Von Au nach Galtür

Mit der 690er-Duke in Westösterreich unterwegs.

Von Au nach Galtür

Zug um Zug

 

Stilfster Joch in Richtung Bormio


Ich bin hin. Komplett verspannt.
Alles tut weh. Vor zwölf Stunden hab ich mich auf den Bock gesetzt. In Wien. Jetzt steh ich in Au im Bregenzerwald, fast im äußersten Westen von Österreich. Der Parkplatz des Gasthofs Alte Post ist schon gut voll. Ein Haufen Leute steht herum, viele mit, wenige ohne Bier in der Hand. Alle schauen. Meine am Morgen noch blitzsaubere Duke ist fliegen-verpickt. Zum Glück steht die Juli-Sonne schon ein weniger tiefer am Himmel, das schräg einfallende Licht schmeichelt meiner Herzogin.

Aber ob die jetzt gut im Licht steht, ist mir eigentlich ziemlich wurscht, Hauptsache, sie hats schön und umwerf-sicher. Ich pflücke die kleine Gepäckrolle vom Heck und begebe mich nach wie vor unter aufmerksamer Beobachtung und Kommentaren wie schau, die hat gar keine Koffer! (die anderen haben fast alle welche) - ins Haus.

Dabei hatte ich alles so schön geplant. Wien - Feldkirch mit dem Autoreisezug, mit kleinem Gepäck, weil ich das große per Bahnpost vorausgeschickt hatte. Relaxed, nach Speisewagen und Nickerchen, die Duke gut sechseinhalb Stunden später vom Zug holen und entspannt & unbeschwert übers Furkajoch von Rankweil nach Au im Bregenzerwald schwingen.

 

Wieselflink und stark genug für alle Höhenlagen:

KTM 690 Duke III

 

Doch es kam anders: Ich bin nicht auf den Autoreisezug gekommen. Das kommt davon, wenn man die Abfahrtszeit mit der Verladezeit verwechselt. Erstere hätte ich ja eingehalten, war eh schon um halb sieben bei der Verladestelle am Westbahnhof. Geht sich im Prinzip locker aus, wenn der Zug um 6:57 losfahren soll. Aber die Bahn hat strenge Gesetze, auch wenn der Auto-Waggon noch da steht.
 

A Platz warat scho no gwesn. Aber jetzt sans zspät. Mir san scho abgfertigt. Ohne Moped kennans scho no mitfahrn! Witzbold. Die Verladezeit ist seit genau einer Minute um. Ich denk, dass der gute Mann aber schon ein rechtes Scherzküberl ist. Denn er hat einen guten Tipp für mich: Wartens halt auf den nächsten Zug. Der geht um 22.20 und ist um siebene in der Früh in Feldkirch.

 

Na super. Den ganzen Tag verpfistern und dann eine Nacht im Rüttel-Rhythmus nicht schlafen können? Und schon wieder so zeitig aufstehen? Kommt nicht in Frage. Wär ja eh schad um den schönen Tag. Der Wetterbericht den kann man sich ja heutzutage easy aufs Handy holen - verspricht ungetrübten Sonnenschein vom Neusiedler- bis zum Bodensee. Also fährt der EC 662 ohne mich und meine Herzogin.

 

Aber welche Route nehmen? Eine direkte & fade, oder eine nicht ganz so direkte & wenigstens halbwegs spannende? A1 über Walserberg, Deutsches Eck, Innsbruck und Rheintal fallen aus. Ur-fade 612 Kilometer. Fast nur Autobahn. Was sagt der Hausverstand? Lieber auf der Reifen-Kante fahren als Kanten in die Reifen fahren. Also: Nur das Nötigste auf der Autobahn abradeln. Und das heißt A2, S6, Murau, Radstädter Tauern, Bischofshofen, Dientener Sattel, Mittersill, Gerlos, Innsbruck, Rheintalautobahn, Arlberg, Flexenstraße, in Warth nach links und schließlich - aus in Au. Pausen habe ich nur zum Tanken und Kaffee trinken gemacht.
Deshalb kann ich mich einfach nicht lange mit Begrüßungszeremonien aufhalten. Kurz grüß Gott! sagen, Schlüssel ausfassen, schnell duschen, umziehen und wieder runter. Und im Abendsonnenschein das erste kühle Bier. Das Schnitzel, das in der Reichschen Küche vor sich hinbrutzelt ist sowieso noch nicht fertig. Dass ich das dann nicht einsam und alleine verspeisen muss, dafür sorgen - wie immer - ein paar Neugierige.

Denen ich sage, dass ich gerne meine Ruhe habe und dass sie sich keine Sorgen machen müssen, weil die anderen eh morgen kommen.
Punkt sieben Uhr in der Früh
wirft einer von den Neugierigen seine Bayrische an. Ein weiteres geschätztes dutzend Boxer stimmt mit ein. Sind die denn vom wilden Affen gebissen? Es ist Sonntag! Wenn angeblich der frühe Vogel den Wurm frisst, dann würd ich jetzt am liebsten diesen Vogel fressen. Ist ja auch eine Super-Idee, am Sonntag das Stilfser Joch zu machen. Sonst kommt bei dem Wetter es ist leicht dunstig, der Himmel strahlt wolkenlos blau wohl kaum anderer auf die Idee.

 

Gasthof Hotel Post & Hallenbad Hotel Post: Ehrwürdiges Haus mit wichtigen Annehmlichkeiten wie gutem Schnitzel und Hallenbad.

Immer eine Pause wert, weils dort viele Benzinbrüder gibt: Nauderer Hof in Nauders.

Nicht nur eine Kaffeepause wert: Hotel Regina in Serfaus.

Freitagnachmittag gehts auf dem Parkplatz zu wie bei einem Motorradtreffen. Mitten in Galtür steht das Hotel Post. Ein guter Platz zum Bleiben.

Und du, fährst du nicht heute? Kommt beim Frühstück die Frage von anderen, die nicht gar so zeitig losbrechen. Nein. Ich leg mich heute in die Sonne! Was ich auch tue. Und zwischendurch ansatzweise schwimmen gehe. Im kalten Körbersee. Der ist nicht weit weg, die Fahrt dorthin strengt weder mich noch die Herzogin über Gebühr an. Mehr ist heute nicht drin.

Die anderen, meine Mit-Duke-Treiber, treffen am späten Nachmittag in Au ein. Sie haben den Autoreisezug erwischt. Die Stilfser Joch-Rückkehrer stöhnen derweilen: Mann, war da ein Verkehr! Sie sind unter anderem in ein Rad-Rennen geraten. So viele Kurven und Kehren! Und die Straße ist so schmal. Na ja, so ist das eben im Gebirge.

Körbersee. Sich zurückziehen und die Seele baumeln lassen: Am Körbersee ist ein guter Platz dafür.

 

Und wo fahren wir hin? Beratschlagen wir bei Käsknöpfle mit Salat und Bier. Na auch aufs Stilfser Joch. Da war ich schon lange nicht mehr, heize ich die Diskussion an. Wie viele Kilometer sind denn das? Laut Wirt 210 bis dorthin. Ist das nicht zu wenig für einen Tag, ist einer besorgt. Aber nein, wir müssen ja auch wieder zurück!, erinnere ich ihn.

Da müssen wir aber zeitig, wirklich zeitig losfahren, meint der nächste: Sonst wirds ein Stress. Wie zeitig?, erkundigt sich ein passionierter Langschläfer. Um acht Uhr ist Abfahrt. Abfahrt. Nicht Frühstück. Deshalb gibts nur einen einzigen Verdauungsschnaps.

Der Spruch Morgenstund hat Gold im Mund ist ja, siehe oben, nicht ganz meiner. Doch wenns ums Motorradfahren geht und dazu noch das Wetter passt, dann schon. In der morgendlichen Gebirgsfrische ist die Morgen-Müdigkeit schnell weggeblasen. Auf dem Arlberg-Pass wars ziemlich frisch. Weshalb wir am Reschenpass, in Sichtweite des Kirchturms, noch einen zweiten Frühstückskaffee nehmen.

Die Idee, zu nachtschlafender Zeit macht sich bezahlt. Es ist noch nichts los. Streckenweise haben wir die Bahn für uns allein. Ein perfektes Terrain für die Kante! Heissa! Und die Herzogin wird auch jenseits der 1.500-Meter-Höhengrenze kein bisschen lahm und müde. Eigentlich wollte ich ja mehr fotografieren. Aber das geht einfach nicht, kann ja nicht den Anschluss an die anderen verlieren.

 

Stilfser Jochauffahrt: Seltene Situation auf der Stilfser Joch-Straße: so gut wie kein Verkehr. So ist es in der Hochsaison nur in der Früh und am Abend. Das Wetter muss halt mitspielen.

Ist man einmal im Engadin, ist es zum Berninapass auch nicht mehr weit. Ein Muss: Stopp am Reschensee. Der eingewässerte Kirchturm steht immer noch.
 

Am späteren Vormittag stehen wir dann auf 2.758 Meter Höhe. Zu früh, um eine Mittagspause einzulegen. Also: wieder Kaffee. Und Wasser. Und Schokolade. Eine Pause gönnen wir uns allemal, setzen uns vors Caffè, strecken die Beine aus und beobachten das Defilée: In ununterbrochener Folge ziehen Motorräder, Fahrräder, Autos, Wohnmobile und Busse an uns vorbei. Fehlten noch Skateboards. Viel los für einen Montag. Wie arg muss es da erst am Sonntag gewesen sein? Doch es ist friedlich, alle sind glücklich, den Anstieg geschafft zu haben. Die vielen Radfahrer besonders. Die Sonne hat auch hier oben schon Kraft, es ist durchaus lauschig.

Wie fahren wir jetzt weiter? Meint einer, der offenbar so gar kein Sitzfleisch hat: Wir könnten wir über den Umbrail und dann über den Ofenpass, weiter durchs Engadin und dann bei Hochfinstermünz wieder zurück nach Österreich. Das machen wir heute aber nicht. Ein andermal. Nämlich übermorgen. Da wollen wir die Engadin-Runde inklusive Abstecher zum und über den Bernina unter die Räder nehmen. Mit Kaffeejausen-Pause in Nauders. Und mittlerweile ohne Pass-herzeigen-Müssen bei den Schweizer Grenzposten. Passt gut zum Mittwoch. Der Dienstag ist nämlich wieder ein Sonnelieg- und Spaziergeh-Tag.
 

Wer reist, der soll auch rasten, an einem idyllischen Wasser oder auf der grünen Wiese.

Die Straße durchs Montafon ist nicht so aufregend, aber die Ausblicke sind fantastisch. Stelvio Kehre


Schließlich haben wir insgesamt eine ganze Woche Zeit. Und so fahren wir die vielen, vielen Kehren talwärts, lassen uns in Bormio in die Geheimnisse der örtlichen Küche einweihen und beobachten den Ortler und seinen doch noch imposanten Gletscher. Zurück nach Au kehren wir auf dem gleichen Weg wir auf der Hinfahrt. Was sich so ähnlich anfühlt wie ein Richtungswechsel auf der Rennstrecke. So kann man die Dinge auch von beiden Seiten sehen.

Das System Ein-Tag-fahren-ein-Tag-rasten begann irgendwie zu hinken. Weil wir am Mittwochabend feststellen, dass wir ja am Donnerstag weiterziehen sollten. Nach Galtür. Ins Tirolerische. Was so tragisch nicht ist, weil die Strecke zur Silvretta durchs Montafon, das zwar nicht aufregend zu fahren, aber schön anzuschauen ist - und über die Hochalpenstraße ein lockeres Vormittagsprogramm ist. Und der Wirt vom Hotel Post dem anderen Wirt vom Hotel Post sowieso unsere Sachen bringt.
 

 

Beim Erklimmen der Silvretta-Hochalpenstraße stelle ich fest, um wie viel flinker die kleine Duke durch die Ecken wedelt als die MT-01 im Jahr zuvor. Weshalb wir oben umdrehen, bis knapp vor die Mautstelle zurückfahren und die Auffahrt gleich noch einmal machen. Nicht nur ein Auto haben wir dabei zum zweiten Mal überholt ...

Der Freitagmorgen begrüßt uns mit den ersten Wolken. Bis dahin hatte nichts den strahlenden Sonnenschein getrübt. Vorerst allerdings blieb das Wetter noch gnädig, und die Sonne schaffte es, sich zumindest am Vormittag noch einmal durchzusetzen. Die Runde ins Außerfern mit einmal hin übers und einmal zurück übers Hahntennjoch plus dem Abstecher ins Kaunertal bis rauf zum Gletscher und nach Serfaus (zwecks Kaffee-Jause!) konnten wir nicht nur trocken zu Ende bringen, sondern auch noch ein ausgedehntes Picknick zelebrieren. Auf dem Rückweg nach Galtür verdichtet sich das Verkehrsaufkommen bis zum Stau. Ach ja, Freitag Nachmittag, das Wochenende ist da. Auf dem Hotel-Parkplatz gehts zu wie äh bei einem Motorradtreffen

Die Neuankömmlinge tun uns am dann am Samstag so richtig leid. Um neun Uhr ist es noch stockfinster, man sieht vor lauter Regen nicht einmal bis zum nächste Haus. Ein Graus. Wir denken uns: Schwamm drüber und ab ins örtliche Hallenbad, später in die hauseigene Sauna. Die Hoffnung auf sonntägliche Besserung vertreibt uns der abendliche Wetterbericht: Eine Kaltfront dräut heran.

 

Silvretta-Hochalpenstraße: Das ist das Terrain, für die Duke & Co. gebaut sind.

Pünktlich schüttet es am Sonntagmorgen wie aus tausend Schaffeln. Dazu dichter Nebel und Temperaturen unter zehn Grad. Das Wetterpanorama verrät uns, dass es in ganz Österreich gleich ausschaut: grau, nass und ziemlich kalt. Ok. Jetzt kommt doch der Zug zum Zug. Der nächste Bahnhof ist in Innsbruck. Abfahrt ist um 16.50 h. Verladezeit ist ab von 16 bis 16.30 h. Das ist, auch wenn man in Galtür noch ausgiebig frühstückt, locker zu schaffen.

Diesmal verspäte ich mich nicht. Bin ja auch nicht alleine und der Speisewagen ist unser. In Wien wars bei der Ankunft um zehn Uhr abends schon dunkel. Der Regen hatte unterwegs nicht aufgehört. Bis zum Wienerwald. Da zeigten sich ein paar Abendsonnenstrahlen. Als ich die Herzogin vom Waggon hole, präsentiert sie sich wie frisch gefönt. So kommen wir beide doch noch trocken nach Hause. Mein Gepäck hoffentlich auch: Bald. Morgen. Oder übermorgen.
 

 

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Text: Trixi Keckeis
Fotos: Trixi Keckeis, MoHo

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Bericht vom 30.06.2009 | 5.778 Aufrufe

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