Transnistria Teil 1

Arge Reise bis nach Moldawien mit B-King und Ducati. Osteuropa Tournee mal anders.
REISE REPORTAGE -OSTEUROPA: RUMÄNIEN, UKRAINE, TRANSNISTRIEN, MOLDAWIEN
Grenzposten, die es auf keiner Landkarte gibt  by Jan Dünnweber und Konstantin Kirsch
Any Drugs or Dynamite?”
Drogen und Sprengstoff, danach fragten die Grenzer uns auf unserer Tour durch Osteuropa beim Blick auf unsere Motorradkoffer typischerweise als erstes. Mit beidem können wir nicht dienen. Dafür mit der spannenden Geschichte einer Motorradreise, die uns diesen Sommer durch zahlreiche Länder führte; darunter sogar eines, das es gar nicht "wirklich" gibt: Transnistrien, das rätselhafte Land östlich des Dnister (ein Donauausläufer, am schwarzen Meer). Doch lasst uns beginnen, wo alles anfing: In München.

Zur Bildergalerie



Unsere Bikes vor der Abfahrt in München: Da waren sie noch frisch geputzt

Ohnehin verwöhnt durch herrliche Alpenpisten direkt hinter der eigenen Haustür und die Nähe zu Italien (das wir, inklusive Inseln, längst zu genüge bereist haben) ist uns auch dieses Jahr schnell klar, dass (mindestens) eine Fernreise unbedingt sein muss. Neue Länder wollen wir sehen; fremde Kulturen und prachtvolle Bauwerke; wilde Natur und kontrastreiche Orte; am besten was mit Serpentinen durch schneebedeckte Berge, Küstenstraßen direkt am Meer und zwischendurch: Fährstrecken und Großstädte - eben wieder alles auf einmal!


Ducati und Suzuki, schwerbepackt in den Transylvanischen Alpen

Unsere Freundinnen quälen sich zu dieser Zeit noch durch die Vorbereitung zu Ihren Examsarbeiten und schaffen somit Platz für zwei Hecktaschen sowie Spielraum für verrückte (und strapazenreiche) Ideen:
Afrika? Nee, zu heiß.
Nordkapp? Zu kalt.
Albanien? Da waren wir doch schon.
Russland? einfach zu weit.



Die geplante Route auf Google-Maps: 5000 km durch Osteuropa

Oder, Moment mal - es muss ja nicht gleich Sibirien sein. Die GUS-Staaten schließen doch gleich an Rumänien an: Moldawien, die Ukraine, und ein paar Klicks weiter konkretisiert sich vor unseren Augen in Google-Maps eine Fahrstrecke, die unserer alles-auf-einmal-Vision ziemlich Nahe kommt: Wien, Budapest und Bukarest sind Großstädte, die Nightlife und kulinarische Abwechslung versprechen; Transylvanien hat Schlösser satt (u. a. das des Grafen Draculas); die südlichen Karpaten verheißen uns kurvenreiche Passfahrten, inklusive der berühmten Fogarascher Hochstraße, und von Constanța aus soll es dann auf dem Seeweg, über das Donaudelta, vorbei am Brutplatz der Pelikane, weiter nach Odessa gehen, wo wir schließlich den relaxten Badeurlaub einplanen. Den Rückweg wollen wir ("irgendwie wieder Richtung Westen") dem Zufall überlassen.
Von Diven und Muskelprotzen
Ähnlich planlos wie unser Vorhaben mag unsere Motorrisierung wirken. Meiner Ducati ST4S wurde die Anerkennung als Reisemotorrad von jeher verwehrt: Eine 996 mit zu wuchtig geratener Verkleidung sei das; ein verkappter Supersportler; zickig, eigen und überteuert. Entsprechend selten wurden die geordert und ich konnte noch 2009 ein Neufahrzeug kaufen, obgleich Reihe bereits 2007 eingestellt wurde.


Ducati mit Hecktasche und Koffersatz

Meinen Wünschen entspricht die top-ausgestatte Diva mit ABS, Bordsteckdose, elektronisch höhenverstellbarem Scheinwerfer, Öhlins-Fahrwerk und dem unverwechselbar kernigem Wumms jedoch voll und ganz. Zudem ist mein Bike heute eine echte Rarität: Dass die von Ducati Design-Guru Pierre Terblanche (mit Einführung der ST3) neu-gestaltete Version des Tourensportlers als Vierventieler weltweit gerade ein paar hundert mal ausgeliefert wurde (und, dass nur die wenigsten davon schwarz sind), erzähle ich nicht ohne Stolz.


Überall gut anzusehen, nur auf solchen Straßen nicht gerade optimal zu fahren: Suzuki B-King und Ducati ST4S

Noch emotionaler waren vermutlich die Beweggründe Konstantins, als er sich für seine Suzuki B-King entschied. Mit der muskelbepackten "Nackten", die zwar explosive 180 PS am Hinterrad, aber keinerlei Fahrassistenzsysteme mitbringt, würden Anhänger der Komforttourer-Fraktion, die an einem Reisemotorrad eher Praktisches wie Kartenfächer und beheizbare Griffe als die stilisierten Ansaughutzen einer Raumfähre erwarten, wahrscheinlich nicht mal bis zum Gardasee fahren.


Suzuki mit seitlichen Flacheisen zur Gepäckmontage

Nach Montage eines einfachen Paars seitlicher Softbags und des Ducati-Performance Koffersets haben sich die Eisen aber schon bei früheren Touren als durchaus reisetauglich erwiesen. Und wer - wie wir - die bewundernden Blicke "am anderen Ende der Welt" auf unsere Münchner Kennzeichen an diesen Bikes kennt, weiß, dass es andere Tourenqualitäten gibt, als eine wartungsfreundliche Kardanwelle oder niedrigen Spritverbrauch.
Das auswärtige Amt warnt
Unser Plan, auf einem italienischen Sporttourer und einem japanischen Muscle-Bike einmal quer durch Osteuropa zu fahren erscheint uns also geradezu naheliegend. Ebenso klar entscheiden wir uns schließlich bei "Investitionen" in unsere Bikes, typischerweise für Carbon oder Kennfeldoptimierungen anstatt für Kettenöler oder Crash-Pads. Dass unser diesjähriges Reisevorhaben uns jedoch geradewegs an den Gipfel der Unvernunft führen sollte, ergibt erst die Recherche kurz vor der Abfahrt - abgesehen von Schotter und Korruption bietet unsere Strecke nämlich nahezu Surreales: Die Republik Transnistrien.



Inoffizielle Karte Transnistriens von wikitravel.org

Hinter dem Dnister, zwischen der Ukraine und der östlichen Moldawischen Grenze - genau auf unserer geplanten Route - liegt das Land, das gar keines ist: Ein Gangsterstaat, aufgebaut von Fabrikvorstand Igor Smirnoff - der dort immer noch als "Präsident" regiert - gestützt, lediglich auf Waffengewalt, wird die "Priednistrowisch Moldawische Republik" (PMR, wie Landsleute das Territorium nennen) bislang von keinem Rechtsstaat als souverän anerkannt. Gegründet wurde die PMR nach einem blutigen Bürgerkrieg, Anfang der 90er Jahre und seitdem gehört sie der "Gemeinschaft nicht-anerkannter Staaten" an, wie etwa Bergkarabach, Abchasien und Süd-Ossetien (Länder, die sich gegenseitig übrigens als solche anerkennen). Abgesehen davon, dass die Bevölkerung keiner anerkannten Regierung Steuern zahlt, eine eigene Polizei und eine eigene Monopoli-Währung hat ("Transnistrische Rubel", die man nirgends zurück gewechselt bekommt), warnt das auswärtige Amt auf seiner Internetseite vor einer Durchreise des Gebiets außerhalb des Einflußbereichs aller legitimen Botschaften und Konsulate. Im honda-board.de ist von willkürlichen Verhaftungen die Rede und selbst die sonst eher abenteuerlichen Kameraden auf motorradkarawane.de behaupten, der einstimmige Kanon aller, die je dort waren sei: "einmal und nie wieder". Das interpretieren wir eindeutig als einmal zumindest, sollten wir nach Transnistrien fahren.


Auf der Anfahrt: Ein kurzer Stopp in Budapest

In Rumänien gibt’s noch Gespenster
Eine erste abenteuerliche Station erwartet uns bereits in Rumänien. Um uns auf die Vampire einzustimmen machen wir Halt am Decebal Hotel in Baile Herculane. Dort soll es nämlich übelst spuken: Der Legende zufolge versteckte König Decebal, nach dem das 150 Jahre alte Bauwerk benannt ist, einst römische Schätze darin, verlor Land (und Hotel) jedoch später im Krieg mit den Gothen.


Die Weiße Frau im Decebal Hotel, Baile Herculane

In den letzten Jahren häufen sich Berichte erschreckter Besucher, die dort einer Weißen Frau begegnet seien, welche im wehenden Priesterinnengewand die königlichen Schätze bewache. Der bekannteste Bericht stammt von der Rumänin Victoria Iovan, die angeblich nur ein Foto von der Eingangstreppe schießen wollte. Das berühmte Bild (s. o.) zeigt jedoch die Weiße Frau und gilt als eines der besten "Gespensterfotos", die je geschossen wurden.


Vor der baufälligen Hotel-Ruine

Ob man das Foto nun für einen billigen Fake hält oder nicht, uns ist es Grund genug, dort mal nach dem Rechten zu sehen. Die kurvigen Bergstraßen machen die Fahrt auf jeden Fall lohnend. Nur der dichte LKW-Verkehr ist etwas gewöhnungsbedürftig. Ebenso die wilden Köter, die immer wieder die Straße kreuzen und lautstark mit unseren Motoren um die Wette knurren. Rumänienkenner hatten uns noch vor der Abreise vor der weit verbreiteten Tollwut gewarnt und gesund sehen die Tiere teilweise wirklich nicht aus. Mehrfach kommt es vor, dass wir einen Hundekadaver überrollen, was immerhin nicht ganz so sehr rüttelt wie die, in der Gegend von Caransebeş zwar seltenen, dafür aber umso tieferen, Schlaglöcher. Der strenge Verwesungsgeruch der Tiere, die auf dem heißen Asphalt vor sich hinfaulen, macht uns auch zu schaffen. Aber immerhin: Hunde die stinken springen nicht mehr. Für (bzw. gegen) unangenehme Begegnungen mit Tieren haben wir zwar Pfefferspray eingepackt, in unseren Packtaschen ist uns das aber kaum nützlich. Letztlich hilft nur immer wieder ein beherzter Zug am Gasgriff, oder - wenn's gar nicht anders geht - ein Tritt mit dem Motorradstiefel.


Eines unserer Fotos aus dem Hotel: Ist die weiße Frau da nicht doch irgendwo?

Schließlich am Decebal Hotel angekommen, gelangen wir recht schnell in das Gebäude. Die Tür ist verriegelt aber ein den Renovierungsarbeiten dienendes Baugerüst macht den Einstieg durch das Fenster zum Kinderspiel. Im Innern ist es auch am frühen Nachmittag schon ziemlich düster und je länger man den endlos scheinenden Gängen folgt, umso unheimlicher wird die Geräuschkulisse. Es tropft von den Decken, dazu knarzen und knacksen die Dielen bei jedem unserer Schritte und die hohen Gewölbe sorgen für perfekten Hall. Die Weiße Frau wollte sich bei unserem Besuch dann aber doch nicht blicken lassen. Schade - zu gerne hätten wir sie ein Stück auf dem Soziussitz kutschiert (von unserem Rundgang durch das Decebal Hotel gibt es ein →Video).
Bären und Vampire
Weniger gerne wollen wir Bekanntschaft mit den Bären machen, deren Fotos inmitten der Strasse, und zwar genau auf unserer Route, man häufiger im Internet sieht.


Rumänische Braunbären

Mit den wichtigsten Verhaltensregeln haben wir uns dennoch vertraut gemacht: Kleinere Schwarzbären lassen sich angeblich durch lautes Anschreien (evtl. auch mit unserem Pfefferspray) in die Flucht schlagen, beim Braunbären ist es dagegen eher ratsam sich tot zu stellen. Gemeinsam mit Luchsen und Wölfen sollen beide Gattungen im Fogarasch Gebirge noch wildlebend anzutreffen sein. Die Straßenzustände dort sind größtenteils auch eher was für Stelzensportler à la GS, Ténéré und Co. Weder der tiefe Bugspoiler der B-King noch die glanzschwarzen Marchesini-Felgen der Ducati freuen sich auf Steinschlag.


Der obere Teil des Transfăgărăşan-Passes ist auch im Sommer noch schneebedeckt

Trotzdem wollen wir uns die berühmte Fogarascher Hochstraße auf keinen Fall entgehen lassen. Die unter der offiziellen Bezeichnung DN7C geführte Passstraße vermittelt uns (und unseren schotterfeindlichen Moppeds) ziemlich schnell einen Eindruck davon was carsroute.com mit dramatically paved meint. Die Internet-Seite führt das einstige Prestigeprojekt des 1989 erschossenen Despoten Nicolae Ceauşescu als Nr. 1 der 15 spektakulärsten Straßen der Welt. Unsere imposanten Ausblicke auf die faszinierende Kurvenlandschaft können das durchaus bestätigen. Panoramabilder, die nur das grenzenlose Wirrwarr an Spaghetti erinnernder Serpentinen zeigen, sind für Biker jedoch vielleicht etwas zu vielversprechend. Schutt, Geröll und ab einer gewissen Höhe auch Schnee und Eis schließen Knieschleiferexperimente komplett aus.


Er räumte uns den Weg frei

Öfter müssen wir dagegen auf den Rasten stehend oder mit weit ausgestreckten Beinen kleinere Tümpel durchfahren. Zweimal ist es soweit, dass wir fast an Umkehr denken. Zuerst am Bâlea See, wo eine Streckensperrung die Weiterfahrt verhindert. Doch unsere Überredungskünste (und ein paar Rumänische Lei) überzeugen eine Gruppe von Straßenarbeitern schließlich uns mit ihrem Bagger die Zufahrt freizuräumen. Weiter oben stoppt uns dann ein Tunnel, komplett verrammelt durch ein Eisentor. Bei genauerem Hinsehen (und dem Umfahren der verschneiten Hauptzufahrt durch zwei Säulen an der Seite des Tunnels) entdecken wir noch eine seitliche Tür, die gerade breit genug ist um unseren Moppeds die Durchfahrt zu ermöglichen.


Eine Suzuki GSX1300-BK sieht man hier oben auch eher selten

Der kaskadierende Lotrişor-Wasserfall, Gruppen wilder Pferde und der sensationelle Ausblick machen die nicht ganz unbeschwerliche Auffahrt aber in jedem Fall lohnend (von unserer Fahrt durch die Transylvanischen Alpen haben wir ein →Helmkamera-Video aufgenommen). Die gefürchteten Bären zeigen sich uns, selbst bei der Durchfahrt des dunklen Tunnels, zum Glück aber nicht.


Wildpferde in den Karpaten

Ebenso scheu verhalten sich die berüchtigten Vampire. Gerüchten zufolge gehören Pfählungsrituale auf Transylvanischen Friedhöfen ja noch zum Tagesgeschäft. Tatsächlich erwecken die zahlreichen Souvenierläden, wo man sich mit Knoblauch, Amuletten und ähnlichem Klimbim ausstatten kann, nicht wirklich den Eindruck, als sei der Vampirglaube hier noch ernsthaft präsent.

Zu Besuch bei Graf Dracula

Ähnlich verhält es sich auch direkt vor dem Dracula Schloß in Braşov. Ein kurzes, dafür aber umso heftigeres, Gewitter auf der Anfahrt sowie die in der einbrechenden Abenddämmerung umherfliegenden Fledermäuse bilden zwar die perfekte Ouvertüre zu einem Abend bei den Blutsaugern, am Eingang zum Schloß erleben wir jedoch eine derbe Enttäuschung: Ab 18 Uhr ist dort geschlossen! So schießen wir, bevor es völlig dunkel wird, nur noch hastig ein Handyfoto mit unseren Bikes vor der tollen Kulisse und setzen unsere Fahrt in Richtung Schwarzmeerküste fort. An tagaktiven Vampiren sind wir nämlich nicht interessiert.


Bei Einbruch der Finsternis schließt das Gemäuer seine Pforten

Nähert man sich durch den Wald den kitschigen "Dracula-Hotels", kann man immerhin mancherorts die "Wölfe" heulen hören. Nachdem wir auf unserer Fahrt durch die Karpaten bereits weit aufregenderes erlebt haben und die Reiseliteratur verrät, dass dieses Heulen vom Tonband kommt, beeindruckt uns das aber nur wenig. Stattdessen fahren wir noch in derselben Nacht weiter bis nach Bukarest und quartieren uns dort (verdientermaßen) in ein gemütliches City-Hotel ein.


Mal wieder Zeit für die Stiefelstulpen (auch ”Säckchen” genannt) - bei Regen unverzichtbar

Fortsetzung folgt....
Autor

Bericht vom 28.11.2011 | 10.550 Aufrufe

Du hast eine Neue?

Verkaufe dein Gebrauchtmotorrad im 1000PS Marktplatz.

Inserat erstellen

Empfohlene Berichte

Pfeil links Pfeil rechts