Interview BMW Chef

BMW Motorrad Days 2009 - Interview von Kuenheim

1000PS: Herr von Kuenheim. Welchen Stellenwert haben die BMW Motorrad Days für BMW Motorrad?

Schauen Sie, das ist jetzt das 9. Jahr, daß wir das machen, das 8. Mal in Garmisch und es ist jährlich gewachsen, gewachsen, gewachsen. Es ist da größte BMW Motorrad Treffen, das wir weltweit haben. Wir haben Treffen in Amerika, wir haben Treffen in Spanien und Italien, aber hier erwarten wir 30000 bis 35000 Besucher und damit ist es bei weitem das größte. Hat also einen hohen, einen sehr hohen Stellenwert.

1000PS: Was sind die diesjährigen Highlights?

BMW hat ja, wie fast jedes Jahr, eine wahre Flut an Modellneuheiten. Wir haben unsere K4x Modelle überarbeitet, also K1300S, K1300R und K1300GT, die wir schon im April/Mai dieses Jahres auf den Markt gebracht haben. Das absolute Highlight aber ist die S1000RR, das erste Supersport Motorrad von BMW Motorrad, das ab Weihnachten verfügbar sein wird. Ein Motorrad, mit dem wir eine Benchmark setzen werden. Es wird das leistungsstärkste und wahrscheinlich auch das schnellste Motorrad in seinem Segment werden, auf jeden Fall das leichteste. Mit den modernsten und leichtesten Fahrregelsysten.

Unser Ziel sind 50000 Besucher. Das verträgt Garmisch locker.

1000PS: Das heißt ein Technologiepaket.

Ein absolutes Technolgiehighlight. Das auch vom Normalverbraucher zu beherrschen ist, weil einen die Fahrregelssysteme davon abhalten, Dummheiten zu machen.

1000PS: Zurück zu den Motorrad Days. Wie viele Besucher aus wie vielen Ländern erwarten Sie?

Das hängt natürlich stark vom Wetter ab. Gestern war das Wetter katastrophal bei der Anreise, weshalb viele ihre Ankunft schon mal auf heute verschoben haben. Wenn das Wetter sich so entwickelt wie es heute ist, dann erwarten wir wieder 35000 Besucher. Wir wollen aber weiter ausbauen, auf mögliche 50000 Besucher. Ich habe gestern erst mit dem Bürgermeister gesprochen, der mir versicherte, daß die Infrastruktur von Garmisch eine Besucherzahl von 50000 vertragen würde.

S1000RR. Bis zur Einführung ist der Jahresbestand schon verkauft.

1000PS: Welche Nationalitäten sind vertreten?

In erster Linie Deutschland, Österreich, viele Schweizer und Italiener, Spanier, Polen, Skandinavier. Sogar aus Kanada sind Teilnehmer angereist. Prinzipiell ist jedes Land Europas vertreten.

1000PS: Wieder zu den Motorrädern. Wie hoch ist das Interesse an der S1000RR?

Vor 3 bis 4 Jahren hätte uns niemand zugetraut, daß wir so ein Motorrad bauen. Wir setzen damit ja sogar neue Standards. Das Interesse ist extrem hoch, wir haben vor einigen Wochen schon die Preise bekannt gegeben. Am allerersten Tag hatten wir 800 Anfragen aus Deutschland. Der Orderbestand liegt derzeit zwischen 4000 und 5000, das sind die verkauften, gezeichneten Einheiten aus Europa, bei einer Jahresproduktion von 9000. Und bis zur Markteinführung haben wir ja noch ein paar Monate. Bis zur Einführung ist der Jahresbestand wahrscheinlich schon verkauft. Das Interesse ist also phänomenal. Wir haben auch einen sehr aggressiven Preis, der nur ein bisschen über dem der japanischen Konkurrenz liegt. Dafür haben wir aber soooo viel mehr zu bieten.

1000PS: Es gibt R1 und R6, es gibt CBR1000RR und CBR600RR, es gibt ZX-10R und ZX-6R...wir auch die S1000RR eine kleine Schwester bekommen?

Ein 600er Supersportler läßt sich in Europa finanziell nicht realisieren.

Wissen Sie, diese kleinen Supersportler, in der 600-750 Kubik Klasse, die können 80 bis 90 Prozent, was die großen Motorräder können, zu einem viel geringeren Preis. So ein Motorrad läßt sich heute finanziell in Europa nicht realisieren. Sie bieten alle Hightech Lösungen, die sie in einem großen Motorrad haben und erwirtschaften einen deutlich geringeren Umsatz. Wir haben das mehrfach durchgespielt, wir haben auch Ideen, wie man sowas machen könnte, welche Motorenkonzepte, 2, 3 oder 4 Zylinder, V- oder Reihenmotor... Erwarten Sie nichts in dieser Richtung von BMW Motorrad in den nächsten Jahren. Da haben wir andere Überraschungen parat, tolle Überraschungen, aber das (600er Supersportler) hat bei mir keine hohe Priorität.

1000PS: Es gibt ja auch ein europäisches Beispiel, daß es nicht funktioniert.

Ich möchte mich nicht über die Konkurrenz auslassen. Wir müssen und zunächst mal etablieren in dem Segment, wir sind der Neueinsteiger. Wir müssen dem Kunden beweisen, daß wir das gut können. Wenn wir die eine Hausaufgabe gemacht haben, dann schauen wir auf die nächste.

1000PS: Zum Thema Preise. Es finden derzeit bei vielen Marken Preisanpassungen statt. Wie sieht es damit bei BMW aus?

Da kann ich richtig lächeln. Über die letzten 5-6 Jahre hatte die Konkurrenz aus Fernost die Preise künstlich niedrig gehalten. Das war dadurch bedingt, daß der japanische Yen, auch durch Eingriff der japanischen...den Export von Motorrädern, elektronischer und anderer Produkte konkurrenzlos günstig gemacht hat. Die starke Aufwertung des Yen führte zu zahlreichen Preiserhöhungen in den letzten 6 Monaten, im April / Mai wieder um 10 %. Der Preisvorteil, den die Japaner in den letzten Jahren hatten, der ist nun weg. Und man sieht das auch in den Zulassungen weltweit. Die großen Verlierer sind die 4 bekannten Japaner, mit Einbrüchen in der Größenordnung bis fast 50 Prozent. Dagegen behaupten sich die Europäer, die preislich immer etwas höher angesetzt waren, mit einem deutlich geringeren Rückgang. Daß der Motorradmarkt insgesamt nicht sehr gut aussieht, darüber müssen wir nicht reden, aber der Rückgang bei BMW und anderen europäischen Spitzenprodukten ist ein Bruchteil verglichen mit dem Rückgang, den Asien zu verzeichnen hat. Sie sehen also ein Lächeln in meinem Gesicht. Es gibt da einen Spruch: Nichts ist so schön wie der Mißerfolg der Konkurrenz.

Preiserhöhungen wie die Japaner? Da kann ich nur lachen!

Am 18.11.2008 erstmals auf 1000PS präsentiert. Die Studie, die mittlerweile "Custom Concept" heissen MUSS. Modulare Bauweise ermöglicht unzählige Variationen.

Ein neuer BMW Roller? Ich werde ihre Anregungen aufnehmen.

1000PS: Vor einem Jahr wurde eine Studie namens "LoRider" präsentiert. Nachdem eine andere Marke Anspruch auf  den Namen erhoben hatte, wurde er in "Custom Concept" geändert. Der Zuspruch war durchwegs positiv. Wie geht es da weiter?

Es ist Schade, daß wir das Motorrad nicht hier haben. Es ist aber noch in einer Produktklinik auf Übersee, hätte eigentlich diese Woche zurück sein müssen, kommt leider erst nächste Woche. Es ist ein Lieblingsprojekt von mir, mir gefällt das noch besser als es den Kunden gefällt. Aber wie ich gesagt habe, wir haben viele Hausaufgaben, viele Baustellen, und die Firma BMW muß auch aufpassen, daß sie sich nicht übernimmt. Wir werden die Segmente eins nach dem anderen abarbeiten. Die Kundenresonanz auf das Custom Concept war genial. Eine echte Alternative für alle, die gerne Custombikes fahren aber nicht unbedingt ein amerikanisches Produkt. Es hilft hier nichts, wenn man ein Produkt kopiert, man muß seinen eigenen Weg finden. Wir produzieren den Boxermotor jetzt seit 86 Jahren, damit haben wir mehr Authentizität als jeder andere Motorradhersteller der Welt, deshalb wollten wir mal so ein Produkt mit dem Boxer machen.

1000PS: Es gab ja auch mal einen nicht so erfolgreichen Roller von BMW.

Gab es das?

1000PS: Ja. Heute ist der Rollermarkt im Wachsen, gibt es da neue Überlegungen in Richtung Roller. Diesmal vielleicht ohne Dach?

Also ich werde ihre Anregungen aufnehmen. Was halten Sie davon? Das werden wir auch jeden Fall machen. Der Scootermarkt boomt, keine Frage. Ich würde trotzdem den C1 nicht unterschätzen. Der C1 hat eine tolle Historie. Ein gebrauchter C1 hat einen höheren Preis als er damals neu gekostet hat. Seit 5 Jahren ist die Produktion eingestellt, wir haben knapp 40000 Stück gebaut. Ein gebrauchter C1 ist sicher das beste Investement, das sie in den letzten 18 Monaten tätigen konnten. Vergessen Sie die Börse, C1 hätten Sie kaufen müssen.
Wir werden Sie vielleicht schon in den nächsten Wochen überraschen. Wir haben eine Idee, was man mit dem C1 Nachfolger machen könnte und was man mit einem Scooter machen könnte.

1000PS: Wie sieht es aus mit alternativen Antriebsarten? Elektro, Hybrid, Brennstoffzelle.

Sie müssen wissen, daß das Motorradgeschäft ein hochsensibles Geschäft mit sehr geringen Preismöglichkeiten, mit geringen Margen. Die heutige Batterie-Technologie - und damit auch alle Träumer ein für alle Mal auf den Boden der Tatsachen zurück kommen - erlaubt es nicht, in nennenswerten Stückzahlen ein preisgünstiges Fahrzeug, das die Anforderungen des Kunden erfüllt, auf den Markt zu bringen. Wir haben ganz klare Marktuntersuchungen gemacht. Ein Kunde, der, nehmen wir mal an, einen Elektroroller kauft, hat die Erwartungshaltung, daß er zumindest 100 Kilometer damit fahren kann, auch wenn sein täglicher Bedarf nur bei 25 Kilometern liegt. Aber es kann ja sein, daß er einmal im Jahr 100 Kilometer aufs Land fährt. Wenn das Produkt diesen Anspruch nicht erfüllt, ist das ein absoluter Kaufverhinderungsgrund. Deshalb werden sich Fahrzeuge nicht durchsetzen, die eine Reichweite von 20, 25, 30 Kilometer haben, obwohl sie wahrscheinlich 90 Prozent der Anforderungen eines normalen Kunden erfüllen. Das ist einfach psychologisch.

Die Batterien sind auch weiterhin sehr sehr teuer und schwer. Um ihnen mal eine Idee zu geben. Bei einem Elektroscooter, der eine Reichweite von 85 Kilometer hat, reden wir von einem Gewicht von 280 Kilogramm. Die Batterie alleine würde 5000 Euro kosten. Ein Konzept wäre, nur das Basisfahrzeug zu verkaufen und die Batterie zu verleasen. Sie könnten je nach Bedarf eine Batterie leasen. Ein Elektrofahrzeug an sich macht unheimlich viel Spaß, weil sie ja sofort das ganze Drehmoment verfügbar haben. Der Beschleunigungseffekt ist genial.  Was wir aber auch beim Elektro-Mini sehen, den wir in einer Stückzahl von 500 Einheiten gebaut haben. Die Fahrzeuge sind so ruhig, daß sie eine Gefahr für den Passanten darstellen, der nicht hört, daß ein geräuschloses Fahrzeug kommt. Das ist also eine Umerziehung. Langer Rede kurzer Sinn: Diese Fahrzeuge werden kommen. Aber gehen Sie davon aus, daß die ersten Fahrzeuge, die einigermaßen den Kundenansprüchen genügen, im Jahre 2013, 2014 auf den Markt kommen. Alles andere sind Bastellösungen, tolle Bastellösungen, aber nichts was sich in großen Stückzahlen verkaufen könnte.

Wir werden die Welt überraschen.

1000PS: Letzte Frage: Die Zukunft des Boxers?

Boxer ist BMW. 86 Jahre bauen wir ihn. Wir werden ihn pflegen, ausbauen, investieren. Mehr als 50 Prozent dessen, was BMW in den nächsten Jahren in neue Produkte investieren wird, wird in den Boxer fließen. Gehen Sie davon aus, daß wir die Welt überraschen werden. Wir haben eine Alleinstellung mit dem Boxer. Schauen Sie sich mal um, die GS ist das 3. meistverkaufte Motorrad der Welt über 500 Kubik. Diese Stellung gilt es zu verteidigen oder die Nummer 1 zu werden. Dazu bedarf es deutlicher Pflege, neuer Ideen und nochmal - wir werden die Welt überraschen.

1000PS: Danke für das Gespräch.

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Text: kot
Bilder:Anita Kohlweg, BMW