Weltreisestory 4. Teil

Die Reise von Felix Bergmeister geht weiter. In Togo bringen die Wehwechen seiner BMW ganz schön ins Schwitzen. Das Warten auf Ersatzteile, bürokratische Hürden, aber auch viele schöne Momente gibt´s im 4. Teil des Weltreiseberichtes.

Freitag, 22. Dezember 2006

Ich erreiche nach 290km und rund drei Stunden Fahrt die Grenze zu Togo.
Die Abwicklung der Formalitäten verläuft absolut normal und ich atme kräftig auf als mir der togolesische Grenzbeamte den Einreisestempel gibt.
Ich freue mich, dass ich so gut aus Burkina Faso ausreisen konnte und weiß natürlich immer noch nicht was dort passiert ist. Ich halte in der ersten Stadt bei der Tankstelle.
Als ich mein Motorrad wieder starten will um weiterzufahren, passiert etwas Unglaubliches.
Der Starter dreht durch und hört nicht mehr auf sich weiterzudrehen und zu starten. Es beginnt zu stinken und unter meinem Tank kommt Rauch hervor!
Ich kann gerade noch den Tankwart davon abhalten mich und das Motorrad mit dem Feuerlöscher zu besprühen.
Nach einer ersten Schrecksekunde nehme ich den Tank herunter und sehe den Schaden.
 



Ein wahrscheinlich defekter Starter hat meine Elektrik vom Startrelais bis zur Batterie und zurück zum Starter abgebrannt. Das ist so schon einer der unwahrscheinlicheren und  schwieriger zu behebenden Schäden, die man unterwegs haben kann!
Wenn ich Pech habe sind neben dem Starter und dem Kabelbaum jetzt auch das Startrelais, die Diodenplatte sowie die Lichtmaschine im Eimer.
Das würde einiges kosten und kann wahrscheinlich nicht ohne Ersatzteile aus Europa und fachmännische Hilfe in einer echten Werkstatt behoben werden. Eigentlich Scheiße!

Als ich so neben meiner Maschine sitze und nachdenke heitert sich meine Stimmung aber schnell wieder auf. Wer weiß wozu das gut war. Das einen das Schicksal so außer Gefecht setzt kann eigentlich nur gut für einen sein.


 

Wer weiß, vielleicht hätte einige Kilometer weiter, in Form eines umkippenden Lasters oder sonst einer Gefahr der Sensenmann auf mich gewartet.
Obendrein hätte sich meine Elektrik auch wesentlich ungünstigere Plätze zum Abbrennen aussuchen können. Ich denke an die einsame Westsahara oder an die so ungewisse Situation in Burkina Faso gerade eben.
Was nun passiert geht so schnell, dass ich keine Möglichkeit habe irgendetwas zu beeinflussen.

Der Besitzer der Tankstelle hat soeben mit einem Polizisten den Verkehr aufgehalten und sich zu einem Lastwagen durchgefragt der bereit ist mich samt Motorrad nach Lome mitzunehmen.
Die Männer heben meine schwere Maschine binnen Sekunden auf die Ladefläche. Oben befinden sich bereits Säcke mit Zwiebeln und Tomaten sowie einige Ziegen.

 


Vor uns liegen nun rund 600km bis nach Lome. In der Hauptstadt gibt es die einzige wirklich moderne Kfz- Werkstatt in ganz Westafrika. Sie wird seit fast 20 Jahren von Toni betrieben, einem Österreicher.
Mein Plan war es ja ursprünglich diese Werkstatt wegen neuen Reifen anzufahren. Jetzt muss ich hoffen, dass ich dort mein Motorrad wieder fahrbereit bekomme.

Die nun folgende Lastwagenfahrt wird sicher ein Erlebnis und ich hoffe, dass wir unfallfrei durchkommen.
Ich nehme direkt neben dem Fahrer Platz, zusammen mit dem Besitzer des Lastwagens, der den Fahrer beaufsichtigt aber nicht selber fährt. Dazwischen eingequetscht nimmt noch ein Freund des Besitzers Platz, der keine andere erkennbare Aufgabe hat außer die Luft mit Zigarettenqualm zu vernebeln.
Die Fahrt beginnt um halb 6 Uhr abends.
Pünktlich zum Einbruch der Dunkelheit dreht der Fahrer das Radio auf. Die Lautstärke ist dermaßen hoch, dass von den Motorgeräuschen des MAN Diesels auch bergauf nichts mehr zu hören ist. Das will was heißen.
Zwischen anderen Lastwagen, Fußgängern und Fahrrädern bewegen wir uns mit einer Geschwindigkeit zwischen 20 und 50 Km/h.
Immer wieder müssen wir bei den zahlreichen Zoll und Polizeikontrollen anhalten und der Fahrer muss für alle möglichen, nicht nachvollziehbaren Dinge bezahlen.
Bei einer dieser Kontrollen stehe ich direkt daneben. Das scheint die Polizei nicht zu stören. Der Polizist liegt in einem Liegstuhl neben der Strasse und ruft den Fahrer. Er schnippt mit seinen Fingern und deutet Geld her. Wie viel Geld sagt er nicht. Als ihm der Mann 1000 CFA gibt deutet er noch mal Geld her. Bei den nächsten 1000CFA ist er zufrieden, das Geld verschwindet in seiner Brusttasche und ohne aufzustehen deutet er uns lässig weiterzufahren.
Diese Begegnungen bleiben einem normal als Tourist erspart, wenn man sie aber so wie ich mitbekommt, sagen sie sehr viel aus über ein Land und die Willkür der dortigen Behörden gegenüber den Bewohnern.
 

Samstag, 23. Dezember 2006

Im Morgengrauen droht dann der Fahrer neben mir einzuschlafen. Wir fahren durch den Frühnebel und plötzlich fällt sein Kopf nach vorne. Ich greife sofort aufs Lenkrad und halte geradeaus, doch er lacht und sagt das ist normal in der Nacht. Manchmal ist er eben sehr müde aber er hat alles unter Kontrolle. Das ich uns vielleicht gerade vor einem Unfall bewahrt habe scheint ihm nicht bewusst zu sein.
Die Lastwagenwracks neben der Strasse sprechen jedenfalls einen deutliche Sprache, so meine ich.
Kurz darauf erwacht auch der Besitzer des Lastwagens aus seinem Schlaf. Er ordnet aufgeregt an zu halten. Ich nehme an, er wird nun selber fahren und dem Mann sagen, dass er anhalten soll wenn er zu müde ist.
Weit gefehlt, die Sonne geht auf im Osten und das ist die Zeit für das Morgengebet.
Die Männer sind Moslems. Sie rollen ihre Teppiche aus, waschen sich die Füße und beginnen zu beten. Mitten auf der Fahrbahn. Wenige Zentimeter neben ihnen fahren ungebremst die Lastwagen vorbei.

Zehn Minuten später geht die Reise weiter. Im nächsten Dorf angekommen nehmen wir dann auch noch einen Passagier mit. Mit drei toten Hühnern und zu fünft! sitzen wir nun in der Kabine und mir bleibt die Luft zum Atmen weg. Es ist so eng, dass ich mich keinen Zentimeter bewegen kann. Eines der gerade erst geschlachteten Hühner verrichtet dann auch noch seine letzte Notdurft. Zum Glück nicht auf mir.
Plötzlich macht der Lastwagen eine seltsame Kurve und das Lenkrad neben mir beginnt unruhig zu laufen und zu schlagen. Der Fahrer ist diesmal hell wach und wie es aussieht hat unser rechtes Vorderrad eine der scharfen Asphaltkanten am Straßenrand, über die beim Ausweichen immer gefahren wird, nicht überlebt. 
Wir halten an und wechseln den Reifen. Mit wenig technischer Unterstützung, dafür aber mit afrikanischer Kraft. Es ist beeindruckend zu sehen mit welcher Energie die Männer zu Werke gehen und die schwere Arbeit erledigen.

Nach rund 22 Stunden und 600 Kilometern erreichen wir Lome am späten Nachmittag. Dort angekommen verkaufen wir natürlich zuerst einmal die mittlerweile halb verdursteten Ziegen.
Ein Kunde wird angesprochen, ein Taxi gerufen und die Ware umgehend verladen.
 


Etwas später ist die Lastwagenfahrt auch für mich vorbei. Wir laden mein Motorrad vor der Werkstatt von Toni Togo ab.
Leider geht aber noch heute Abend sein Flug nach Europa. Toni wird wie jedes Jahr ein Team von KTM bei der Rallye Dakar betreuen und für rund 4 Wochen nicht in Togo sein.
So haben wir leider nicht die Möglichkeit länger miteinander zu reden. Eigentlich schade, den er ist Österreicher und ich bin seit Bestehen seiner Werkstatt der erste Österreicher, der hier mir dem Motorrad heruntergefahren ist.
Mein Problem zu beheben könnte jetzt schwierig werden. In Lome gibt es außer Toni kaum einen anderen Mechaniker der sich wirklich mit der Elektrik eines Fahrzeuges so gut auskennt, dass er aus einem abgebrannten Kabelbaum wieder ein zuverlässig arbeitendes System aufbaut.
In Europa wäre das nicht so entscheidend, wenn mir aber durch eine schlecht reparierte Elektrik die Maschine in Nigeria oder Angola wieder abbrennt, habe ich ein ernstes Problem.
Dort habe ich wesentlich weniger Möglichkeiten als hier.
Sollte keine zeit- sowie kostentechnisch vertretbare Reparatur machbar sein, wird die Maschine nach Namibia verflogen und dann dort von BMW wieder in Stand gesetzt. Das entspräche zwar nicht meinem ursprünglichen Plan, mein Ziel ist es aber um die ganze Welt zu kommen, und dem entsprechend müssen Zeit und Geld kalkuliert werden.
Die Teile aus Europa plus deren Versand über DHL könnten sich im schlechten Fall schon weit über 1000 Euro bewegen. Die Teile per Post zu versenden wäre zwar billiger, würde jedoch ca. drei Wochen dauern und ich hätte Probleme mit dem Zoll, der dann Importgebühren von mir verlangen würde.

 

Ich werde jetzt einmal versuchen den vorhandenen Starter sowie den Kabelbaum zu reparieren oder eventuell hier Ersatzteile aufzutreiben.
Sollte das nicht möglich sein, werde ich die Kosten und Zeitfaktoren der anderen Möglichkeiten gegeneinander abwiegen und mich entscheiden.
Morgen ist aber einmal Weihnachten, und ich freue mich schon darauf die Feiertage bei Chez Alice zu verbringen. Eigentlich dem bekanntesten Treffpunkt für Reisende in ganz Afrika.
Hier waren schon Leute wie die bekannten Weltumradler Claude Marthaler oder Clemens Carle zu Gast.
Alice ist mittlerweile schon über 70 und seit fast 30 Jahren hier. Wenn man in ihre Herberge kommt, fühlt man sich eigentlich sofort zu Hause.
Ich würde heute noch gerne länger mit ihr plaudern, nach aber mittlerweile zwei schlaflosen Nächten falle ich müde ins Bett.
 

Sonntag, 24. Dezember 2006

Heute erkundige ich mich gleich in der Früh, was eigentlich in Burkina Faso passiert ist wie ich dort war. Die Leute hier sind total erstaunt, dass ich nicht weiß was los war. In Togo ist das Fernsehen voll mit Berichten über die Situation gewesen.
Auf jeden Fall hat ein Polizist einen Soldaten erschossen und daraufhin hat das Militär eine Mobilmachung nach Ouagadougou in Gang gesetzt und Kampfhandlungen gegen die Exekutive vorgenommen.
Die Streitkräfte haben in der eigenen Hauptstadt! 20 Polizeistationen angegriffen und angezündet sowie zusätzlich die Gefängnisse geöffnet und über 60 Schwerverbrecher freigelassen! Diese Männer konnten bei ihrer Befreiung auch Waffen mitnehmen, sozusagen als Geschenk für die Polizei um es ihr schwerer zu machen die Gangster nachher wieder einzufangen. So eine verrückte Situation ist selbst in Afrika nicht alltäglich.
Nicht zu Unrecht ist man über die Sicherheit des Landes nun ernsthaft besorgt, der Konflikt zwischen Militär und Polizei hat sich zwar wieder beruhigt, die Verbrecher und Umstürzler sind aber weiterhin auf der Flucht und gefährlich.

Diese Geschichte zeigt mir deutlich, dass es zwar hoch interessant ist Afrika zu bereisen und die unterschiedlichen Kulturen und Sichtweisen der Menschen zu erfahren, dass es aber keine Form von Regeln und Sicherheiten gibt, nach denen man sich richten kann.
Thomas Bernhard hat einmal gesagt, dass wir Europäer der Neuzeit geometrisch denken und keine Ordnung in einer Form sehen, die jegliche Regelmäßigkeit vermissen läst.
Gerade dieses Chaos ohne erkennbare Formen bestimmt aber das Leben in ganz Afrika.
Das sollte man nie vergessen, wenn man sich mit Afrika auseinandersetzt und es bereisen will. Akzeptiert man diese Regel in der Regellosigkeit und ist man sich auch der damit verbundenen Gefahren bewusst, dann erwarten einen viele interessante Begegnungen und Eindrücke. Und vielleicht auch die Chance vieles was die Menschen hier tun besser zu verstehen.
Nach diesen philosophischen Überlegungen gehe ich dann gleich mal laufen.
 

Linktipps:
 

 

 

Es ist ein besonderes Erlebnis, wenn man am heiligen Abend am Strand und unter Palmen seinen besinnlichen Weihnachtslauf absolviert.
Am Abend feiern wir alle gemeinsam Weihnachten und machen ein großes Fest. Es kommt eigens eine Musikkapelle und die Stimmung ist ausgezeichnet.

Sogar einer der rund 78 Söhne des Präsidenten spielt in der Band. Er ist der Bassist und nur der Leibwächter hinter ihm weist auf seine Herkunft hin.

 



Ich treffe heute noch einen anderen Österreicher, den berühmten Ethnologen, Afrikaforscher und Journalisten, Professor Gert Chesi.
Neben seiner Freundschaft und jahrelangen Zusammenarbeit mit Albert Schweitzer in Lambarene ist der Professor eine international anerkannte Kapazität im Bereich der afrikanischen Voodookultur. Er ist Autor vieler bekannter Fachbücher und Publikationen und lebt hier in Lome. Hier ist einer der Plätze in Westafrika, in denen die Tradition des Voodoo besonders stark verwurzelt ist. Im Februar kommt ein ORF Team und wird einen Bericht über seine Arbeit drehen.
In Schwarz in Tirol gibt es ein Museum, dass einen breiten Querschnitt der Arbeit und Forschung Gert Chesis unter anderem über dieses Gebiet zeigt.
Ich freue mich sehr darüber, dass wir uns an diesem Abend ein wenig miteinander unterhalten können.Alles in allem verbringe ich heute einen wunderschönen heiligen Abend. Zwar leider nicht im Kreise der Familie und Lieben daheim, dafür aber herzlich aufgenommen hier in Lome.
 

Montag, 25. Dezember 2006

Am Morgen gehe ich laufen, tagsüber bin ich am Strand.
Den Abend verbringe ich wieder mit sehr interessanten Gesprächen.
Professor Chesi kommt zu Besuch und erzählt von seinen früheren Afrikareisen.
Damals vor 40 Jahren ist er noch alleine mit dem VW Bus durch die Sahara gefahren und hat wohl einen ganz anderen Eindruck von der Kultur und den Menschen bekommen.
Wir sprechen über die Probleme der fehlenden Selbstkoordination der heutigen westafrikanischen Staaten und die Entwicklung im Laufe der Kolonialzeit.
Frantz Vanon, einer der gedanklichen Väter von Che Guevara hat in einem seiner Werke versucht solche Entwicklungsprozesse und Veränderungen von Völkern zu erklären.
Aufgrund der langen kulturellen Unterwerfung durch die europäischen Kolonialherren, sowie der willkürlichen Aufteilung der Länder ohne Rücksicht auf Völker und Lebensräume, haben viele afrikanische Völker ihren eigenen ursprünglichen Bezug zu ihrem kulturellem Hintergrund verloren. Weißes Gedankengut und weißes Handeln war allgegenwärtig und wurde daher als richtig und erstrebenswert betrachtet.
Einfacher zu verstehen wird dieser Prozess dann, wenn man bedenkt, dass es in der ursprünglichen, an den Lebensraum angepassten Kultur Afrikas immer wichtig war kollektiv zu denken. Nie war das einzelne Individuum von Bedeutung, immer nur der ganze Stamm bzw. das ganze Dorf. Ein Häuptling hat selbstverständlich seine Tochter geopfert, wenn er meinte mit diesem Blutopfer die Götter gnädig zu stimmen um seinem Volk eine reiche Ernte zu bescheren.
Auch war es selbstverständlich, dass jeder Stamm seinen Reichtum und sein Ansehen in der Würde und im Besitz seines Königs sah. War der König reich und mit viel Gold geschmückt, ging es auch seinem Volk gut. Jeder Einzelne war durch eigene Mühe und auch Entbehrung bestrebt diesen Prozess zu unterstützen.
Selbstkoordination und Eigeninitiative waren nie gefragt.

Durch den Einzug der Weißen, war eben alles Dominierende von nun an weiß.
Als grundeigenstes Naturgesetz gilt das Gesetz der Anpassung von Lebewesen an neue Lebensumstände und genau das ist geschehen, die Menschen haben sich angepasst und von nun an versucht dem neuen Ideal gerecht zuwerden. Leider sehr oft unter Selbstaufgabe ihrer eigenen Identität, Werte und Hautfarbe.
Das geht soweit, das es heute selbstverständlich ist, dass ein afrikanischer Staatschef wirtschaftliche Zuwendungen von Internationalen Konzernen bereitwillig einstreift, prestigeträchtige Geschäfte mit Weißen macht die ihn alleine Bereichern und seinem Land wenig bringen. Er steigt gut aus, die internationale Wirtschaft steigt besser aus und das Volk bekommt nichts. Wirklich hinterfragt wird das aber selten, weil kaum einer kritisch und eigenständig über das Handeln eines Oberen denkt.
Das ist schon ein interessanter Ansatz, der hilft vieles hier besser zu begreifen.
 

Dienstag, 26. Dezember 2006

Heute führt mich mein Weg ins Büro der Immigration. Ich habe nur ein für 7 Tage gültiges Transitvisum und werde es aufgrund meiner unerwarteten Motorradprobleme in ein Touristenvisum umwandeln.
Wie es aussieht werde ich hier in Togo mehr Zeit als erwartet verbringen.
Den restlichen Tag über bin ich in Lome und sehe wieder mal was richtig schwitzen bedeutet.
Wenn die Sonne hinter den Dunstwolken verschwindet und die Luftfeuchtigkeit auf 95 Prozent steigt, glaube ich mich im heimatlichen Dampfbad in Oberlaa wiederzufinden.
Die Leute scheint das hier nicht weiter zu stören, sie legen sich einfach dort hin wo sie gerade sind und schlafen eine Runde.
 

 

Mittwoch, 27. Dezember 2006

Heute muss ich wieder ins Büro der Immigration um mir mein Visum und meinen Pass abzuholen. Ich komme wie bestellt um 16 Uhr und es herrscht totales Chaos.
Auf dem Tisch liegen rund 100 Reisepässe und pro Stunde werden maximal 4 davon bearbeitet.
Offensichtlich besteht keine Möglichkeit den Pass noch heute mitzunehmen, weil einfach nichts weitergeht.
Nach rund einer Stunde werden dann alle Wartenden des Gebäudes verwiesen und müssen solange draußen warten bis sie aufgerufen werden.
Als der Beamte dann irgendeinen russisch klingenden Nahmen nennt, auf den sich niemand meldet antworte ich einfach mit Da, Da Karascho!
Einmal wieder im Büro des Immigrationssekretärs sage ich, dass ich gerade aufgerufen wurde und nenne meinen richtigen Nahmen. Da der Mann drinnen keine Ahnung hat was draußen eigentlich vorgelesen wird, und ich wohl berechtigt daran zweifeln darf, dass sich irgendeiner der genannten Namen wirklich unter den draußen Wartenden befindet, fällt mein Schwindel nicht auf.
Kein Problem sagt der Beamte, sucht meinen Pass raus und gibt ihn mir zurück. Drinnen ist zum Glück auch schon der Stempel mit dem Visum. Gültig für ein Monat.
Es ist zwar traurig, aber ohne Frechheit ist hier wirklich nichts zu holen und außerdem habe ich fast zwei ganze Tage dafür aufwenden müssen um den Stempel in meinen Pass zu bekommen. Das nennt man dann afrikanische Bürokratie.

Am Abend fahre ich zurück zur Herberge und werde Zeuge eines grausamen Unfalls. Ein Familienvater, seine Frau sowie seine beiden Kinder fahren mit einem Moped auf der Hauptstrasse in Richtung Lome. Die Frau trägt ihr Kleinkind in ein Tuch gewickelt auf dem Rücken. Natürlich hat niemand einen Helm.
Das Moped ist nur schwach beleuchtet und im Lichtermeer der entgegenkommenden Lastwagen von hinten eigentlich fast nicht zu sehen.
Beladen mit 4 Personen ist die Geschwindigkeit des Zweirades wohl kaum höher als 30 km/h.
Von hinten nähert sich ein Bus mit ungefähr der dreifachen Geschwindigkeit und es kommt zum tragischen Zusammenstoß.
Das Moped und die sich darauf befindliche Familie werden durch die Luft geschleudert.
Der Vater und der ältere Sohn bewegen sich nicht mehr, die Frau und das kleine Kind sind nirgends mehr zu sehen. Sie sind von der Strasse geschleudert worden.
Der schuldige Busfahrer verringert die Fahrt nicht im geringsten sondern gibt Vollgas. Er begeht Fahrerflucht, ob bzw. wie oft er gerade zum Mörder geworden ist scheint ihm egal zu sein.
Da er, wie die meisten, ohne lesbare Nummer fährt kann ihn auch niemand identifizieren.
Das ist manchmal so unbegreiflich hier, würden die Menschen etwas weiterdenken und in ihren Handlungen auch eventuelle Konsequenzen sehen, wäre vieles Vermeidbar.
Eigenverantwortung im Denken ist wirklich nirgends vorhanden.
Der Straßenverkehr ist, wie wenn man Kinder mit scharfen Waffen Räuber und Gendarm spielen lässt. Russisches Roulett.
Ich verbringe heute einen nachdenklichen Abend.
 

Donnerstag, 28. Dezember 2006

Heute morgen gehts wieder auf die Laufstrecke und dann treffe ich mich mit Sean.
Sean ist Elektriker und wird mit mir gemeinsam versuchen den Schaden an meiner Maschine zu beheben.
Er ist einer der wenigen Handwerker in Afrika, die eine Ausbildung auf europäischem Niveau durchlaufen haben und er wurde mir von Rüdiger empfohlen, einem deutschen Autohändler in Lome, der sich auf den Import von Gelände und Luxuswagen spezialisiert hat.
Sean und ich gehen zunächst einmal einkaufen. Wir brauchen einen alten Kabelbaum um die abgebrannten Kabel durch neue zu ersetzen.
In der Stadt gibt es einige Libanesen die alle möglichen Unfallautos ausschlachten. In so einem Geschäft bekommen wir auch den Kabelbaum.
Wieder in der Werkstadt angekommen beginnt ein wahrer Marathon. Sean setzt sich mit mir vor die Maschine und wir beginnen sofort mit der Arbeit.
 



Sieben Stunden arbeiten mir ohne Pause durch. Ein geschmortes Kabel nach dem anderen wird herausgeschnitten und dann an dessen Stelle eines von den Neuen eingelötet.
Als wir gegen Abend dann den Kabelbaum neu verlegt haben untersuchen wir den Starter.
Dieser dreht sich zwar verlässlich durch, zieht sich aber nicht mehr zurück, nachdem er an die Schwungscheibe des Motors greift.
Wir zerlegen den Starter und schmieren ihn wieder kräftig durch. Danach geht er wieder.
Das Startrelais allerdings funktioniert nicht mehr. Der Startversuch, der dann schließlich zum Abbrennen der Elektrik geführt hat dürfte also durch ein defektes Startrelais in Verbindung mit einem steckengebliebenen Starter hervorgerufen worden sein. Dumm aber durchaus verständlich. Wenn 30 Ampere Batteriestrom ohne durchs Relais geleitet zu werden voll in die Kabel des Motorrades laufen, dann wirkt das wie ein Schweißgerät.
 

Als alles fertig zusammen gebaut ist, kommt nun der spannende Moment: Wir starten die Maschine. Der Batteriestrom fließt wieder und der Motor startet ohne Probleme beim ersten Versuch.
Wir sind alle recht freudig überrascht als plötzlich einer der anderen Mechaniker Stop schreit.
Ich drücke sofort den Notaus und rechne schon mit einem neuen Abbrennen der Elektrik. Doch es passiert etwas anderes. Eine der Zuleitungen des Ölkühlers ist undicht geworden und ich verliere Motoröl.
Auf meiner Lastwagenfahrt haben die Männer die Ziegen am Motorrad festgebunden. Anscheinend hat eines der Tiere dabei meine Ölleitung etwas zu arg bearbeitet und sie ist undicht geworden.
Wir brauchen also eine neue Zuleitung für den Ölkühler und die muss erst angefertigt werden.
Heute wird das nichts mehr. Es ist mittlerweile Nacht geworden und wir machen morgen weiter.
 


Freitag, 29. Dezember 2006

Sean holt mich um 7 Uhr ab und wir fahren mit dem Taxi zur Werkstadt. Nachdem wir die defekte Ölleitung ausgebaut haben geht es zum Spezialisten.
Die Firma dieses sogenannten libanesischen Spezialisten liegt im Hafen von Lome. Die Hitze und Schwüle drücken extrem und die unvermeidliche, für afrikanische Industriegebiete typische Mischung aus Öl, Abfall und Schrott pflastert die Sandstrassen.

 


Vor einigen verrosteten Royce Rolls Schiffsmotoren steigen wir aus dem Wagen und betreten eine Wellblechhütte. Hier werden alle Arten von druckresistenten Schläuchen für Schiffe und Lastwagen hergestellt. Wie erwartet verlangt der Patron einen so verrückten Preis, dass ich mich umdrehe und wieder gehen will, nach der Intervention von Sean, den ich zurückhalten muss, weil er mit dem unseriösen Patron schon zu streiten beginnt, einigen wir uns aber auf einen Preis.
Im Laufe des Vormittags gelingt es natürlich nicht einen dichten Kühlerschlauch zu fabrizieren und wir müssen am Nachmittag wieder kommen. Das Ergebnis ist dann aber zufriedenstellend. Als wir den Schlauch montieren und die Maschine starten ist alles in Ordnung.
Nur der linke Zylinder klingelt plötzlich arg.
Ich warte etwas zu bis der Motor abgekühlt ist und schaue mir das Ventilspiel an. Eine Einstellschraube hat sich regelrecht festgefressen. Als ich sie öffne stelle ich fest, dass sich das Gewinde durchgedreht hat und ich jetzt eine neue Schraube brauche.
Das ist ja wie verhext, schon die dritte Panne innerhalb einer Woche.
Die Schraube wird ein mäßig schlimmes Problem darstellen. Da die Polizei hier die gleichen Motorräder fährt, kann ich diesen kleinen Teil hier vielleicht sogar bekommen. Einer der Mechaniker kennt vielleicht wen der wieder wen kennt... Sonst muss ich eben über DHL arbeiten.
Auf jeden Fall habe ich einen neuen Freund gewonnen. Sean hat sich heute so für mich und für mein Geld eingesetzt, dass er fast mit dem Libanesen zu raufen begonnen hätte.
Als ich ihn für seine Arbeit bezahlen möchte sagt er, dass er gerne 15 Euro hätte. 15 Euro für mehr als zwei Tage Arbeit sind echt recht wenig. Ich gebe ihm das Geld und schenke ihm meinen zweiten, alten Leathermantool, den ich als Reserve mitgenommen habe.
Sean ist überglücklich.
 

Samstag, 30. Dezember 2006

Als ich heute morgen wieder auf meine Laufstrecke am Strand gehe erwarten mich natürlich schon mehr Leute als bei den ersten Malen. Es hat sich anscheinend herumgesprochen, dass ein sportlicher Tourist in der Gegend ist und die Händler laufen mir nach und wollen mir ihre Waren verkaufen.
Als ich dann auf eine etwas einsamere Stelle komme, läuft plötzlich ein Mann neben mir der versucht meinen Arm zu packen, mich laut anbrüllt und meint, White man, give me money!
Als wir offensichtlich beide gerade versuchen uns zu entscheiden ob das jetzt ein Überfall oder ein Spaß werden soll erhöhe ich das Tempo aufs Maximum.
Für mich wird die Situation jetzt jedenfalls ein Spaß. Im recht tiefen Sand kann der Mann meiner Geschwindigkeit nicht folgen und ich lasse ihn fluchend zurück.
Schon verrückt und etwas ärgerlich. Wegen diesem Idioten muss ich jetzt meine tolle Laufstrecke aufgeben und wo anders rennen gehen. Wenn er jetzt weiß, dass ich schneller laufen kann als er, denk er sich sicher bis zum nächsten Mal was anderes aus. Was, will ich gar nicht herausfinden.
 


Am Nachmittag fahre ich noch mal in die Werkstadt und frage ob jemand meine Schraube auftreiben konnte. Wie erwartet wird das aber erst nächste Woche möglich sein.
Heute ist Tabaski und alle Moslems feiern ihren Neujahrsfeiertag. Alle anderen nicht Moslems nehmen die Feierstimmung natürlich zum Anlass um ebenfalls nichts zu arbeiten.
Kurz gesagt, die nächsten drei Tage geht hier nichts mehr weiter.
Im Hof der Werkstadt brennt mittlerweile ein Feuer und die Männer bereiten gerade alles für die traditionelle Schlachtung der Schafe vor.
Den Tieren wird die Kehle durchgeschnitten und sie werden kopfüber aufgehängt.
Das Blut rinnt in eine Grube im Boden und die Kinder springen freudig herum.
Andere Länder, andere Sitten!
 


Sonntag, 31. Dezember 2006

Heute laufe ich woanders am Strand und es ist genauso nett. Einzig die Stimmung ist etwas aufgeheitert.
Die Männer saufen schon seit Weihnachten mehr oder weniger ohne Pause und heute Abend ist Silvester. La Fete.
Überall am Strand wird billiger Fusel verkauft und die Geschäfte mit dem Alkohol gehen bestens. Ab 1000CFA, also 1,80 Euro ist man mit einer Flasche Schnaps dabei. Am Vormittag sehe ich schon die ersten Alkoholleichen.
Egal ob Moslem oder nicht, beim Trinken sind sich alle einig. Das macht die Feiertage hier nicht ungefährlich. Der Straßenverkehr wird noch verrückter und die Kriminalität und Raubüberfälle auf den Strassen nehmen dann am stärksten zu, wenn die Leute kein Geld mehr für Alkohol haben. Eigentlich sehr traurig.
Ich verbringe die Silvesternacht bei Chez Alize im Rahmen einer lustigen Party.
Eine Tanzgruppe aus dem Dorf tritt auf und es gibt jede Menge zu lachen.
 
 


Montag, 1. Januar 2007


Das Jahr 2007 wird natürlich traditionell mit einem Neujahrslauf begrüßt. Ich mache mich auf den Weg und wünsche jedem, den ich auf der Straße treffe ein frohes neues Jahr.
Manche der Leute haben allerdings eine Fahne wie das Parlament am Staatsfeiertag.
Das mit dem Handschütteln funktioniert aufgrund allgemeiner Koordinationsstörungen in weiten Teilen der Bevölkerung auch manchmal erst beim dritten Versuch!
Heute feiern die Togolesen ihr eigentliches neues Jahr. Es ist nämlich so, dass die Afrikaner in der Regel lieber am Tag feiern als in der Nacht. Auch wenn man davon natürlich in der Nacht nichts merkt!
 
 

Überall auf den Strassen und am Strand sind Partys und es gilt als Statussymbol sich untertags in den Kaffees oder Bars beim ausgiebigen Feiern sehen zu lassen.
Da fragt man besser nicht nach dem Befinden der Leber....
Oder wie der gute Nestroy einst im Lumpazivagabundus bemerkt hat, Weckts mi wieder auf wann i an Durscht hob. So läuft das hier.
Von diesen exzessiven Feiergelüsten der Bevölkerung amüsiert ziehe ich aber dann doch die Stille vor und spiele am Nachmittag mit den Affen die direkt vor meinem Zimmer ihren Platz haben.
 


Dienstag, 2. Januar 2007


Heute morgen fahre ich gleich in die Werkstatt um zu sehen ob jemand die defekte Schraube auftreiben konnte.
Leider gibt es nirgends einen passenden Teil und ich muss mir eine aus der Heimat über DHL bestellen.
Zum Glück hat Martin Schmidtmayer, mein Mechaniker, so einen Teil in seiner Werkstatt und das DHL Packet kann gleich verschickt werden.
In 3 bis 5 Tagen sollte ich den Teil haben. Dann werde ich die Maschine fertig reparieren und meine Reise fortsetzen.
Später nehme ich mir noch ein Taxi und fahre auf die Botschaft von Gabun. Es ist relativ leicht das Visum zu bekommen und wenn ich Glück habe, kann ich vielleicht sogar das Visum für Angola hier in Lome bekommen.
Es gibt eine Botschaft hier und der Botschafter wird ab dem 5. Jänner wieder anwesend sein.

Jetzt sieht die Situation auf meiner geplanten Route einmal wie folgt aus.
Angola stellt im Moment den eigentlichen Knackpunkt jeder motorisierten Afrikadurchquerung über die Westroute dar. Die Botschaften in Libreville/Gabun sowie in Point Noire/Kongo stellen seit etwa einem Monat keine Visa mehr für Touristen aus.
Sollte ich das Angolavisum nicht hier in Lome/Togo oder eben in Abuja/Nigeria bekommen können, habe ich ein Problem.
Das würde bedeuten der Landweg nach Namibia über Angola wäre geschlossen.
Als Alternative bliebe der Landweg über die Demokratische Republik Kongo mit über 2000km Pisten über deren Zustand sowie Versorgungslage niemand Auskunft geben kann.
Das Land hat zwar nun die ersten friedlichen demokratischen Wahlen in seiner Geschichte erlebt und die Situation ist militärisch gesehen ruhig, ein großer Teil des Strassen Netzes sowie der Brücken sind aber nach wie vor durch den langen Krieg zerstört.
Eine andere Möglichkeit wäre mit dem Schiff von Libreville nach Namibia zu fahren.
Das wäre im Fall des Falles wahrscheinlich die zu favorisierende Option, hoffen wir aber, dass ich das Visum für Angola bekomme und meinem ursprünglichen Reiseplan folgen kann.
 

Mittwoch, 3. Januar 2007

In der Früh gehe ich wieder laufen und im Laufe des Vormittags fahre ich in die Werkstatt.
Zu tun gibt es hier immer was.
Heute kommen 2 Motorradfahrer aus Schweden in die Werkstätte von Toni. Sie fahren beide neue 990er KTM Bikes und haben Probleme mit dem schlechten Sprit. Die Motoren laufen sehr schlecht und die Elektronik kann keine optimale Einspritzung berechnen.
Als wir den Sprit gegen Besseren tauschen gehen die Motorräder wieder einwandfrei.
Da habe ich natürlich mit meinem alten Vergasermotor weniger Probleme mit der Spritqualität.
 



Am Nachmittag fahre ich ins größte Hotel der Stadt um dort eine Internetverbindung über WLAN in Verbindung mit meinem Notebook zu nutzen.
Für sagenhafte 2500CFA gibt es eine Stunde Internetzugang und just in dem Moment wo ich einsteigen will bricht das Netz zusammen.
Als ich mich erkundigen will was los ist höre ich schon die lautstarken Beschwerden der libanesischen Geschäftsleute.
Also heißt es morgen wieder kommen und hoffen, dass ich dann ein funktionierendes Netz vorfinde. Am Abend tritt eine lustige Volkstanzgruppe bei Alice auf und es geht wie immer und überall in Afrika lautstark zu.
 


Donnerstag, 4. Januar 2007

Heute gehts zuerst zum Laufen an den Strand.Gegen Mittag fahre ich wieder ins Grandhotel um mit meinem Computer ins Internet einzusteigen.
Eigentlich hätte ich es mir ja denken können, die Wireless Lan Verbindung geht immer noch nicht.
Ich beauftrage den Verantwortlichen die Sache sofort zu reparieren aber seine Versuche scheitern. Das ist unglaublich, ich befinde mich hier im besten Hotel des Landes und keiner bringt es fertig eine Internetverbindung aufzubauen.
Ich insistiere weiter und darf dann meinen PC an die Telefonleitung anschließen. Die Verbindung ist zwar nicht die schnellste, dafür aber stetig und einigermaßen störungsfrei.
Als ich auf die Seite des österreichischen Außenministerium schaue um mich über Neuigkeiten und Änderungen in der Sicherheitslage zu informieren, finde ich eine interessante Meldung.
Es wird extra darauf hingewiesen, dass die Gegend um das Hotel in dem ich mich gerade befinde unbedingt zu meiden ist - aufgrund der hohen Kriminalität.

 

 


Freitag, 5. Januar 2007

Heute morgen werde ich durch lautes Klopfen aufgeweckt. Als ich meine Zimmertüre öffne berichtet mir einer der Angestellten ganz aufgeregt, dass DHL angerufen hat und mein Packet mit den Ersatzteilen angekommen ist.
Das ist ja fast unglaublich, die Lieferung hat nur 36 Stunden gedauert.
Ich fahre ins Stadtzentrum und hole mir das Packet selber ab.

Am Vormittag fahre ich dann noch zur Botschaft von Angola. Der Botschafter ist zwar bereits anwesend, erwartungsgemäß arbeitet er aber heute Freitag nicht. Man versichert mir jedoch, dass ich am Montag mein Visum bekomme. Das wäre eigentlich fast zu schön um wahr zu sein, aber warten wir ab.
Zurück in Tonis Werkstatt verliere ich keine Zeit. Ich baue die defekten Teile vorsichtig aus und ersetze den Kipphebel sowie die Ventileinstellschraube durch neue.
Danach stelle ich das Ventilspiel neu ein und die Maschine startet beim ersten Versuch.
Da bin ich wirklich froh, nach fast zwei Wochen Zwangspause läuft mein Motorrad wieder und sobald ich meine Visa beisammen habe, kann die Reise weitergehen.
Den Nachmittag verbringe ich wieder im Hotel Sarakawa, wo das W-Lan immer noch nicht geht und ich meinen Computer wieder an die Telefonleitung hänge.
 

Samstag, 6. Januar 2007

Wenn das Moped wieder läuft, muss man das natürlich ausnützen. Gleich nach dem Laufen in der Früh setzte ich mich auf die Maschine und fahre etwas an den Strand.
Man muss schon sagen, im Großraum von Lome hat man ideale Trainingsbedingungen fürs Geländefahren. Jede Strasse ist leicht bis tief versandet, es gibt viele mit Weichsand gefüllte Bodenwellen und ein Kreisverkehr erinnert manchmal sogar an eine Speedwaystrecke.
Auf jeden Fall macht das Ganze höllisch Spaß und nach rund drei Stunden fahre ich schweißgebadet in die Herberge zurück.


Sonntag, 7. Januar 2007


Heute fahre ich auf den Voodoomarkt von Lome. An diesem traditionsreichen Platz kann man so ziemlich jeden nur erdenkbaren Fetisch kaufen, den man sich vorstellen kann. Der erste Anschein gleicht freilich dem eines Gruselkabinetts.
An den Marktständen hängen tote Kobras, Elefantenknochen und Leopardenköpfe.
Nach dem Glauben der Voodoopriester ist jede Gottheit jeweils mit einem speziellen Opfer zufrieden zustellen.

Während einer Voodoozeremonie wird eine Gottheit angerufen, im Takt der Trommler fallen die Tänzer, die sogenannte Medien, in Trance und mit Hilfe von Fetischen wie Gebeinen und Totenschädeln deutet der Priester den Trancezustand der Tanzenden und kommt so in Kontakt mit den angerufenen Geistern.

 


An den Marktständen hängen tote Kobras, Elefantenknochen und Leopardenköpfe.
Nach dem Glauben der Voodoopriester ist jede Gottheit jeweils mit einem speziellen Opfer zufrieden zustellen. Während einer Voodoozeremonie wird eine Gottheit angerufen, im Takt der Trommler fallen die Tänzer, die sogenannten Medien, in Trance und mit Hilfe von Fetischen wie Gebeinen und Totenschädeln deutet der Priester den Trancezustand der Tanzenden und kommt so in Kontakt mit den angerufenen Geistern.
Der Voodoopriester hat die Möglichkeit den Trancezustand zu verlängern oder abzubrechen, ebenso kann er die Macht des angerufenen Geistes bewusst in eine Richtung lenken. Über das Trancemedium kann er in die Zukunft sehen, böse Geister vertreiben oder Krankheiten heilen.

Der Voodooglaube hatte seinen Ursprung in Benin und ist überall in Westafrika weit verbreitet. Über den Sklavenhandel gelangte der Voodookult dann nach Amerika und in die Karibik.
Auch heute noch wird das Leben der jungen wie alten Afrikaner von diesem Naturglauben geprägt. In fast jedem Dorf gibt es eine Mamisis, eine Voodoopriesterin. Während unter Expräsident Gnassingbe Senior Voodoo als Religion nicht anerkannt war, erlangt der Kult nun unter Gnassingbe Junior, seinem Sohn, immer mehr staatliche Achtung.
Wer durch die Intervention eines Voodoopriesters Heilung von einer Krankheit erfährt oder wem ein langersehnter Kinderwunsch in Erfüllung geht, ist dem angerufenen Gott zu ewigen Dank verpflichtet.
Der Priester nimmt darauf hin wieder Kontakt mit dem Geist auf und fragt nach der gewünschten Opfergabe.
Oft wird eine Statue des Gottes angefertigt, welche das wundersame Ereignis in irgendeiner Weise dokumentiert. So ein Hausgott muss dann ein Leben lang durch Opfergaben verehrt werden.

Der Voodooglaube ist keinesfalls eine monotheistische Religion wie das Christentum oder der Islam.
In der Voodookultur finden sich, wie so oft in Afrika, die Einflüsse vieler anderer Religionen und Kulturen wieder, die im Laufe der Jahrzehnte mit den betreffenden Regionen in Berührung gekommen sind.. Einige der Voodoogottheiten erinnern an tanzende Shivas, andere wieder an christliche Heilige oder Islamische Propheten.
Jede andere Gottheit und jeder neue Geist ist willkommen, solange die Leute glauben, dass er hilft. Im heutigen Afrika kann man dieses Phänomen natürlich gut aus marktwirtschaftlicher Sicht erklären.
Was nützt dem Voodoopriester eine traditionelle Gottheit, wenn ihm die zahlende Kundschaft ausbleibt, weil die Leute denken, dass sein Kollege im Nachbardorf mit einem neuen und viel mächtigeren Geist in Verbindung steht.
Wie überall in Afrika ist eine Tradition dann besonders viel wert, wenn sie auch in mehr oder weniger direkter Verbindung mit Einkommen, Wohlstand und Lebensqualität steht.

Als ich am Abend wieder in die Herberge komme sind alle ziemlich aufgeregt. Man erzählt mir von einem Familienstreit mit tragischem Ausgang. Es wurde im Dorf ein Mann von seinem eigenen Bruder geköpft!
Der Grund für diese Wahnsinnstat war ein Erbschaftsstreit. Nachdem der Vater gestorben ist, wollte der eine Sohn das Land als Baugrund verkaufen während es der Andere lieber behalten hätte.
Da in so einer Situation natürlich nicht logisch argumentiert wird nimmt einer der Männer ein Buschmesser und köpft seinen Bruder auf offener Strasse.
Als die daraufhin alarmierte Polizei den Mörder festnehmen will kommt sie zu spät. Die Familie hat die Sache bereits intern geregelt und den anderen Bruder ebenfalls enthauptet.
Als Europäer fällt es sehr schwer in solch barbarischen Handlungsweisen irgend eine Form von Begründung zu finden.
Auf der anderen Seite muss man bedenken, dass das Leben für die meisten Menschen hier rein auf den Moment bezogen abläuft.
Eine extrem gegenwartsbezogene Lebensweise ruft aber ihrerseits eine reflexorientierte Handlungsweise herbei. Ähnlich wie in einem Boxkampf, wo jede Aktion blitzschnell durch eine entsprechende Reaktion beantwortet wird.
Bezogen auf die Konfliktkultur der einfachen Afrikaner bedeutet das oft, dass die eigene Position mit der wirkungsvollsten, gerade zur Verfügung stehenden Maßnahme verteidigt wird, ohne die möglichen Auswirkungen in Bezug auf die Zukunft zu überdenken.
Genaugenommen passiert psychologisch gesehen das Gleiche auch in weiter entwickelten Ländern dieser Welt, die Auswirkungen sind nur oft weniger dramatisch.
 

Montag, 8. Januar 07

Heute morgen geht es gleich auf die Botschaft von Angola. Da das Angolavisum im Moment das am schwierigsten zu bekommende Einreisedokument in ganz Afrika ist und für mich eine Verweigerung ein schweres Problem bedeuten würde, bin ich etwas aufgeregt. Als ich in die betreffende Gasse einbiege sehe ich eine riesige Menschentraube vor mir. Am Boden liegt ein Moped und ein Geländewagen mit deutschem Kennzeichen steht quer über die Strasse.
Anscheinend war der Deutsche in einen Unfall verwickelt.
Zum Glück ist der Mopedlenker nicht verletzt und die Sache geht gut aus.
Ich parke meine Maschine vor der Botschaft und werde freundlich hereingebeten.
Im Garten befindet sich ein Tisch mit drei Stühlen und der Botschaftssekretär bittet mich ihm gegenüber Platz zu nehmen.

Jetzt beginnt das klassische Pokerspiel. Er eröffnet die Partie und fragt mich nach meinen Reiseabsichten sowie nach einem Einladungsschreiben. Ich lege darauf mein Empfehlungsschreiben von Unicef auf den Tisch und sage ihm, dass ich für Unicef unterwegs bin und mich für die Kinder Afrikas einsetze. An seiner Reaktion merke ich, dass er damit nicht gerechnet hat. Das nütze ich aus und lege auch ein Email von Unicef Namibia auf den Tisch, welches bestätigt, dass mich ein Presseteam von der angolanisch/namibischen Grenze abholen wird.
Darauf denkt er kurz nach und nimmt alle meine Unterlagen in einer Mappe auf. Wie er langsam einen Zettel nach dem anderen in seinen Ordner legt, gebe ich ihm eine Reisepasskopie und 4 Passbilder von mir.
Ich sage dazu, dass Passbilder und Passkopien wichtig sind um die Identität eines Reisenden zu bestätigen.
Auf diese Feststellung antwortet er erwartungsgemäß mit ja und ordnet die Fotos in die Mappe ein.

Jetzt ist er am Zug, er verlangt meinen Reisepass und blättert ihn aufmerksam durch. Beim Einreisestempel von Togo angekommen legt er den Pass auf den Tisch und sagt, diese Seite muss kopiert werden. Da es unter afrikanischen Beamten eine übliche Praktik ist nach Kopien von Papieren zu fragen, wenn sonst alles in Ordnung ist, habe ich diese Seite schon kopiert vor mir liegen und überreiche sie ihm sofort. Darauf ist er einigermaßen erstaunt und bittet mich heute um 14 Uhr wieder zu kommen. Dann ist der Botschafter wieder hier und der muss über das Ansuchen entscheiden. Er nennt mir ebenfalls den Preis des Visums. 30 US Dollar, zahlbar nur in US Dollar. Das sollte ja kein Problem werden. Fürs erste ist die Pokerrunde ja gar nicht so schlecht gelaufen.
Der Antrag wurde nicht abgelehnt, und ich darf wieder kommen und den Botschafter sprechen. Für Angola schon ein großer Erfolg.
Als ich um 14 Uhr wieder zur Botschaft komme, ist der Botschafter tatsächlich anwesend und empfängt mich auch sofort. Ich erkläre ihm meine Reisabsichten und meine Mission für Unicef. Währenddessen blättert er mein Dossier durch und betrachtet die Empfehlungsschreiben gegen das Licht, als würde er einen Geldschein nach seiner Echtheit prüfen.

Als ich mit meinen Ausführungen über die Schönheit der Landschaft Angolas, die Freundlichkeit der Menschen und die Vorzüge Afrikas im Allgemeinen zum Ende gekommen bin, sagt er, dass die Papiere in Ordnung sind, das Ansuchen aber nach Luanda weitergeleitet werden muss um dessen Wahrhaftigkeit zu überprüfen.
Auch das gehört zum Spiel, ich versichere ihm, dass meine Absichten ehrenhafter Natur sind und frage wie wir nun verbleiben.
Darauf sagt er mir, dass ich nach erfolgter Verifizierung meiner Angaben dann morgen um 10 Uhr meinen Visumantrag stellen darf. Ich bedanke mich freundlich und verlasse die Botschaft. Wirklich, um nach Angola einreisen zu dürfen, erlebt man Szenen wie in einem Spionagefilm. Mittlerweile macht mir die allabendliche Heimfahrt durch den verrückten Verkehr am Strandboulevard schon jede Menge Spaß.
 


Dienstag, 9. Januar 2007

Heute fahre ich wie bestellt auf die Botschaft von Angola und treffe den Botschafter.
Er versichert mir, dass er froh ist mich kennen gelernt zu haben und eröffnet mir, dass mein Empfehlungsschreiben von Unicef zwar akzeptiert worden ist, aber das selbige Schreiben an die angolanische Botschaft von Lome gerichtet sein muss.

Das ist kein Problem, ich telefoniere mit Unicef Österreich und bekomme das entsprechend adressierte Schreiben noch am selben Vormittag.
Die Rückfahrt zur Botschaft verläuft jetzt etwas schwieriger als normal. Der Togolesische Präsident ist aus seiner Residenz ins Stadtzentrum gefahren und gibt einen großen diplomatischen Empfang im Regierungspalast. Einige Strassen werden gesperrt und der Verkehr umgeleitete. Schwerbewaffnete Sicherheitskräfte auf offenen Pickups richten ihre Maschinengewehre auf die Vorbeifahrenden und an den Straßenrändern stehen Soldaten. Sogar ein Kriegsschiff hat vor dem Hafen von Lome Stellung bezogen. Sehr vertrauenserweckend ist die Situation auf jeden Fall nicht.
Als ich das Grandhotel in Richtung Regierungsviertel passiere springen plötzlich zwei Männer in Zivil auf die Strasse. Sie tragen Kalashnikovs und deuten mir an die Seite zu fahren. Ich erschrecke ziemlich, da die Männer keine Uniformen tragen und ich im ersten Moment an bewaffnete Straßenräuber denke.
Als ich ihnen sage, dass ich auf die Botschaft von Angola muss lassen sie mich passieren.

Wie ich mich um 14 Uhr wieder in der Botschaft einfinde, werde ich schon erwartet. Der freundliche Sekretär ordnet mein zweites Empfehlungsschreiben in seine Mappe ein und gibt mir bekannt, dass meinem Visumansuchen stattgegeben wurde. Das bedeutet, dass ich meinen Antrag stellen darf. Das Problem dabei ist nur, dass die Bearbeitung zwei Wochen dauert, wie mich der Sekretär sogleich wissen lässt.
Damit habe ich leider gerechnet und antworte deshalb sofort, dass mein Togovisum schon in 11 Tagen abläuft und ich deshalb auf gar keinen Fall so lange warten kann.
Darauf erklärt mir der Mann, dass die Botschaft von Lome meinen Antrag samt Reisepass erst per Post nach Abuja in Nigeria schicken muss, dort das Visum in den Pass geklebt wird und dann die Sendung wieder retour geht. Dieser Prozess dauert in etwa zwei Wochen. Das ist natürlich in Afrika eine recht dehnbare Angabe.
Ich frage, ob es möglich ist das Visum selber in Abuja abzuholen. Das würde ohnehin auf meiner Route liegen.
Darauf ruft der Sekretär den Botschafter an und der lässt mich wissen, dass er meine Entscheidung versteht und die Botschaft in Abuja über mein Kommen informieren wird.
Darauf bitte ich sofort um ein Empfehlungsschreiben, welches bestätigen kann, dass ich als bereits in Lome akkreditierter Antragsteller meinen Visumantrag in Nigeria stellen darf.
Man sichert mir zu, mir auf diesem Weg zu helfen. Ich soll morgen um 9 Uhr wiederkommen.

 

Das ist nun eben typisch und gehört zum Spiel, pro Tag kann maximal einer Anfrage entsprochen werden und heute beschäftige ich die Botschaft schon seit der Früh.
Wie gesagt, wenn man bedenkt, dass ich versuche nach Angola einzureisen, läuft es immer noch gut.
Ich glaube es ist sehr wichtig diesen bürokratischen Dschungel als Spaß zu sehen, das ist Teil der Reise und deshalb soll es auch irgendwo die Seele erfreuen, auch wenn viele Dinge absolut nicht nachvollziehbar sind.
Am Nachmittag gibts zur Belohnung eine Cola in einem Terrassencafe.
 



ittwoch, 10. Januar 2007

Heute fahre ich zum 4. Mal auf die Botschaft von Angola. In der Einfahrt steht der neue BMW des Botschafters. Offensichtlich ist er gut gelaunt und ich bekommen tatsächlich das versprochenen Empfehlungsschreiben für die angolanische Botschaft von Abuja.
Ob mir dieses Schreiben dann in Nigeria wirklich hilft mein Visum zu bekommen könnte aber noch eine interessante Geschichte werden.
Am Nachmittag versuche ich bei der Bank etwas Geld mit der Visa abzuheben. Leider scheint die Telefonverbindung nicht zu funktionieren und ich muss durch die ganze Stadt fahren, bis ich einen Automaten finde, der funktioniert. Für so eine Sache wie zum Bankomaten zu fahren, muss man in Lome schon mal zwei bis drei Stunden einrechnen.



Weil heute die Generalprobe für die große Militärparade am 13. Januar stattfindet sind viele der Hauptdurchzugstrassen gesperrt. Das Problem löst sich für mich allerdings von selbst, als ich bei einer der Straßensperren anhalte, fragt mich ein Soldat ob ich ihn auf der Maschine ein Stück mitnehmen kann. Mit seiner Begleitung kann ich dann überall ungehindert durchfahren.
Später fahre ich in den Supermarkt und kaufe ich mir noch eine kleine Kühlbox, die ich auf den Gepäckträger meiner Maschine schnallen kann. Drinnen ist genau Platz für einen Wassersack. Mein Wassertransportproblem, welches ich habe seit dem ich auf einer Piste meinen Kanister verloren habe, ist damit gelöst.
Am Abend tritt bei Chez Alice eine Musikgruppe aus Liberia auf. Ich schaue kurz zu, gehe dann jedoch bald schlafen. Mein linkes Ohr hat sich entzündet und mir tun die lauten Trommelgeräusche weh.
 


Donnerstag, 11. Januar 07


Als ich heute aufwache, tut mir mein Ohr immer noch ziemlich weh und ich hoffe, dass es besser wird. Wahrscheinlich ist etwas Sand hineingekommen und durch Wind und Luftfeuchtigkeit hat sich eine Entzündung gebildet. Ich beginne gleich mit einer Behandlung mit Ohrentropfen.
Gegen Nachmittag hat sich die Entzündung dann etwas gebessert und ich kann laufen gehen. Der Hamatan, der trockene Wüstenwind hat sich wieder gelegt und das tropische Wetter ist zurückgekehrt.
 

 

Es ist zwar extrem heiß, aber man bekommt wieder Luft ohne das einem die Schleimhäute brennen.
Den Abend verbringe ich mit dem Schreiben von Berichten in der Herberge. Im Hintergrund spielt leise Musik und meine Gedanken versuchen viele Erlebnisse und Begegnungen der vergangenen Tage zu ordnen. Innerhalb weniger Tage und manchmal Stunden passieren so viele Dinge, die eigentlich kontrastreicher nicht sein können.
Da war kürzlich der Dorfchef von einem der Nachbardörfer bei Alize zu Gast. Er ist Doktor und hat nach seinem Studium in Deutschland wieder seinen Weg in die Heimat gefunden. Mittlerweile hat er in seinem Ort den Status eines Königs und wird als solcher mit allen Problemen der Dorfbewohner konfrontiert.

 

Wir führen ein recht interessantes Gespräch bis spät in die Nacht und er erzählt von den weit verbreiteten und teilweise erschreckenden Initiationsritualen an afrikanischen Jugendlichen.
Das wohl leider bekannteste und traditionell am tiefsten Verwurzelte ist das Ritual der Beschneidung. Hierbei werden jungen Frauen im Alter zwischen 10 und 17 Jahren die sichtbaren Geschlechtsteile entfernt.
Diese grausame Handlung wird im Laufe einer Zeremonie durchgeführt. Den jungen Mädchen wird dabei mit einem Stück glühenden Metal, oder wenn nicht anders möglich auch mit einer Glasscherbe, unter größten Schmerzen der betreffende Körperteil entfernt.
Nach dem Abschluss dieser, meist unter schlimmsten hygienischen Verhältnissen durchgeführten Verstümmelung, müssen die Opfer trotz schwerem Blutverlust tanzen bis zum Eintritt der Bewusstlosigkeit
Laut dem Glauben verlassen so schändliche Gedanken und Geister den Körper. In einigen Kulturen wird den Frauen dann zum Abschluss der Initiation das Geschlechtsteil bis zur Eheschließung zugenäht.
Diese grausame Praktik führt nicht selten zum Tod und ist heute laut Gesetz in fast allen Westafrikanischen Staaten verboten.

Trotzdem beträgt die Rate der beschnittenen Frauen in einigen Kulturen noch weit über 50 Prozent.
Heute verweigern sehr viele Mädchen dieses Ritual von sich aus, gerade im ländlichen Raum
aber meist ohne Erfolg.
In den kleinen Dorfstrukturen bedeutet ein Abweichen von den Traditionen auch fast immer einen Ausstoß aus der Sozialstruktur. Für eine Frau wiederum würde das eine spätere Heirat so gut wie unmöglich machen und das gilt als größte Schande für die ganze Familie.
Bis zur Heirat gilt eine Jugendliche als Eigentum des Vaters, bis sie durch die Heirat dem Ehemann gehört.
In den islamischen Regionen darf ein Ehemann bis zu vier Frauen parallel haben, wobei er aber über genügend Geld verfügen muss um jeder Frau einen eigenen Wohnraum für sie und die Kinder zu gewährleisten. Auch muss er sich ein System zurechtlegen, in dem er jeder der Frauen gleich viel Zeit widmet und so seinen ehelichen Pflichten nachkommen kann.
In der Praxis sieht das freilich nicht immer so aus, für einen Mann ist es wesentlich leichter sich scheiden zu lassen und dafür einen Grund vor Gericht zu finden.
Je mehr man über die Kulturen und Traditionen Afrikas erfährt, desto mehr fühlt man sich mit einem manchmal erschreckenden Dualismus konfrontiert.
Man möchte eine Situation nach europäischen Maßstäben beurteilen, schreckt dabei geschockt zurück und erkennt dann, dass die selbe Situation für afrikanische Verhältnisse zwangsläufig ist.
Es sei denn, man würde hunderte Jahre von Traditionen, Naturreligionen und Geisterglauben einfach ungeschehen machen.

Vieles von dem, das hier und jetzt passiert ist gut mit unserem Mittelalter zu vergleichen.
Wenn man sich Afrika mit einer verklärten und romantischen Sichtweise nähert kann man leicht bitter enttäuscht werden. Das Leben ist nicht in erster Linie ursprünglich und faszinierend. Es ist viel mehr ein ursprünglicher Kampf um die Existenz, in dem die Menschen sich oft nur zwischen einem größeren und kleinerem Übel entscheiden können.
Im Fall der Beschneidung ist es eben die Entscheidung furchtbare seelische und körperliche Torturen zu ertragen, und wenn es gut geht sie zu überleben, oder ein Leben lang nie mehr als Teil der Gesellschaft akzeptiert zu werden.
Eine wirklich einfache und angenehme Option steht meistens einfach nicht zur Auswahl.
Bis europäische Maßstäbe gelten, müssen sich eigentlich sämtliche sozialen Strukturen ändern. Das wird noch sehr lange dauern.
 


Freitag, 12. Januar 2007


Heute fahre ich auf die Botschaft von Benin. Ich werde das an Togo grenzende Land auf meinem Weg in Richtung Süden durchqueren und suche auf der Botschaft um ein Visum an.
Meinem Antrag wird stattgegeben und ich kann mir meinen Pass am Montag abholen.
Ich gehe dann wieder um die Mittagszeit für fast zwei Stunden laufen. Mit langer Laufbekleidung. Die Einheimischen schütteln verständnislos den Kopf über den Weißen, der da freiwillig bei 35 Grad schwitzt. Ich stelle jetzt mein Lauftraining etwas auf Hitzegewöhnung um.
 


Lome ist rund 500 km vom Equator entfernt und die nächsten 3000km erwartet mich tropisch heißes und dampfendes Klima. Mit der vollen Fahrerausrüstung sowie im teilweise harten Pisteneinsatz wird meine Hitzeverträglichkeit eine entscheidende Rolle spielen. Wenn die Konzentration nachlässt, kann das sehr gefährlich werden.
Gleich nach dem Laufen setze ich mich auf die Maschine und fahre zum Geländetraining an den Strand. Der Flüssigkeitsverlust ist enorm und nach einer Stunde ist mein Camelback mit 3 Litern leer.

Auf jeden Fall bin ich nachher recht glücklich mir auf meinem Kocher einen halben Kilo Pasta mit Zwiebeln, Tunfisch und Barillasauce machen zu können.
Zum Nachtisch gibts dann eine Ananas in der Abendsonne und das Leben ist schön.

 

Der Flüssigkeitsverlust ist enorm und nach einer Stunde ist mein Camelback mit 3 Litern leer.
Auf jeden Fall bin ich nachher recht glücklich mir auf meinem Kocher einen halben Kilo Pasta mit Zwiebeln, Tunfisch und Barillasauce machen zu können.
Zum Nachtisch gibts dann eine Ananas in der Abendsonne und das Leben ist schön.
 

Samstag, 13. Januar 2007

Heute geht es nach dem Lauftraining wieder auf das Motorrad und zum Fahrtraining an den Strand.
Togo feiert heute seinen Unabhängigkeitstag und auf dem Boulevard des 13. Januars wird eine große Militärparade abgehalten. Ich schaue kurz im Fernsehen zu und muss belustigt erkennen, dass die Abnahme der Parade durch den Präsidenten sehr an den Film Der große Diktator erinnert.
 

 

Den Abend verbringe ich mit Freunden in Rainers Bar. Heute wird ein Boxkampf von Regina Halmich übertragen. Die Deutsche gewinnt alle zehn Runden klar und die Stimmung ist super. Man könnte fast meinen, dass Lome heute Abend Halle an der Saale ist, so viele Fans wie die Regina hier hat.
Die Kinder aus dem Dorf bitten mich darauf, ihnen die Grundlagen des Boxens beizubringen.
Da habe ich ja morgen ein lustiges Training vor mir, denn eigentlich habe ich meinen Job als Kickboxtrainer schon vor vielen Jahren an den Nagel gehängt.
 


Sonntag, 14. Januar 2007


Heute geht es mit den Jungs wie versprochen zum Kampfsporttraining an den Strand.
Die halbe Jugend des Dorfes hat sich bereits versammelt und die Kinder freuen sich als sie mich kommen sehen.
Wir beginnen also mit dem methodischen Aufbau einer Trainingsstunde. Zum Aufwärmen machen wir Lockerungs und Dehnungsübungen, dann gehts zum Technikteil.
Alle sind begeistert bei der Sache und die große motorische Begabung der Afrikaner wird sofort sichtbar. Es gibt kaum einen 10 Jährigen der nicht aus dem Stand einen Salto schlagen kann.
 


Montag, 15. Januar 2007



Als ich heute in der Früh aufstehe sind alle schrecklich aufgeregt. Als ich mich erkundige was passiert ist, erzählt man mir, dass gerade ein weggelegtes Kind am Strand gefunden wurde.
Es handelt sich um ein etwa zweijähriges, behindertes Mädchen. In Afrika gelten behinderte Kinder als Schande für die Familie und man nimmt an, dass in ihnen ein böser Geist wohnt.
Aus diesem Grund passiert es nicht selten, dass die Kinder irgendwo ausgesetzt oder auch getötet werden.
Besonders schwer ist es natürlich, für so ein Kind einen Platz zu finden. Es kommt der Doktor und auch die Polizei, niemand hat jedoch eine Idee, wohin man das Kind geben könnte.
Alle sind sich einig, wenn es nicht hier gefunden worden wäre, dann wäre es wahrscheinlich bereits tot.
Ich beschließe darauf zu UNICEF in Lome zu fahren und mich dort zu erkundigen, wie man in dieser schwierigen Situation vorgehen könnte. Schließlich setze ich mich mit meiner Reise für die Kinder Afrikas ein und gerade ein spontaner Notfall ist eine Situation in der man aktiv werden muss.
Bei UNICEF angekommen zeige ich meine Akkreditierungsschreiben aus Österreich vor und erkläre dem zuständigen Sekretär für Jugendschutz und Kinderrechte die schwierige Situation.
Dr. dufhehfiue ist sogleich bereit mir zu helfen und unterstützt mich mit seiner Intervention. Er telefoniert mit dem Sozialministerium und fragt nach einer möglichen Stelle für ein elternloses und behindertes Kind.
In Lome ist das aber nicht ganz einfach, im Prinzip gibt es keine staatliche Einrichtung die ein Kind aufnehmen muss oder sehr oft auch kann.
Es gelingt aber trotzdem noch am selben Tag eine Frau zu finden, die sich bereit erklärt das Kind in ihre Familie aufzunehmen.
Ich bin darüber sehr glücklich, und freue mich auch besonders über die tolle Unterstützung von UNICEF Lome, auch wenn ich nicht offiziell zu Besuch war.
 

Dienstag, 16 Januar 2007


Aufgrund des ereignisreichen gestrigen Tages komme ich erst heute dazu, mir mein Visum für Benin abzuholen.
Somit bin ich abreisebereit und werde innerhalb der nächsten Tage meine Reise fortsetzen.
Am Nachmittag gehe ich dann gemütlich laufen und trainiere etwas mit der vollbeladenen Maschine am Strand.
 

Mittwoch, 17.  Januar 2007

Den heutigen Tag verbringe ich mit Reisevorbereitungen. Die Maschine wird beladen, die Lebensmittel und Wasservorräte werden aufgefüllt und der Motor noch einmal überprüft.

Donnerstag, 18. Januar 2007

Heute morgen verabschiede ich mich schweren Herzens von den Freunden aus der Herberge und natürlich von Alice.

 


Nach nun 3 Wochen Feiertags- und Pannenpause habe ich alle sehr ins Herz geschlossen und bin fast ein bisschen traurig, dass es nun Zeit zum Verabschieden ist.
Die nächste Zeit werde ich allerdings nicht alleine unterwegs sein. Ich werde mit Taco reisen. Taco ist ein Holländer und mit seiner Honda Afrika Twin ebenfalls auf den Weg nach Cape Town. Wir verstehen uns gut und beschließen mal ein Stück gemeinsam zu fahren.
Wir verlassen heute Togo bei wunderschönem Wetter und fahren über die Grenze nach Benin.
 

 

 

Autor
Elkebabe

ELKEBABE

Weitere Berichte

Bericht vom 07.05.2007 | 5.260 Aufrufe

Du hast eine Neue?

Verkaufe dein Gebrauchtmotorrad im 1000PS Marktplatz.

Inserat erstellen

Empfohlene Berichte

Pfeil links Pfeil rechts