Südspanien 990 SM-T

Andalusische Reise-Weise: 10 Eisen, 10 FahrerInnen, 7 Tage, 2500 Kilometer, 1 Million Kurven.
KTM SMT Hacienda

Sie mag eine Österreicherin sein doch winters fühlt sie sich unter Palmen wohl(er).

 

In Südspanien mit der KMT 990 SM T unterwegs

Der (oder die) eine hat einen Koffer in Berlin, der eine (oder die) andere hat ein Motorrad in Andalusien stehen. Zum Überwintern. Somit gibts vom Herbst bis zum Frühling einen guten Grund, in ein Flugzeug zu steigen und dem immer zu langen & kalten & finsteren mitteleuropäischen Winter zu entfliehen. Zugegeben: Auch in Südspanien ist nicht immer Sommer. Aber - im Vergleich zu Mitteleuropa - fast.
 

„Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blüh’n.“ Diesen reichlich sinnfreien Sprechübungs-Gassenhauer kriegt man möglicherweise nicht mehr aus dem Ohr, wenn die vom Grau-Einerlei geplagten Augen plötzlich so viel Grünes auf einmal sehen. In Andalusien. Im Winter. Kunststück! Palmen tragen immer Grün, und es steht jede Menge von denen herum. Schon am Flughafen von Málaga. Auf dem Land dann sind’s die zahllosen Olivenbäume. Die werfen höchstens ihre Oliven ab, nicht aber ihr silbrig-grünes Laub.

Ob des vielen Grünen und der ungewohnten Helligkeit blinzelnd (in der Heimat hat seit Wochen der Nebel das Wabern) stehen zehn martialisch vermummte Gestalten in der Morgensonne. Die lässt Menschen & Maschinen in warmem Licht erscheinen, was verjüngt und erfrischt, aber noch nicht so wirklich wärmt. Die Temperaturen des mittlerweile eigentlich schon späteren Vormittags sind noch recht frisch, aber immerhin vielversprechend: Es sollte locker für den Fünfzehn-Plus-Bereich reichen.

„Ich zeig euch jetzt, wo der Spanier den Stoppel herholt“, verspricht uns Reiseleiter Manfred, schwingt sich nach der Qual der Wahl zwischen doppelt gekuppelter VFR und Tuttelbär auf die GS. Die braucht Auslauf. Sie steht seit Wochen da. Weil sie erst gar nicht heimgefahren, vielmehr –geführt worden ist. „Wozu, wenn ich eh wieder herkomm?“, sagt der Cyran und freut sich, dass sie auch gleich anspringt.


ZUR BILDERGALERIE


Motorräder Hacienda

Hintenan reiht sich ein buntes Eisen-Programm: 990 SM T, 990er-Adventure, Tuono, 1200er-GS (zwei), 650er-V-Strom, 1200er-Roadster, 1150er-RT und eine Bonnie. Höflicherweise denkt sich der/die eine nur: „Na, das kann was werden.“ Es haben die Bayerinnen zahlenmäßig die Überhand, und nur ein Eisen stammt aus dem Land der aufgehenden Sonne, was der dazugehörige Reiter mit den – fast entschuldigenden - Worten quittiert: „Hab’ mich halt für Stromern statt Tigern entschieden.“

Aber bevor’s zu den Stoppeln geht, ist Tanken angesagt. Was bei zwei Zapfsäulen halt dauert. Dafür wird’s warm & wärmer, schon denkt man ans Ablegen zumindest einer Kleidungsschicht. Das jedoch gestattet die Reiseleitung nicht. Es ginge zwar nicht hoch hinauf, nur ein paar hundert, knapp um die tausend Meter, doch wehe auf den Hügeln ein frischer Wind. Na gut. Dann halt (noch) nicht.

 
On the Road

Der Vorteil der Winterszeit in Südspanien ist, dass der Verkehr sehr, sehr dünn ist.

 

Auf mittlerweile manchem schon gut bekannten Nebenstraße geht’s dann endlich dahin, und – nach ungezählten Aufwärm-Kurven, garniert mit einer Kaffee-Pause - in den Wald. In den, in dem die Stoppel-Lieferanten stehen. Durch den Naturpark namens „Los Alcornocales“ führt ein kleines, feines Sträßchen. Hier stehen die größten Korkeichenwälder der Iberischen Halbinsel. Es wird auch noch fleißig Rinde geerntet, selbst wenn viele Wein- und Schnapshersteller auf Schraubverschluss und Glas- beziehungsweise Plastik-Stöpsel umgestiegen sind.

   
Korkeichenwald Korkeichenwald

Korkeichen im Naturpark Los Alcornocales: Hier holt der Spanier den Stoppel her.

 

Es ist Samstag. Deshalb zieht’s nicht alleine die Zehnerbande ins Natur-Reservat. Der Verkehr ist teilweise dicht und auch recht raumgreifend, denn des Durchschnitts-Spaniers bevorzugte Straßenseite ist die der anderen. Entgegenkommen ist in diesem Sinne dann nicht unbedingt ein freundliches Wort. Dennoch: Das schmale und kurvenreiche Sträßchen mit wechselndem Belag und vielen Löchern ist das richtige Terrain für hochbeinige Geräte. Der Untergrund ist teilweise schon zweifelhaft, es mischt sich auf dem Asphalt die Herbstfeuchte mit Erde und der einen und anderen Öl-/Dieselspur. Das auf den Ideallinien und vorzugsweise natürlich in daämmrig-schattig gelegenen Kurven. Was dazu führt, dass sich einer flugs unter sein Eisen legt, vorsichtshalber den Schaltfuß unterlegt, damit dem Bock nur ja kein Kratzer geschieht, und haltlos dahinrutscht auf der Schmier.

 
Straßenschaden

Manchmal fehlt plötzlich ein Stück Straße. Gut, wenns nur das Bankett ist.

 

Es ist aber nicht wirklich was passiert, außer einem angekratzten Ego, und nach erfolgter seelischer sowie körperlicher Aufrichtung von Maschine & Mensch geht’s trotzdem genauso munter weiter. In Richtung Puerto de Galíz. Zum Mittagessen. Denn die Meute murrt, weil der Magen knurrt, und der angeknackste Schalt-Fuß muss auch kurz einmal abschalten. Recht frisch ist es – trotz der strahlenden Sonne -, weshalb wir uns hineinsetzen, zu den von der Decke heraubbaumelnden vollreifen Serranos. Und zum Kaminfeuer.

Der Rückweg nach Villamartín ist kurven- und abwechslungsreich angesagt. Die Zehnerbande, bisher mühe- und Wartezeiten-los immer schön im „Packl“ unterwegs teilt sich in zwei Gruppen. Die fahr- und leistungstechnisch weniger Engagierten wollen’s gemütlicher und direkter angehen. So scheiden sich die Wege, ohne dass sich die Geister scheiden. Und es ist gut so. Das gibt beim Abendessen genug Gesprächs-Stoff, der reicht, ohne erzählerische Wiederholungen, bis zum letzten mitternachts ausgetrunkenen Rotwein-Viertel.

 
Menson Rural

Meson Rural heißt nichts anderes als Landhaus. Und Land gibts hier sehr viel.

 

Die Sonne geht spät auf, so weit im Westen (und Süden). Auf der Hacienda gehen außerdem die Uhren langsamer als im alltäglichen Leben daheim. Selbst Anti-Frühstücker sitzen recht lang bei Selbigem, zuerst im Kamin-befeuerten heimeligen Wohn-/Speise-/Trinkraum, dann draußen, unter der Sonnen-hinterleuchteten Palme. Es ist ausnahmsweise einmal ganz windstill, und der Reiseleiter breitet seine Karten aus.

Nicht alle waren schon ein- bis hundertmal da. Weswegen ein Pflichtprogramm auf der Tagesordnung steht: la Ruta de los Pueblos Blancos, die Straße der Weißen Dörfer. Niemand, der Andalusiens Süden bereist hat, darf es versäumen, vom hoch gelegenen Arcos de la Frontera auf den Guadalete runterzuschauen. Außerdem kann man nur mit einem Eisen so richtig entspannt die engen, gewundenen (einbahnig geführten) Gassen rauf- und runterkurven. Wie es ein nagelneuer Jaguar XF geschafft hat, ohne Beulen und Kratzer auf die Plaza del Cabildo, auf den Parkplatz vor dem Parador, zu gelangen, scheint rätselhaft. Möglicherweise war er auch mit dem Hubschrauber eingeflogen worden. Das Kennzeichen ist kein spanisches.

Dann wollen alle ans Meer. So schnell wie möglich. Was impliziert, dass der nächste Weg über die Autobahn geht. Wo’s weniger flott zugeht, vielmehr zugehen darf. 110 km/h ist das höchste der erlaubten Gefühle. Dafür steht alle paar hundert Meter die berühmte spanische Auffahrunfall-Warnung für Motorradler. Egal, heute ist nicht der Weg das Ziel. Auch nicht Jerez de la Frontera, denn es liegt nicht am Meer, sondern an der gleichnamigen Rennstrecke. Nachdem wir auf nicht so ganz geeigneten Eisen reiten, ignorieren wir die Kampfansage des eisernen Kreisverkehrwächters und reiten schnurstracks weiter nach Cádiz.

 
Kreisverkehr Jerez

In den Kreisverkehren von Jerez de la Frontera lauern schon die ersten Gegner.

 

Die Provinz, die so heißt wie ihre Hauptstadt, nämlich Cádiz, liegt an der Costa de Luz, am Atlantik. Ihrem Namen, Küste des Lichts, macht die Gegend alle Ehre. In der Sonne ist es schon fast heiß. Es wollten zwar alle ans Meer, aber nicht alle wollen angesichts des für Nordmänner durchaus sommerlichenn Wetters durch die auf einer Landzunge liegende Stadt wandern. Kurzum: Die Nicht-Geher machen sich’s im Strand-Café gemütlich. Manche ziehen sich die Schuhe aus und stecken die Zehen in den Sand.

 
Strand
Strandcafe Zehen im Sand

Davon kann man in der Hochsaison nur träumen: stiller Strand & Ruhe im Café.

 

Die Geher lassen derweilen ihre Sachen bei den Kaffeeschwestern zurück und streifen durch die Gassen der Stadt, in der knapp mehr als 125.000 Menschen wohnen. Momentan scheinen es doppelt so viele zu sein. Es hat grad ein Kreuzfahrtschiff angelegt und eine Kanaren-Fähre. Deren Passagiere mischen sich unter die Gaditanos (so werden die Einwohner genannt) sowie die bereits anwesenden Touristen. Trotzdem gibt’s immer noch verschwiegene Plätze in der Altstadt, auch ruhige Plätze in den Parks, die sich am Meer entlang ziehen. Und Licht! Sonnenlicht in Hülle und Fülle.

 
Cadiz Schiff

Cadiz liegt auf einer Landzunge. Touristen sind eine Ganzjahres-Erscheinung.

 

Nach getaner Rückfahrt, beim Aperitiv unter Palmen im Abendrot, geht’s mit der Programm-Planung weiter. Spucken ist für den kommenden Fahr-Tag angesagt, was wenig appetitlich klingt. Doch es ist sich auch mit siebzig keiner zu alt und zu blöd, in Ronda von der Brücke aus der berühmten abgrundtiefen Schlucht etwas zu spenden. Zum Glück wohnt da unten niemand. Jene, die den feinen Straßen-Kurs von San Pedro nach Ronda fast besser kennen als die eigene Hausstrecke, sind über diesen kindischen Spuk natürlich erhaben. Sie prahlen mit anderen lokalen Erlebnissen, zum Beispiel mit der Linien-Suche auf dem Rundkurs von Ascari.

 

Dem erhaben-überheblichen „kennen wir eh schon alles“ setzt die Reiseleitung die Frage entgegen: „Und Setenil?“ Hä? Noch nie gehört. Vielleicht sollte man doch einmal eher weniger Linien studieren, sondern die (Land-)Karte zur Hand nehmen. Auch dieser Ort, der mit vollem Namen Setenil de las Bodegas heißt, liegt an der Ruta de los Pueblos Blancos. Hier scheinen die Steine aus den Häusern zu wachsen. Dabei ist es umgekehrt.

 
Senetil 1
Senetil 2 Senetil 3

Setenil: Da wachsen die Felsen aus den Häusern heraus oder umgekehrt?

 

Die Behausungen sind in die vom Rio Guadalporcún geschliffenen Felsen hineingebaut worden. Das ist teilweise recht unheimlich. Was jedoch auch an der bewegten Vergangenheit des Dorfes liegen kann. Der Name Setenil kommt aus dem Lateinischen und bedeutet sieben Mal Nichts (septem nihil). Das stammt aus der Zeit der Reconquista. Die Gegend war 200 Jahre lang maurisch-christliches Grenzgebiet gewesen, und erst nach dem siebenten Kampf-Anlauf konnte der Ort endgültig als Bestandteil des (katholisch-)christlichen Reichs reklamiert werden.

 

Reklamationen des Wetters wegen sind gemeinhin zwecklos: Wenn man aus dem winterlichen Dauergrau des zentraleuropäischen Flachlands kommt, wirkt es doppelt finster, wenn’s nach fünf strahlenden Sonnentagen regnet. Was keiner hatte glauben wollen, ist eingetreten, und nach einem tiefroten Sonnenuntergang weigert sich der gelbe Planet, in Erscheinung zu treten, versteckt sich hinter graublauschwarzen Wolken. Keine Panik, meint der Manfred. Er packt seine Reisegesellschaft in die (Leih-)Autos, schaltet das Navigationssystem ein und lotst die Zehnerbande in die Hauptstadt Andalusiens, nach Sevilla.

 
Sevilla
 

Das ist eine Stadt, für die auch eine ganze Woche nicht lange genug ist, um sich alles anzuschauen. Umso schwieriger ist es, sich in ein paar Stunden Aufenthalt zu entscheiden, wohin man sich wenden soll: Alcázar (Königspalast, UNESCO-Weltkulturerbe, dort kann man einen ganzen Tag verbringen, ohne dass es fad wird)? Flamenco-Museum (Museo del Baile Flamenco, das einzige der Welt)? Stierkampf-Arena (die zweitgrößte in Spanien)? Die Kathedrale Maria de la Sede (die größte der Welt)?

Zehn Leute sind in Sevilla nicht so leicht unter einen Hut zu bringen wie im freien Landstraßen-Geläuf. Außerdem will keiner mit gelbem Regenschirm vorangehen. Also schwärmen wir aus. Jene zwei, die nicht zum ersten (und wohl auch nicht zum letzten) Mal in Sevilla sind beschließen, sich einer besonderen Spezialität anzunehmen: der Tapas.

 
Seville
 

Es wird erzählt, dass diese Art der Nahrungsaufnahme in g’schmackigen kleinen Dosen aus der andalusischen Hauptstadt stammt. Wir versuchen, dieser Legende auf den Grund zu gehen. Gut zwanzig Tapas oder mehr später, begleitet von feinen Kostproben von spanischen Roten, wissen wir’s immer noch nicht genau. Was, genau genommen, egal ist. Hauptsache ist, dass wir wissen, wo der Spanier den Stoppel herholt. Noch eines wussten wir aber schon vorher: Man muss sich den Eichen nicht zu Füßen legen, um sie zu entkorken.

   
Seville Tapas Bar Seville Tapas Bar

Wenn das Wetter einmal nicht so schön ist, kann man ja auch nach Sevilla fahren und bummeln & shoppen & Tapas verkosten.


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Text:Trixi Keckeis
Fotos:Trixi Keckeis, Manfreds Motorradreisen, Alexander Schopf

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Bericht vom 23.12.2011 | 4.209 Aufrufe

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