Nolan Werksbesuch

Wie entsteht ein Helm? Werksbesuch bei einem Unternehmen mit Prinzipien: Produziert wird daheim!

Nolan Werksbesuch

Eine Helmfabrik in Europa zu finden gleicht der Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Früher mal war Italien der weltweit größte Hersteller von Motorradhelmen, mittlerweile ist Nolan der letzte verbliebene Produzent im Land. Alle Anderen haben den Großteil der Produktion nach Fernost ausgelagert. Also noch schnell die Nolan Fabrik bei Bergamo besichtigen, bevor auch dort schlaue Unternehmensberater eine Übersiedlung nach China vorschlagen. Doch beim Besuch wird klar: Nolan ist anders. Mein bleibt zuhause - für immer!

 

Made in Europe! Davon konnten wir uns bei der Werksbesichtigung persönlich überzeugen. Die Rohstoffe kommen teilweise aus Österreich und selbst unscheinbare Kleinteile werden im Werk bei Bergamo produziert. Die Nolangroup setzt auf 3 verschiedene Marken. Nolan, seit Jahren begannt für Thermoplast-Helme für alle Motorradkategorien. X-Lite, die sportliche Hightech Marke für die faserverstärkten Duroplasthelme und Grex, die günstige Schiene als Alternative für preisbewusste Käufer ohne Abstriche bei Sicherheit und Qualität.

   
Ivano Prudente, Export Manager bei Nolan hat bestimmt schon 100 mal durchs Werk geführt. Der Funke springt jedoch auch heute noch auf jeden Besucher über. Großes Erstaunen zu Beginn der Führung: "Der billigste Teil vom Helm ist der wichtigste Teil!". Die Innenschale aus Polystyrol übernimmt die Schlagdämpfung beim Crash und beinhaltet 38 Jahre Know-How. Ausgangsmaterial ist unscheinbares schwarzes Pulver. Der Lieferant kommt aus Österreich, die Kosten sind minimal. Doch schon beim nächsten Arbeitsschritt ist Know-How gefragt. Aus dem Pulver werden kleine Kügelchen mit unterschiedlicher Dichte hergestellt.
In der Lagerhalle stehen bei optimalen Bedingungen "Kügelchen" mit unterschiedlichem "Luft / Rohstoff"-Gemisch also unterschiedlicher Dichte zur Verfügung.  In diese Formen werden die Kügelchen eingeblasen, mit Dampf erhitzt und in Form gebracht.
Klingt alles ganz einfach, wäre der menschliche Kopf keine komplexe Angelegenheit. So müssen unterschiedliche Kügelchen in den verschiedenen Bereichen der Innenschale verwendet werden. In das billige Teil müssen somit medizinische Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Unfallforschung einfließen. Der Kopf ist an jeder Stelle anders beschaffen und so ist es auch die Innenschale. Hier werden die Kostenrechner kurz bewusstlos: In den Regalen stapeln sich die teuren Formen. Denn jede Helmtype benötigt für jede Größe eine eigene Helminnenschale. Menschliche Köpfe wiegen zwischen 4 und 6 Kilo. Auf diese beträchtlichen Unterschiede muss mit sehr unterschiedlichen Helminnenschalen reagiert werden. Der erste große Unterschied zu Billiganbietern.
Schon beim nächsten Schritt ist erstmals Handarbeit nötig. Tüchtige Italienerinnen kleben, drücken und stecken die Bauteile für den Innenaufbau in den Helm. Ganz beiläufig wird auch das Thema Visiere behandelt. "Die Herstellung ist sehr einfach, hier gibt es keine echten Highlights!"
Gespart werden darf natürlich nicht bei der Beschichtung um den Visieren ein kratzfestes Finish zu spendieren. Gespart werden darf aber auch nicht bei der Ausstattung: Pinlock Folien verhindern das Beschlagen. Die Nolan-Fabrik ist anders. Im ganzen Werk fanden wir keinen einzigen Kalender mit den ansonsten obligatorischen nackten Schönheiten. Statt dessen zieren Bilder von Aushängeschildern wie Casey Stoner Werkbänke, Spinde und Wände.

Thermoplaste - Duroplaste

Grundsätzlich unterscheidet man bei Helmen zwischen 2 unterschiedlichen Typen. Helmen mit einer Schale aus thermoplastischen Material und Helmen mit einer Duroplast-Schale.

Thermoplast: Im Fall von Nolan ist der Ausgangsstoff Lexan, im Fall von Billigherstellern nicht immer. Man könnte umgangsprachlich auch "Plastik" dazu sagen, gibt sich dann aber sofort als Unwissender zu erkennen. Das Material wird im flüssigen Zustand in eine Form gespritzt, abgekühlt und fertig ist die Helmschale. Vorteil: Ein Helm gleicht dem Anderen, geringerer manueller Arbeitsaufwand. Nachteil: Hohe Kosten für Formenbau, daher gibt es für jeden Helmtyp auch nur eine Form - unterschiedliche Größen werden ausschließlich durch unterschiedliche Innenschalen produziert.

Duroplast: Auch als faserverstärkter Kunststoff bekannt. Dabei werden Carbonfasern, Glasfasern oder Kevlarfasern kunstvoll und mit viel Handarbeit in Helmform gebracht, mit Harz getränkt und gebacken. Im Prinzip ist der gesamte Produktionsablauf reine Handarbeit. Daher höhere Kosten und natürlich auch ein größerer Aufwand in der Qualitätskontrolle. Jeder Helm ist ein Einzelstück! Vorteil: Für jede Helmtype werden 3 unterschiedlich große Aussenschalen produziert. Das spart Gewicht und ermöglicht eine noch exaktere Anpassung an den Kopf.

In Sachen Sicherheit erfüllen BEIDE Helmtypen bei Nolan die gleichen Normen!

   
Alle 90 Sekunden kullert eine Helmaussenschale aus der Presse. Bei 310 Grad wird das verflüssigte Ausgangsgranulat mit 180 bar eingespritzt. 700 Tonnen / cm² pressen die Formhälften zusammen! Das Ergebnis ist, wenn der Prozess erstmal läuft, jedesmal perfekt. Doch vorsicht: Ändern sich Temperatur und Luftfeuchtigkeit, muss die Qualität aufs neue überprüft werden.
Die Formen kosten ein Vermögen und bestimmt hätte man auch einige unwichtige Kleinteile zukaufen können. Doch Nolan macht sie alle selbst. "Wir legen Wert auf Transparenz, Qualität und auf Kontinuität!", betont Hr. Prudente. Bei anonymen und schwer zu durchschauenden Lieferanten aus Asien stimmt die Qualität oft nur bei der ersten Charge für die Qualitätskontrolle. Ändert der Lieferant seine Rohstoffe oder seine Lieferanten, hat man möglicherweise ein Problem. Kontinuität auch bei den Mitarbeitern: der Maschinenmeister arbeitet seit seinem 16. Lebensjahr bei Nolan - heuer wird er 54...
Ein tüchtiger Roboter schmiegt und jongliert sämtliche Helme nun geschickt ans Schleifband und entfernt damit alle Unregelmäßigkeiten. So ein Roboter wäre schon was für die private Garage. Felgen polieren, Motordeckeln polieren...man wird doch wohl noch träumen dürfen... Danach kommen sämtliche Helme in die Helmwaschanlage und werden anschließend lackiert.
 
Danach der wohl irrste Arbeitsschritt in der ganzen Herstellung. Die Helmdekore werden im Siebdruckverfahren produziert und von geduldigen Händen am Helm platziert. Danach werden die Helme noch mit Klarlack lackiert. Jeder einzelne Aufkleber auf jeden einzelnen Helm wandert also durch die Hände einer geduldigen Italienerin. Eine Dame schafft 30-40 Helme pro Tag, Versuche hier Männer zu beschäftigen scheiterten kläglich. Zu wenig Geduld meinte Ivano..
 
Bei der Endmontage werden dann alle Einzelteile zusammengefügt und die Helme verlassen das Lager in die weite Welt hinaus. Nolan ist besonders am Heimmarkt Italien eine Macht aber auch in den großen Märkten Deutschland und Frankreich hat man bei den Verkaufszahlen Spitzenpositionen. In Österreich kann der renommierte Großhändler und Importeur Schumoto pro Jahr rund 5.000 Stück absetzen.
 
 
Helme werden dank Casey Stoner und Co. ständig weiterentwickelt. Doch auch diversen Testlabors und Bürokratiehochburgen haben wir eine Weiterentwicklung zu verdanken. Denn jede neue Vorschrift, erfordert eine Weiterentwicklung der Hersteller. Hr. Prudente spricht Klartext: "Seit alle Helme mit Klarlack versehen werden, gibt es eigentlich keine Probleme mehr mit Alterung. Auch die modrenen Innenschalen sind nun anders als frühere Innenfutter sehr langlebig. Moderne Helme könnte man also länger als die früher vorgeschlagenen 5-7 Jahre tragen. Doch in 5-7 Jahren tut sich in der Helmentwicklung einiges. Je länger man seinen Helm trägt, desto mehr Entwicklungsschritte zum Wohle unserer Sicherheit lässt man aus." Im Moment sollte man alle Helme, welche vor 2004 produziert worden sind, gegen moderne Teile austauschen - dann hat man wirklich den derzeitgen Stand der Technik am Kopf.
 
 
In der Helm-Folterkammer werden Helme nach den unterschiedlichen weltweiten Normen geprüft. Grundsätzlich muss man als Konsument beim Helm zum Hersteller großes Vertrauen haben. Denn Helmprüfung bedeutet "zerstörende" Prüfung. Es können also klarerweise nicht alle Helme geprüft werden, welche die Produktion verlassen, da diese ja bei der Prüfung immer zerstört werden. Nur ein kleiner Anteil an Helmen wird geprüft und der Konsument muss darauf vertrauen, dass auch alle anderen Helme welche das Werk verlassen, die Prüfung ebenso bestehen würden. Eigentlich ein Wahnsinn, dass nach diversen Fleisch- und Käseskandalen, Konsumenten beim Helmkauf Vertrauen in anonyme Produzenten in Fernost haben und im Supermarkt Helme aus dem 69 Euro Wühlregal kaufen...
   
Beim Test wird der Helm nach exakten Vorgaben am metallischen Kopf platziert. Die Wahl der Waffen. Ivano entscheidet sich für den Metallkeil Marke "Gehtsteigkante".
Nach dem Test die große Überraschung. Die Helmaußenschale hat nur einen Kratzer und sorgt für einen trügerischen "der Helm ist noch OK" Eindruck. Die Helminnenschale hat jedoch die gesamte Energie absorbiert, hat sich verformt und ist damit auch verbraucht. Der Helm erfüllt dann trotz intakter Außenschale seine Aufgabe nicht mehr und muss getauscht werden.
Bild unten: Die gnadenlosen Gerätschaften in der Helmfolterkammer.
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Wesentlich Geheimnissvoller ging es dann bei der X-Lite Werksbesichtigung zur Sache. Die Kamera durfte nur selten gezückt werden und über einen Teil des Herstellungsverfahrens dürfen wir leider nicht berichten. Nur soviel: Aus den ohnehin schon teuren Rohstoffen wie Carbon-,Kevlar- oder Glasfaserverbundwerkstoffen werden in viel Handarbeit im Prinzip lauter Einzelstücke hergestellt. Eine fertige Rohschale bringt dann 600 Gramm auf die Wage und hat viele Arbeitsschritte hinter sich.
Laminiert, gebacken und verschliffen. Die Helmschalen sind bereit für eine weitere händische Verarbeitung. Manager welche hier nur an Kosten denken, bleibt eigentlich keine andere Wahl als nach Asien zu flüchten. Die Aktien der Firma Nolan befinden sich aber nicht in den Händen irgendwelcher Banken oder Investoren, sondern zu einem Gutteil in den Händen von Mitarbeitern der Firma selbst. Eigentlich logisch, dass diese ihren eigenen Arbeitsplatz nicht nach China verlagern möchten. Herr Prudente glaubt jedenfalls fest daran, dass es genug Konsumenten gibt die einer Tradiontsmarke mit europäischer Produktion mehr Vertrauen schenken als namenlosen Produzenten mit wechselnden Aufklebern auf der Schale. Uns hat er jedenfalls überzeugt.

Nolan Fabrik - Videoclips

 

NastyNils hat ein paar kurze Videoclips mit Eindrücken aus der Fabrik zusammengefassst. Klarerweise ist das nicht ganz so spektakulär wie Onboardaufnahmen auf der Rennstrecke, für technisch interessierte Leser aber trotzdem ganz witzig anzusehen.

Interessante Links:

Bericht vom 24.03.2010 | 10.438 Aufrufe

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