuellen Touratech Katalog 2013/14 (gratis zu beziehen) gibts eine bildlastige Reisegeschichte zur Tour.

Land & Leute
Madagaskar ist die viertgrößte Insel der Welt und liegt 400 Kilometer vor der Küste Mozambiks. Sie ist 1600 Kilometer lang, 500 Kilometer breit und damit eineinhalb Mal so groß wie Deutschland. Mit 22 Millionen Einwohnern aus 18 verschiedenen Ethnien ist Madagaskar ein Schmelztiegel unterschiedlicher Kulturen und Einflüsse aus Polynesien, Afrika, Arabien und Europa. Die Madagassen begegnen Reisenden mit freundlicher Zurückhaltung. Eine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt, abwechslungsreiche Landschaften und Klimazonen machen die Insel zu einem der faszinierendsten Gebiete unseres Planeten. Landschaftlich unterscheidet man vier große Regionen: das zentrale Hochland, den Regenwald im Osten, den trockenen, halbwüstenhaften Süden mit Baobabs und Dornenwäldern und den immergrünen Trockenwald im Westen.

Reisezeit
Madagaskar kann das ganze Jahr über bereist werden, am besten jedoch in den Monaten April und Oktober/November. Die Regenzeit dauert von Januar bis März.

Dokus
Bei der Einreise erhalten Deutsche ein 30-Tage-Touristenvisum gratis am Flughafen. Fürs Bike muss vor Ort eine Versicherung abgeschlossen werden. Ein Carnet de Passage ist nicht vorgeschrieben.

Landessprache
Französisch- oder (noch besser) Madagassisch-Kenntnisse öffnen fast jede Tür. Englisch wird selten gesprochen.

Geld
Im weltweiten Vergleich ist Madagaskar ein preiswertes Reiseland. Landeswährung ist der Ariary (1 € = 2937 Ar). In Tana und anderen großen Städten kann mit der Visa-Karte Geld aus dem Automaten gezogen oder getauscht werden (EUR und USD). Vielerorts werden nur Ariary akzeptiert.

Motorradfahren
Das Straßennetz wurde in den letzten Jahren immer weiter ausgebaut. Die Hauptachsen des Landes (RN1, 2, 4, 7) sind weitestgehend asphaltiert. Daneben existieren viele Pisten, die in der Regenzeit nur eingeschränkt oder gar nicht befahrbar sind. Sturzbügel, ein Motorschutz und ein großer Tank sind grundsätzlich eine gute Idee. Nicht nachts fahren (Sicherheitsrisiko)! Fährpreise (einfach) vom madagassischen Festland (Ankify) zur Insel Nosy Bé: 5000 Ar/Person, 35000 MGA/Motorrad

Tanken
Empfohlene Reichweite: 400 Kilometer. Notfalls kann aus Kanistern getankt werden, jedoch muss man das Risiko der Sprit-Panscherei in Kauf nehmen. 1 Liter Normalbenzin kostet umgerechnet 1,20 €. Da es oft mit Wasser gestreckt wird, empfiehlt sich der Benzinfilter Mr. Funnel, den Touratech im Programm hat.

Kontakte vor Ort
François Serrano von Traces Madagascar (www.traces.mg) organisiert geführte Motorradtouren und gibt gerne fundierte Streckentipps. Paolo Preve (www.motostore.mg) vertreibt in seinem Shop in der Hauptstadt viele Husqvarna-, BMW- und Touratech-Produkte.

Karten
Wasserfeste und unzerreißbare Reise Know-How Landkarte Madagaskar, Maßstab 1:1.200.000, ISBN 3-8317-7152-9 für 8,90 € Lonely Planet Madagascar & Comoros, Englisch, ISBN 1-74104-100-7, Preis: 24,99 $ Madagaskar, der sechste Kontinent von Mark Eveleigh, ISBN 3-442-71192-4 für 11 €

Übernachtungstipps
Akzeptable Hotels - für den europäischen Geschmack eher basic und daher auch nicht teuer - finden sich in allen großen Städten.

Hauptstadt: Nur 3 Kilometer vom int. Flughafen befindet sich das einfache Le Lac Hotel. Für eine kleine Hütte am See mit eigenem Bad zahlt man umgerechnet 15 €/Nacht. Der Transfer vom Ivato Airport kostet 20.000 Ar für 4 Personen mit Gepäck.
Monetavanara, ca. 310 km ndl. von Tana: Im Hotel Chou Chou kann man für 35.000 Ar/Nacht ein klimatisiertes DZ mit Dusche beziehen.
Hellville auf Nosy Bé: Ein absoluter Traum sind Les Bungalows dAmbonara (www.nosy-be-holidays.com), kleine, in einem wunderschönen Garten mit Ylang Ylang Bäumen gelegene Bungalows. Moskitonetz und Fan inkl. Die Küche ist ausgezeichnet. Der französische Besitzer ist charmant, hilfsbereit und sehr unterhaltsam. Kontakt: ambonara@moov.mg
Nähe Ambilobe und Ankarana Nationalpark: Ausspannen in der Einsamkeit der Natur im Iharana Bush Camp - die 8 Bungalows sind im traditionellen Stil aus Naturmaterialen gebaut. Abends kann man auf der Terrasse beim Zirpen der Grillen und mit Blick auf den See und die Tsingys einen Sundowner genießen oder mit dem Kajak in den Sonnenuntergang fahren. Lokale Spezialitäten, DZ mit HP für 92 €/Person/Nacht, Infos unter www.oceane-aventures.com, Email: iharana_lodge@blueline.mg
Antalaha an der Vanilleküste: Das Océan Momo (www.ocean-momo.com) direkt am Meer ist die beste Adresse der Stadt. Exzellente Fischgerichte.

Kulinarisches
Durch Einflüsse aus Indien, Afrika, Frankreich, Arabien und China ist die madagassische Küche nicht nur exotisch, sondern hält auch viele Überraschungen parat: Spaghetti mit Vanille-Tomaten-Chilisauce, Zebu-Steak mit grünem Pfeffer oder Heuschrecken. Bei den Einheimischen kommt morgens, mittags und abends Reis auf den Teller, z. B. mit Gemüse oder Meeresfrüchten. Zwischendurch gibts eine Tasse warmes, braunes Reiswasser. Richtig scharf und lecker ist Pili Pili, eine Paste aus roten oder grünen Chilis. Rum ist das Nationalgetränk. Als Rhum Arrangé gibt es ihn mit eingelegten Früchten. Das Drei-Pferde-Bier = Three Horses Beer (THB) hat eine lange Tradition (seit 1958 gebraut).

Gesundheit
Malariaprophylaxe ist ratsam. Auf jeden Fall sollte man Medikamente als Standby dabei haben. Das Wasser ist mit Vorsicht zu genießen. Entweder zur Flasche greifen oder das Leitungswasser filtern bzw. mit Micropur behandeln!
 
Interessante Links:

Text: Ramona Schwarz

Fotos: Herbert Schwarz, Ramona Schwarz

Bericht vom 04.06.2013 | 5.273 Aufrufe

Du hast eine Neue?

Verkaufe dein Gebrauchtmotorrad im 1000PS Marktplatz.

Inserat erstellen

Empfohlene Berichte

Pfeil links Pfeil rechts